Vor fünf Jahren übernahmen die Grünen die um das Thema Gleichstellung erweiterte Wissenschaftsbehörde – die neue Behörde für Wissenschaft und Gleichstellung (BWFG). Senatorin wurde Katharina Fegebank, Staatssekretärin wurde die bis dato wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Eva Gümbel. Wie sieht die Bilanz nach fünf Jahren grüner Wissenschaftspolitik in Hamburg aus? Wurden die Versprechungen eingehalten? Einerseits wurde die Uni Hamburg in den Status einer Exzellenzuniversität erhoben, andererseits jedoch gab es eine Stagnation in den Bereichen Hochschulfinanzierung und bei den Beschäftigungsbedingungen, wie im Folgenden ausgeführt wird. Die Fußnoten beziehen sich auf GEW-Artikel überwiegend der letzten fünf Jahre, in denen wir die aktuellen (Fehl-)Entwicklungen kommentiert haben und die zur Vertiefung der angesprochenen Themen genutzt werden können.
Hochschulfinanzierung: Versprechen gebrochen, Grundfinanzierung stagniert weiter
Finanziell gut ausgestattete Hochschulen sind nötig, damit diese ihre Aufgaben in Forschung und Lehre wahrnehmen können. Entscheidend ist hierbei die sog. Grundfinanzierung, also die Mittel, die in den Haushalten der Hochschulen zur Verfügung stehen, um u.a. das Personal in Forschung und Lehre sowie das technische und Verwaltungspersonal zu bezahlen (1). Auch aufgrund der Schuldenbreme stagniert die Hochschulfinanzierung jedoch seit vielen Jahren – auch schon unter der vorherigen SPD-geführten Behörde – und ist gedeckelt bei jährlich 0,88 % Aufwuchs. Diese Erhöhung deckt jedoch nicht einmal die Tarifsteigerungen, so dass der Etat der Hochschulen faktisch schrumpft. Diesen Missstand erkannten die Grünen und versprachen daher im aktuellen Koalitionsprogramm, dass bei Tarifsteigerungen über diese 0,88 % hinaus Nachverhandlungen geführt werden sollen. Wenig überraschend lag der Tarifabschluss in der nun endenden Legislatur über diesen 0,88 %, so dass nun die Senatorin in der Pflicht war, diese Nachverhandlungen zu führen.
Dieser im Koalitionsvertrag dokumentierten Bereitschaft zur Nachverhandlung über den jährlichen Aufwuchs der Grundfinanzierung der Hochschulen erteilte die grüne Senatorin 2017 dann jedoch, u.a. gegenüber dem Akademischen Senat der Uni Hamburg, eine Absage (2). Somit stagniert die Finanzierung weiter und eines der zentralen Versprechen der Grünen wurde gebrochen zu Lasten der Beschäftigten an den Hamburger Hochschulen. Wie vorher schon die SPD haben nun auch die Grünen auf diesem Feld mehr als enttäuscht. Zwar ist es richtig, dass in Hamburg in den letzten zehn Jahren erhebliche zusätzliche finanzielle Anstrengungen unternommen wurden, um den Hochschul- und Forschungsstandort zu stärken, aber diese zusätzlichen Mitteln wurden eben nicht in eine verbesserte Grundfinanzierung der Hochschulen, sondern in projektbezogene, i.d.R. befristete Programme gesteckt (zusätzliche Forschungsprogramme, teilweise Gegenfinanzierung der Exzellenz, Einmalzusagen etc.). Aus solchen Finanzierungen entsteht eben keine dauerhafte, sondern in der Regel nur befristete Beschäftigung, die aufgrund des immer höheren Anteils der Drittmittel an der Hochschulfinanzierung ein immer ungesunderes Verhältnis zwischen den vielen (befristeten) Qualifikations- und den dünn gesäten Dauerstellen bewirken.
Die AG Gute Arbeit in der Wissenschaft: Von einer Errungenschaft zur Alibiveranstaltung
Die AG Gute Arbeit in der Wissenschaft – Code of Conduct wurde 2013 von der damals SPD-geführten Wissenschaftsbehörde eingerichtet mit dem Ziel, die Beschäftigungsbedingen an den Hochschulen zu verbessern. In dieser AG, deren Einrichtung wir als GEW ausdrücklich begrüßt haben, trafen sich seitdem regelmäßig Vertreter*innen der Hochschulen (Kanzler*innen, Personalrät*innen), aber auch der Gewerkschaften und Verbände. Verschiedene Maßnahmen wurden einvernehmlich besprochen und gesetzliche Änderungen sowie ein Code of Conduct, eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hochschulen, auf den Weg gebracht. Die gesetzlichen Änderungen wurden mit der Novelle des Hochschulgesetzes im Sommer 2014 wirksam, die Regelungen des Code of Conduct wurden in die Ziel- und Leistungsvereinbarungen integriert, die zwischen der Behörde und den Hochschulen vereinbart werden, sowie an einigen Hochschulen auch in den jeweiligen Akademischen Senaten behandelt und beschlossen (3). Dieser Prozess war seinerzeit bundesweit vorbildlich, und dennoch nur ein Etappensieg, da die jahrelangen Fehlentwicklungen es nötig machen, weiter an diesem Thema zu arbeiten. Mit dem Wechsel des Ressorts von Rot nach Grün war daher auch die Erwartung verbunden, dass hier intensiv weiter gearbeitet wird (4).
Unter Leitung der neuen Staatsrätin Gümbel stagnierte der Prozess jedoch, sollte abgebrochen und/oder in ein Monitoring überführt werden, was der Selbstzuschreibung einer „Stadt der guten Arbeit“ jedoch überhaupt nicht entsprach (5). Dies monierten wir auch gemeinsam mit den anderen Verbänden und forderten, dass Hamburg seine Vorreiterrolle zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ausbauen, statt den Prozess abrechen sollte (6). Dass die AG fortgeführt werden müsse, war auch das Ergebnis einer GEW-organsierten Diskussionsrunde mit Bürgerschaftsabgeordneten im November 2017 (7). Auch bei einer Diskussionsrunde mit der Staatsrätin aus Hamburg und dem Staatssekretär aus Schleswig-Holstein zu den Beschäftigungsbedingungen im Wissenschaftsbereich Ende 2017 haben wir deutlich gemacht, dass jahrelange Fehlentwicklungen eine schnelle und intensive Aufarbeitung benötigen und der Prozess nicht einfach abgebrochen werden könne (8). Erreicht wurde immerhin, dass die AG weiter tagt, wenn auch sehr selten. Ein Ärgernis ist, dass nicht einmal die versprochene Evaluierung der 2014 eingeführten Maßnahmen so klappte, wie es vereinbart war, sind doch die von Seite der Arbeitgeber*innen jährlich vorzulegenden Evaluationsberichte oftmals unvollständig und warfen in den letzten Jahren mehr Fragen auf, als Antworten zu liefern (9). Noch ärgerlicher ist, dass die grüne Senatorin bei Fragen nach Verbesserungen der Beschäftigungsbedingungen wiederholt auf die AG verwiesen hat, da „dort diese Probleme behandelt würden“, was faktisch nicht stimmt, da dort lediglich unvollständige und fehlerhafte Berichte andiskutiert wurden. Die AG, gestartet als Errungenschaft, wurde somit unter grüner Ägide zunehmend zu einer für die Beteiligten frustrierenden Alibiveranstaltung – ohne dass sie dem Ziel einer Fortentwicklung zuarbeitete. Dies zeigt sich beispielhaft an der Vergütung der Lehrbeauftragten, wo statt einer Erhöhung für alle ein unerträglicher Wildwuchs verschiedener Bezahlungen eingeführt wurde und es von der jeweiligen Hochschule/Fakultät oder sogar vom Fachbereich abhängt, wie niedrig die Vergütung ausfällt – statt gleicher Bezahlung hielt hier leider also (grüne) Vereinzelung Einzug (10). Für die Masse der Lehraufträge an den Hamburger Hochschulen gilt: die Vergütungen stagnieren auf dem niedrigen Niveau, das vor fast zwei Jahrzehnten fixiert wurde. Ausnahmen von dieser Regel konnten nur erreicht werden, wo, wie z. B. in der Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaften, die Lehrbeauftragten besonderen Druck entfalten konnten und dort, wo die „Marktpreise“ für gute Lehre ohnehin längst davon gezogen sind.
Autonomie der Arbeitgeber zu Lasten der Beschäftigten: Grüne lässt die Kanzler*innen los …
Die Personalverantwortung an den Hochschulen obliegt den Kanzler*innen, welche in der Vergangenheit durch eine wenig arbeitnehmerfreundliche Haltung unerfreulich aufgefallen sind – jüngst gipfelnd in der „Bayreuther Erklärung“ (11). Während die SPD-Senatorin Stapelfeldt, wenigstens noch bereit war, bei krassen Verfehlungen der Kanzler*innen aktiv zu werden und einen Rahmen vorzugeben – Stichwort Code of Conduct – so lässt die grüne Wissenschaftsbehörde mit dem Verweis auf die Autonomie der Hochschulen den Kanzler*innen freies Feld, und gab den Anspruch, im Fall von besonders miesen Fällen einzugreifen, völlig auf.
Ein unerfreulicher Vorfall ergab sich im Frühjahr 2019, als die Uni Hamburg die korrekte Bezahlung der Beschäftigten verweigerte. So wurden Einstufungen sehr verzögert bearbeitet und die Betroffenen mit teilweise haarsträubenden Begründungen hingehalten. Der Personalrat des wissenschaftlichen Personals (WIPR) wusste von mehr als 200 unbearbeiteten Fällen zu berichten und hat sich mehrfach schriftlich beim Kanzler und dem zuständigen Abteilungsleiter beschwert. Auch wurde vorgeschlagen, eine Einstufung in voraussichtlich erreichte höhere Stufen vorzunehmen, was der Kanzler jedoch verweigert. Eine konkrete Lösung oder ein Datum, wann mit den fälligen Nachzahlungen gerechnet werden kann, wurde ebenfalls verweigert. Der Kanzler begründete seinen Unwillen, seiner Verantwortung für diese Fälle in seiner Rolle als Personalverantwortlicher nachzukommen, mit der Arbeit, die seine Abteilung mit der Exzellenzinitiative habe. Als GEW kritisierten wir dieses als unhaltbaren Zustand und einer öffentlichen Einrichtung der selbsternannten ‘Stadt der guten Arbeit‘ unwürdig. Erschreckend ist, dass Exzellenzbestrebungen vorgeschoben wurden, um grundlegende Aufgaben zu vernachlässigen. Wie sollen sich Beschäftigte mit ihrer Einrichtung identifizieren und sich für sie einsetzen, wenn eine korrekte Bezahlung über Monate verweigert wird? (12) Ein Einschreiten der Behörde? – erneut Fehlanzeige.
Die SPD, so das Fazit und ein Vergleich mit der Vorgängerregierung, war immerhin bereit, einen Rahmen für bessere und verlässlichere Beschäftigungsbedingungen zu schaffen, die Grünen dagegen weigern sich seit fünf Jahren konsequent, ihrer Verantwortung als oberster Dienstherr gerecht zu werden, und wenigstens die schlimmsten Auswüchse mieser Arbeitgeberpolitik regulierend zu beheben.
Prekäre Exzellenz
Vor einigen Monaten wurde die Uni Hamburg zu einer der neuen Exzellenzuniversitäten gekürt. Als GEW haben wir gratuliert und zugleich deutlich gemacht, dass dieser Status auf Kosten der Beschäftigten erlangt wurde. Wir haben die Befürchtung geäußert, dass durch die mit Fördergeldern in Millionenhöhe verbundene neue Exzellenzstrategie von Bund und Ländern noch unsicherere Perspektiven für viele Wissenschaftler*innen bedeutet: Wenn Universitäten mehr Geld bekommen, führt das in der Regel dazu, dass sie dieses für befristete Beschäftigungsverhältnisse verwenden. Zwar läuft die Exzellenzstrategie auf unbestimmte Zeit, doch alle sieben Jahre wird evaluiert, und die Unis müssten sich neu bewerben. Dann besteht das Risiko, dass Projekte wegfallen oder der Hochschule der Exzellenzstatus entzogen wird. Dieses Risiko geben die Unis eins zu eins an ihre Beschäftigten weiter. Die GEW verlangt deswegen statt immer neuer und befristeter Sonderprogramme eine ausreichende und nachhaltige Grundfinanzierung der Hochschulen durch Bund und Länder, damit diese sich nicht ständig den Anforderungen von Drittmittelgebern unterwerfen müssten. Befristete Qualifikationsstellen und unbefristete Dauerstellen müssen endlich wieder in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen, das dem wissenschaftlichen Nachwuchs kalkulierbare Karrierewege ermöglicht, statt sie im Status von Teilnehmer*innen eines unkalkulierbaren Lotteriespiels zu halten.
Mit dem Hochschulpakt-Nachfolgeprogramm, dem Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken, wird dafür zwar etwas getan, doch ist dieses unterfinanziert und wird nicht regelmäßig an die Tarifsteigerungen angepasst. Die Politik ist in der Pflicht, nun auch exzellente Arbeitsbedingungen zu schaffen und Fördergelder in unbefristete Jobs zu investieren (13).
Fünf Jahre grüne Wissenschaftspolitik, das sind fünf Jahre prekäre Exzellenz, also Elitedenken zu Lasten der Beschäftigten. Aus GEWerkschaftsperspektive eine desaströse Bilanz.
Fredrik Dehnerdt, stellvertretender Vorsitzender GEW Hamburg
(1) Zum Zusammenhang von Hochschulfinanzierung, Kettenbefristungs- und Lehrbeauftragten-Unwesen siehe www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/warum-entfristen-wenns-auch-prekaer-geht
(3) www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/leitfaden-gute-arbeit-in-der-wissenschaft-vor-ort-umsetzen und www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/langfristige-arbeitsvertraege-dann-muessen-wir-aber-die-probezeit
(4) www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/gew-zu-wissenschaftspolitik-der-neuen-regierung
(5) www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/traumjob-wissenschaft
(7) www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/die-ag-muss-fortgefuehrt-werden
(13) www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/universitaet-hamburg-wird-exzellenzuniversitaet
Foto: Hofschlaeger / www.pixelio.de