Die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen sind geprägt von Zeitverträgen, unsicheren Berufsperspektiven, mangelnder Ausstattung der Arbeitsplätze und einer zunehmenden Arbeitslast. In Hamburg wurde, auch auf Grund zunehmender Aktivitäten insbesondere an der erziehungs- und der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Uni Hamburg, 2013 von Seiten der Behörde eine AG „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ eingerichtet, die gesetzliche Änderungen sowie einen „Code of Conduct“ (CoC) für die Hochschulen auf den Weg brachte (siehe hlz 3-4/2015 und 1-2/2016). Steter Tropfen höhlt den Stein. Heute leugnet niemand mehr die massiven Probleme. Verbesserungen werden in Aussicht gestellt – und erste, wenn auch kleinere, Erfolge sind erzielt. Somit gilt es weiter zu bohren.
In einer Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom Januar 2017 (DS 21/7386) wird ein Sachstand zur Umsetzung des CoC gegeben, der jedoch insbesondere im Abschnitt zur Uni Hamburg besser klingt, als es dort tatsächlich ist. Noch immer dominieren prekäre Stellen, wenn überhaupt auf Stellen und nicht auf Stipendien, Lehraufträgen oder „selbstfinanziert “ gelehrt und geforscht wird, und das im Gegensatz zum Leitbild „Stadt der Guten Arbeit“ und den Intentionen des CoC.
Vergütungssätze der Lehrbeauftragten
Wie in der CoC-Arbeitsgruppe erarbeitet und vereinbart, hat die zuständige Staatsrätin im Dezember 2016 eine neue Verwaltungsanordnung zur Lehrauftragsvergütung erlassen. Einerseits begrüßt die GEW diese dringend notwendige Erhöhung der Obergrenzen für die Vergütungssätze von Lehrbeauftragten von 40 auf 60 Euro. Mit dieser seit 14 Jahren ersten substantiellen Erhöhung werden die langjährigen Forderungen der GEW aufgegriffen. Zu unserer großen Enttäuschung wurden aber die Lehrauftragsvergütungssätze nicht einfach erhöht, sondern stattdessen ein Rahmen festgelegt, bei denen die Untergrenze sogar unter dem alten Wert liegen und nur die neuen Höchstsätze höher liegen als die alten Sätze. Die Festschreibung eines verpflichtenden allgemeinen Satzes von 60 Euro wäre für die Betroffenen angemessen und notwendig gewesen. Die den Hochschulen zugewiesenen Mittel müssten nun von der Behörde entsprechend dem gestiegenen Bedarf durch die Erhöhung der Obergrenzen angepasst werden – was nicht passiert.
Die in diesem Bereich besonders aktiven BewegungswissenschaftlerInnen argumentieren bisher erfolgreich bei ihren Lehraufträgen, dass, wer bisher den Höchstsatz erhielt, diesen auch künftig erhalten muss, womit der Stundensatz von 40 auf 60 Euro für „professorengleiche“ Lehre angehoben würde. In den Geisteswissenschaften der Uni Hamburg hat das Dekanat dagegen beschlossen, den Satz weiterhin auf 40 Euro einzufrieren, zumindest für das Sommersemester. Allerdings regt sich hierzu im Fakultätsrat Widerspruch und das Thema soll auf einer künftigen Sitzung ausführlicher behandelt werden.
Mit Blick auf die Gesamtsituation der Lehre fordert die GEW – über die aktuell in Aussicht gestellte Honoraranpassung hinaus – eine weitergehende Erhöhung der Lehrauftragsvergütung auf mindestens 85 Euro, damit kein Anreiz mehr besteht, reguläre Stellen für Wissenschaftliche MitarbeiterInnen abzubauen und durch „billigere“ Lehre durch Lehrbeauftragte zu ersetzen.
Wissenschaftliche MitarbeiterInnen mit ausschließlicher Lehrtätigkeit (WiMiLe)
Noch immer sind fast 1/5 der WiMiLe nach § 28 (3) des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) befristet beschäftigt, obwohl sie mit meist 14 bis 16 Semesterwochenstunden (SWS) Lehre eindeutige Daueraufgaben verrichten. Seit einem Jahr schreibt dieses jedoch vor, dass für Daueraufgaben unbefristete Stellen einzurichten sind. Wir fordern seit längerem von der Uni ein, die Entscheidung für eine sachgrundlose Befristung nach Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) (ohne BEEG) darzulegen und zu erläutern, wie überhaupt eine Qualifizierung auf den nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) befristeten Stellen erfolgen kann. Auch der Personalrat des wissenschaftlichen Personals an der Uni Hamburg (WIPR) beobachtet mit Sorge einen Anstieg der sachgrundlosen Befristung nach § 14 (2) TzBfG mit Begründungen wie Unsicherheit über den künftigen Struktur- und Entwicklungsplan (STEP) der Uni Hamburg. Außerdem ist ein generelles Überdenken dieser Kategorie im Hinblick auf das Selbstverständnis als Universität dringend geboten: Eine Weiterentwicklung zu mehr Dauerstellen im akademischen Mittelbau für Forschung und Lehre ist notwendig, dabei ist eine Lehrverpflichtung von maximal 10 bis 12 SWS anzustreben, verbunden mit Anteilen zur Forschung, Weiterbildung und Mitwirkung an der akademischen Selbstverwaltung. Die Einführung einer Kategorie vergleichbar mit derjenigen der UniversitätslektorInnen an der Universität Bremen ist daher ein Desiderat.
Umsetzungsprobleme und Vermeidungsstrategien beim Code of Conduct
Für Beschäftigte mit Promotions- bzw. Habilitationsabsicht sieht das HmbHG Stellen nach § 28 (1) bzw. (2) vor. Wenn aus Etatmitteln Stellen nach § 28 (3) finanziert werden – die keine zusätzlichen Leistungen, sondern nur Lehre bzw. projektorientierte Forschung beinhalten –, obwohl eine erkennbare Promotions- bzw. Habilitationsabsicht besteht, werden die Ziele des CoC bewusst umgangen: Dies geschieht regelmäßig bei Stellen aus der Leistungsorientierten Mittelvergabe (LoMi) oder Gleichstellungsmitteln mit einer Laufzeit zwischen 3 und 12 Monaten. Diese Stellen bieten keine Perspektive, innerhalb ihrer Laufzeit die Promotion/Habilitation abzuschließen. Es werden alternative Qualifizierungsziele angeführt, die nur Teile des eigentlichen darstellen (z.B. ein Vortrag, eine Publikation oder ein Kapitel der Dissertation). Aus Etatmitteln werden auch des Öfteren „Projekte“ finanziert mit der Folge, dass auch hier statt nach § 28 (1) bzw. (2) nach § 28 (3) trotz erkennbarer Promotions- bzw. Habilitationsabsicht eingestellt wird. Hiermit werden alle Vorgaben des CoC zu Laufzeit und Qualifikationsanteil gezielt umgangen. Die GEW fordert, dass bei allen Stellen, auf denen eine Qualifizierung nach WissZeitVG erfolgt, künftig darauf geachtet werden muss, dass die Laufzeit auch dem tatsächlichen (und nicht nur dem vorgeblichen) Qualifikationsziel angemessen ist und ein Qualifikationsanteil von mindestens 30 Prozent gewährt wird – wie dies auch im CoC vereinbart wurde.
Vorschläge der GEW zur Weiterentwicklung des CoC
Um die dringend benötigten Verbesserungen für das wissenschaftliche Personal zu erreichen schlägt die GEW folgende Maßnahmen vor:
- Festschreibung des Stellenumfangs von Promotionsstellen auf mind. 2/3-Stellen (wie schon jetzt üblich bei Drittmittelstellen, die von der DFG bewilligt werden). Promotionsstellen im Umfang von 50% zwingen in Hamburg wegen Mieten und Lebenshaltungskosten zu Nebentätigkeiten.
- 4-Jahresvertrag bei Promotionsstellen. Bei insgesamt 171 Verlängerungen bei § 28 (1) (= Promotions-)Stellen gegenüber 123 Einstellungen kann man nicht von Einzelfällen reden. Die Promotionsdauer ist regelhaft länger als 3 Jahre und macht in den meisten Fällen eine Verlängerung erforderlich. Sie liegt bundesweit zwischen 3,5 und 4,5 Jahren (Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs, kurz BuWiN 2017, S. 32).
- Verlängerung von Promotionsstellen zum „Promotionsabschluss“ mit einer Mindestlaufzeit von 6 Monaten vereinbaren (zurzeit alles zwischen 1 Monat und 2 Jahren).
- Verlängerung von Postdoc-Stellen (3+X) um ganze 3 Jahre in Anlehnung an die 2. Phase der Juniorprofessur. Der § 28 (2) ist in der derzeitigen Form zu offen, alle Verlängerungen zwischen 1 Monat und 3 Jahren sind möglich.
- Verzicht auf sachgrundlose Befristungen nach TzBfG im wissenschaftlichen Bereich oder genaue Definition der Fälle, in denen dies unbedingt erforderlich ist.
- Mehr Dauerstellen: Das Verhältnis von 322 unbefristeten Stellen nach § 28 (3) (= Stellen ohne Qualifizierungsanteil) gegenüber 2522 befristeten Stellen nach § 28 (1-3) ergibt einen Befristungsanteil von ungefähr 9 zu 1 im akademischen Mittelbau. Hier besteht ein Entwicklungsbedarf für deutlich mehr Dauerstellen im akademischen Mittelbau, die neben den Professuren ebenfalls Daueraufgaben in Forschung und Lehre wahrnehmen. Wenn ein signifikanter Aufwuchs der Professuren in nächster Zeit nicht in Aussicht gestellt wird, lassen sich nur dadurch die Karriereperspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses nachhaltig verbessern. Ein verantwortungsvolles Personalentwicklungskonzept muss zu einem angemessenen Verhältnis von Promotionsstellen (Etat/Drittmittel) zu Postdoc-Stellen (Etat/Drittmittel) zu unbefristeten Mittelbau-Stellen für Daueraufgaben in Forschung und Lehre (Etat) in Instituten/Fachbereichen kommen. Mindestquoten an Dauerstellen sind für die Kalkulierbarkeit von akademischen Karrierewegen dringend erforderlich. Die GEW fordert in ihrer „Wittenberger Erklärung“ eine Entfristungsoffensive im akademischen Mittelbau.
Wachsende Stadt bei schrumpfendem Budget?
Anfang Februar überraschte der Senat mit der Ankündigung, bis 2020 rund 33 Mio. in den Ausbau der Hamburger Informatik stecken und dafür 33 neue Professuren für rund 1500 neue Studienplätze einrichten zu wollen. Die Finanzierung soll zu Teilen aus „nicht genutzten Mitteln der Hochschulen“ und insgesamt zum größten Teil aus den Budgets der vier beteiligten Hamburger Hochschulen erfolgen – also aus Kürzungen zulasten anderer Bereiche. Von der Anschubfinanzierung von 13,6 Mio. tragen Staatskanzlei und Bürgerschaft nur rund 5,4 Mio. (Hamburger Abendblatt vom 5.3.17). Schon im Dezember war angekündigt worden, dass die Wissenschaftsbehörde sich im Rahmen der Landesforschungsförderung als Drittmittelgeber mit rund 17,3 Mio. an Forschungsvorhaben bis 2020 beteiligen wird. Die im Koalitionsvertrag dokumentierte Bereitschaft zur Nachverhandlung über den jährlichen Aufwuchs von 0,88 Prozent abhängig von den Tarifentwicklungen erteilte die grüne Senatorin jüngst vor dem Akademischen Senat der Uni Hamburg erneut eine Absage. Dem steht andererseits gegenüber, dass die nun feststehenden Einschreibungszahlen zum Winter 16/17 ein Allzeit-Hoch von 100.589 Studierenden an den 19 Hamburger Hochschulen feststellen. Das entspricht einer Steigerung von 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Hamburger Abendblatt vom 25.11.16). Das bedeutet mehr Lehrleistung bei schrumpfendem Etat. Hinzu kommen noch Unsicherheiten in der längerfristigen Planung.
Abbau fachwissenschaftlicher Kapazitäten droht
Zwei Gutachten und die Frage, für welche Strategien sie genutzt werden, beschäftigen die Fachgruppe zurzeit: Nachdem im Januar des Vorjahres das Gutachten des Wissenschaftsrates (WR) den MIN-Fächern an der Uni Hamburg sehr gute Noten erteilt und finanziellen Nachholbedarf festgestellt hatte, wurde in diesem Januar die Präsentation des WR-Gutachtens für die Geistes- und Sozialwissenschaften bei grundsätzlich guten Noten nicht mit ähnlichen Forderungen verbunden. Zugleich wird zweitens die Umstrukturierung der Hamburger Lehramtsausbildungen von den „Empfehlungen der Expertenkommission zur Fortschreibung der Reform der Lehrerbildung“, der sogenannten Terhart-Kommission, begleitet. Schon jetzt wird mit diesem Papier argumentiert, wenn Kürzungen vorgenommen werden. Das Papier, ausschließlich von ErziehungswissenschaftlerInnen und Kultusbürokraten erarbeitet, sorgt zugleich für große Sorge in den an der Lehrerbildung beteiligten Fachwissenschaften. Die nach dem Hamburger Modell in den Erziehungswissenschaften beheimateten Fachdidaktiken – sofern sie noch existieren – sehen sich ebenso bedroht, wie ein erheblicher Abbau fachwissenschaftlicher Kapazitäten aus den geplanten neuen Modellen zu befürchten ist. Daher unterstützt die GEW die gemeinsame Stellungnahme der Fachschaftsräte Lehramt an beruflichen Schulen zur prekären Personalsituation in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik wie auch die Kritik des Fachschaftsrats Sonderpädagogik an den Stellenstreichungen in der Behindertenpädagogik.
Weiter dicke Bretter bohren
Das Lehrauftragsthema, der CoC-Prozess, die Umsetzung des Tenure-Track-Programms, die Personalratsarbeit und die Auseinandersetzung um einen StEP, der tatsächlich der Entwicklung einer mittel- bis langfristigen Strategie auch und vor allem im Bereich des Wissenschaftlichen Nachwuchses dient, bilden weiterhin besondere Schwerpunkte der Hamburger GEW-Arbeit im Bereich Hochschule und Forschung.
Ein Dank für die grundsätzlich positive Entwicklung hin zu etwas mehr Beschäftigungssicherheit und die Aufrechterhaltung eines Handlungsdruckes gegenüber der Uni und der Behörde geht insbesondere an unsere Aktiven in der Fachgruppe, die sich auch in verschiedenen Gremien der Uni – ob im Akademischen Senat oder im Personalrat – engagieren. Wir werden weiter bohren, um hier deutlichere Verbesserungen zu erreichen.
Fredrik Dehnerdt (stellv. Vorsitzender), Jochen Meissner und Marc Hinzelin (Sprecher der FG Hochschule und Forschung)
Foto: Kay Herrschelmann