Im Vorfeld der Bürgerschaftswahl luden die GEW, die Konferenz des akademischen Personals an der Uni Hamburg (KAP) und ver.di zu einer Podiumsdiskussion mit den wissenschaftspolitischen Sprecher*innen der Parteien am 12. November ins Curiohaus ein, und gut 50 Kolleg*innen waren kamen. Kenntnisreich und souverän moderiert wurde die Veranstaltung von Anna Heudorfer, unserer Sprecherin der Fachgruppe Hochschule und Forschung, und Angelika Gericke von ver.di. Gekommen waren Dr. Sven Tode (SPD), René Gögge (Grüne), Martin Dolzer (Linke) und Daniel Oetzel (FDP). Carsten Ovens von der CDU war leider verhindert. Einen Ersatz hat seine Partei nicht finden können. Das Publikum bestand überwiegend aus jüngeren, prekär beschäftigten Wissenschaftler*innen, die auch Dank der Bewerbung durch die „Mittelbau Initiative Hamburg“ teilnahmen. Diskutiert wurde zu den aktuell heißen Themen, aber auch zu den Ansprüchen, die die Anwesenden an eine Hochschule stellen. Schwerpunkte waren daher die Beschäftigungsbedingungen und die Hochschulfinanzierung, aber auch die Steuerung der Hochschulen, ihre innere Verfasstheit sowie die Rolle der Hochschulen in der Gesellschaft.
Beschäftigungsbedingungen – „Auch Paktmittel-Dauerstellen sind möglich!“
Ein besonders heißes Thema aktuell ist die Umsetzung der drei Bund-Länder-Programme, vor allem aber des sogenannten „Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken“, der die Weiterfinanzierung der in den vergangenen Jahren mit Hilfe der sogenannten Hochschulpaktmittel zusätzlich geschaffenen Studienplätze sichern soll. Im Vertrag haben Bund und Länder eine Verpflichtungserklärung der einzelnen Bundesländer vereinbart, die bjs Anfang 2020 erstellt werden soll. Die Länder sind also aktuell in der Pflicht, die Kriterien für die Vergabe der Mittel genauer auszugestalten und haben somit auch die Möglichkeit, eine Quote für unbefristete Beschäftigungsverhältnisse in den Kriterienkatalog aufzunehmen. Das ist eine wichtige Neuerung, denn bisher führte die zeitliche Begrenzung der Finanzierung auch zu befristeten Arbeitsverträgen. Nun soll es endlich möglich werden, mit diesen Mitteln auch unbefristete Verträge zu ermöglichen, weil die Gelder grundsätzlich unbefristet zugesagt werden. Das ist ein wichtiger Erfolg, für den die GEW sich auf Landes- und Bundesebene stark gemacht hat. Konterkariert wird dieser Anspruch des Zukunftsvertrags allerdings dadurch, dass die Mittel primär nach Kriterien wie Studierendenzahlen in der Regelstudienzeit (plus zwei Semester) und Absolvent*innenzahlen vergeben werden sollen. Die Länder haben aber zusätzliche Ausgestaltungsmöglichkeiten und die GEW erwartet von Behörde und Bürgerschaft, dass diese im Interesse der Beschäftigten genutzt werden. Von den Regierungsparteien wurde daher von Seite der Anwesenden eine klare Ansage erwartet, dass Hamburg bessere Beschäftigungsbedingungen – unbefristete Stellen, Verbesserung der Betreuungsrelation – als Kriterien festlegt, doch kam es hier zu keinen konkreten Ankündigungen jenseits der Beteuerung, dass man sich dafür einsetzen wolle. Zum Stand der Verhandlungen durch die Grüne Staatsrätin bekannte der Grünenvertreter, dass er als Abgeordneter nicht in diesem Umfang mit den Akten vertraut sei. Der Linkenvertreter forderte eine Lösung vom Ideologem der sogenannten Schwarzen Null, was der FDP-Vertreter seinerseits rundheraus ablehnte.
Ein weiteres Thema waren die höchst prekären Beschäftigungsverhältnisse insbesondere des akademischen Mittelbaus, denn trotz einiger Verbesserungen im Rahmen des Code of Conduct, die fast alle bereits in der vorangegangenen Legislatur erreicht worden waren, dominieren noch immer prekäre Stellen, wenn überhaupt auf Stellen und nicht auf Stipendien, Lehraufträgen oder „selbstfinanziert“ gelehrt und geforscht wird, und das im Gegensatz zum Leitbild „Stadt der Guten Arbeit“.
Sven Tode wies zu Recht auf die Errungenschaften hin, die der Code und damit verbundene gesetzliche Änderungen erbracht haben, so ein fester Zeitanteil für die eigene Qualifizierung auf Promotionsstellen und eine Mindestebeschäftigungsdauer von drei Jahren, damit die Qualifizierung auf diesen Stellen auch realistisch möglich ist. In Bezug auf den Zeitanteil für die eigene Qualifizierung wurde jedoch von den Anwesenden moniert, dass eine solche Regelung zwar gut sei, jedoch für die Betroffen sehr schwer einzufordern ist. Auch Mehrarbeit ist ein Problem, denn üblicherweise werde auch bei halben Stellen weit mehr gearbeitet, also unbezahlte Mehrarbeit geleistet, weil es „erwartet“ würde und in den stark personalisierten Betreuungsverhältnissen zwischen Prof und Promovend*in anderes nur schwer durchsetzbar sei. Der Hinweis von Herrn Tode, man könne ja auch über Klagen Verbesserungen erreichen, wurde gekontert mit konkreten persönlichen Erfahrungsberichten über die hohe Abhängigkeit des sich qualifizierenden Nachwuchses von dem oder der jeweils vorgesetzten Professor*in. Befristung und Beurteilung der Qualifikationsarbeit kann unter den gegebenen Verhältnissen somit auch als Disziplinierungsinstrument genutzt werden, den Beschäftigten das Einfordern ihrer garantierten Rechte sehr schwer zu machen.
Von den Vertretern der Regierungsparteien wurde als weitere Errungenschaft des Code of Conduct die Erhöhung der Sätze der Lehrbeauftragten angeführt. Hier wurde jedoch schnell von den Anwesenden klargestellt, dass lediglich der Korridor leicht erhöht wurde und es von den jeweiligen Einheiten abhänge, ob wirklich mehr bezahlt würde. Wildwuchs statt gleichem Lohn bzw. Honorar, das stellt keine Verbesserung dar.
Sven Tode vertrat die Ansicht, dass auch der rechtliche Rahmen gestärkt werden müsse – eine Ansicht, der René Gögge entgegentrat, der jede Art von Weisungsbefugnis der Behörde gegenüber den Hochschulen ablehnte und lieber über Ziel-Indikatoren Anreize schaffen möchte. Immerhin kündigte Sven Tode an, dass er in solchen Verhandlungen bemüht wäre, auch Beschäftigungsbedingungen in die Vereinbarungen hineinzuverhandeln, während die Grünen stärker auf die Autonomie der Hochschulen auch in diesen Fragen setzen.
Hochschulfinanzierung – „Unterfinanzierung beheben für bessere Beschäftigungsbedingungen!“
Die miesen Beschäftigungsbedingungen sind auch eine Folge der dramatischen Unterfinanzierung der Hochschulen. Angesichts faktischer Kürzungen des Etats über die letzten Jahre, dessen jährlicher Aufwuchs von 0,88 % deutlich unterhalb der allgemeinen Kosten- und Tarifsteigerungen lag, sei ein deutlicher Aufwuchs dringend nötig, so die einhellige Meinung im Publikum.
Wenig überraschend haben die Vertreter der Regierung zwar den Wunsch nach mehr Grundmitteln geteilt, jedoch darauf verwiesen, dass sie sich hiermit in ihren Parteien nicht durchsetzen könnten. Auch Martin Dolzer forderte eine Erhöhung der Grundmittel, kritisierte die Schuldenbremse als Bildungsbremse und forderte mehr Staatseinnahmen, z.B. durch die (Wieder-)Einführung der Vermögenssteuer, was auch den Hochschulen zu Gute käme. Auch Daniel Oetzel anerkannte einen Mehrbedarf, den er jedoch auch auf Grund der gestiegenen Einnahmen der Stadt Hamburg für möglich erachtete, denn „Hamburg ist reich“. Die 0,88 %-Steigerung sah auch er als viel zu gering an. Zudem kritisierte er, dass sich die Regierungsparteien „viel zu sehr auf Bundesmittel“ verließen und die faktische Schrumpfung zu Lasten der Beschäftigten gehe.
Im Kontext des Fachkräftemangels wurde auch über die Reform des Lehreramtsstudiums gesprochen und moniert, dass hierfür deutlich mehr Geld zur Verfügung gestellt werden müsse, um ausreichend Kapazitäten in der Lehre bereitzustellen. Die Regierungsparteien verwiesen auf bereits in den Haushalt eingestellte Mittel, Daniel Oetzel machte deutlich, dass auch eine Erhöhung der Gehälter – A13 für alle Grund- und Mittelstufenlehrkräfte – hinzugehöre, worauf sich einige der Bürgerschaftsparteien ja im Rahmen des sog. „Schulfriedens“ bereits verständigt hätten. Dies jedoch, so Sven Tode, der auch im Haushaltsausschuss sitzt, sei der nächsten Legislaturperiode vorbehalten. Obwohl die zusätzlichen Lehrkapazitäten für die reformierten Lehramtsstudiengänge und den erhöhten Bedarf an ansprechenden Studienplätzen schon ab dem Wintersemester 2020/21 benötigt werden und für deren Aufbau rasche Entscheidungen nötig wären, sind entsprechende Aufwüchse vertagt auf die Koalitionsvereinbarungen und den Doppelhaushalt, den eine künftige Landesregierung natürlich erst deutlich nach den Wahlen aufstellen wird.
Steuerung der Hochschulen – „Autonomie heißt nicht Autokratie der Leitung!“
Ein weiteres, mehrfach angesprochenes Thema war die strategische Steuerung der Hochschulen sowie deren immer weniger demokratische Verfasstheit. So führte die unter dem CDU/FDP/Schill-Senat vorgenommene „Reform“ von 2003 zu einer massiven Entdemokratisierung und zu einem Kompetenzabbau der Gremien, wie Martin Dolzer eindringlich beschrieb. Sven Tode verwies auf die
Novelle der damals SPD-geführten Wissenschaftsbehörde 2013, die leicht nachsteuerte in Bereichen, wo es zu Chaos kam, und auf die damals geschaffene Möglichkeit der Senate, Präsident*innen abwählen zu können. Dennoch konnte niemand der Podiumsteilnehmenden eine zunehmende Entdemokratisierung und Entpolitisierung der Hochschulen leugnen. Und trotzdem wusste René Gögge davon zu berichten, dass die Präsidien aktuell „unter den zu starken Senaten litten“. Hier zeigt sich erneut, dass die Autonomie der Hochschulen aus Sicht der Grünen eine Autokratie der Leitungen bedeutet – ein ideologisches Konzept, dass die Hochschule als Gesamtheit ihrer Mitglieder völlig aus dem Blick verliert. Kritisiert wurde von den Anwesenden insbesondere, dass viele Gruppen der Hochschule, wie Promotions-Stipendiat*innen, Promovierende ohne Stelle oder auch Lehrbeauftragte, bei der Mitbestimmung keine adäquate Vertretung hätten.
Interessant war die Frage nach einer tariflichen Regelung für die studentische Hilfskräfte (SHK), also entweder nach der Einführung eines studentischen Tarifvertrages oder die Übernahme dieser Beschäftigungsverhältnisse in den Tarifvertrag der Länder, TV-L. René Gögge wehrte dies ab mit dem Hinweis darauf, dass solches doch die Kanzler*innen mit den Personalvertretungen aushandeln könnten. Gewerkschaftliches Denken sieht anders aus.
Rolle der Hochschule in der Gesellschaft – „Forschung und Lehre in gesellschaftlicher Verantwortung!“
Von mehreren Anwesenden wurde ein konkreter Anspruch formuliert, wie eine Hochschule in einer demokratischen Gesellschaft ausgestaltet werden müsse: Als demokratische Institution in gesellschaftlicher Verantwortung, wie es auch in den 1970er Jahren im Kontext der Studierendenproteste eingefordert und in Teilen auch umgesetzt wurde. Neben der Anforderung an eine demokratische Verfasstheit der Hochschule geht es dabei auch um die gesellschaftliche Relevanz von Forschung und Lehre. Cui bono, für wen ist die Hochschule da? Wofür wird geforscht? Welche Forschungsschwerpunkte werden gesetzt? Was wird gelehrt? Welche Inhalte werden vermittelt? Martin Dolzer verwies in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Friedensforschung und Zivilklauseln, René Gögge darauf, dass doch z.B. beim Thema Klima Forschungsschwerpunkte gesetzt worden seien. Daniel Oetzel kritisierte eine Entpolitisierung der Hochschulen, was sich z.B. aktuell darin zeige, dass seinem Bundesvorsitzenden ein Auftritt an der Uni Hamburg untersagt worden sei.
Fazit: Ein „Weiter so“ darf es nicht geben
Die Anwesenden, das wurde auch den Parteivertretern deutlich, wünschen sich gute Beschäftigungsbedingungen in einer ausfinanzierten, demokratischen Hochschule in gesellschaftlicher Verantwortung. Eine starke Interessenvertretung und ein gesellschaftlicher Anspruch gehören dazu. Wer den Parteienvertretern zugehört hat, wird wissen, wo er bei der Bürgerschaftswahl seine Kreuze macht.
Fredrik Dehnerdt, stellvertretender Vorsitzender GEW Hamburg, Marc Hinzelin, Sprecher der Fachgruppe Hochschule und Forschung
Weiterführende Literatur
Eine Bilanz von fünf Jahren grüne Wissenschaftspolitik unter dem Titel „Prekäre Exzellenz“ findet sich unter https://www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/prekaere-exzellenz
Zum Zusammenhang von Hochschulfinanzierung, Kettenbefristungs- und Lehrbeauftragten-Unwesen siehe den Artikel „"Warum entfristen, wenn’s auch prekär geht?“, www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/warum-entfristen-wenns-auch-prekaer-geht
Zu der Hochschulgesetz-Novelle von 2003 finden sich Infos u.a. im Artikel „Undemokratisch bis zur Verfassungswidrigkeit – Das Hamburgische Hochschulgesetz ist dringend reformbedürftig“, www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/undemokratisch-bis-zur-verfassungswidrigkeit
Unsere DGB-Stellungnahme zur HmbHG-Novelle 2013 findet sich unter www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/dgb-stellungnahme-zur-hmbhg- novelle-liegt-vor
Foto: GEW Hamburg