Die GEW unterstützt den Offenen Brief der GEW-Betriebsgruppe des Gymnasium Altona zur Hamburger Lehrerarbeitszeitverordnung:
Sehr geehrter Herr Rabe,
die Betriebsgruppe der GEW des Gymnasiums Altona und weitere Kolleg*innen erklären sich solidarisch mit dem offenen Brief der Gretel Bergmann Schule vom 9.12.2020 und anderen Schulen und deren Kritik an der Hamburger Lehrerarbeitszeitverordnung, wie den ständig wachsenden Anforderungen an unseren Beruf, die unter den besonderen Pandemiebedingungen noch erheblich zugenommen haben.
Wir meinen auch, dass das Hamburger Arbeitszeitmodell unsere tatsächliche Arbeitsleistung schon vor der Pandemie nicht abgebildet hat. Zusätzlich kamen dieses Schuljahr noch weitere Anforderungen und Unsicherheiten durch die Lernbedingungen unter Corona hinzu. Immer mehr entsteht bei uns der Eindruck, dass Gesundheitsfürsorge und pädagogische Zielsetzungen einem oberflächlichen Leistungsgedanken untergeordnet werden.
- Wir haben eine extrem hohe zusätzliche Arbeitsbelastung durch Unterricht unter Pandemiebedingungen, insbesondere durch eine teilweise Verdopplung der aufgewendeten Vor- und Nachbereitungszeit im Hybridunterricht.
- Zusätzlich entsteht großer Aufwand durch notwendige pädagogische Unterstützung, insbesondere durch individuelle Beratung z.B. in Telefonaten.
- Die schriftliche Kommunikation hat sich vervielfacht.
- Die erweiterte Einarbeitung in digitale Medien für den (Fern-)Unterricht erfordert Zeit.
- Trotzdem wurde dieses Schuljahr weiterhin an Leistungstests, wie z.B. mündliche Überprüfungen in Jahrgang 10 oder Klassenarbeiten in der Sek I in Nebenfächern festgehalten. Auch die Erfüllung der sowieso schon umfangreichen Curricula am Gymnasium soll gewährleistet werden.
Während der Pandemie war der Gesundheitsschutz zudem für uns ungenügend. Die Gefahr der Ansteckung in Schulen wurde heruntergespielt und Lehrkräfte wurden zum Präsenzunterricht (auch in vollbesetzten Klassen ohne Möglichkeit, Abstand einzuhalten) verpflichtet.
Die Möglichkeit, Impftermine zu buchen, kam in Hamburg im Vergleich zu anderen Bundesländern für uns sehr spät und bereits durch den Patientenservice vergebene Termine mussten unter Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen abgesagt werden.
Masken durften laut Behörde während Präsenzklausuren abgenommen werden, wobei Kolleg*innen in diesen Fällen um ihre eigene Gesundheit fürchten oder striktere Regeln individuell durchsetzen mussten. Dazu kamen Unsicherheiten über den Standard der Masken, die uns zur Verfügung gestellt wurden, weil sie nicht zweifelsfrei FFP2 Qualität besaßen.
Wir fordern deswegen zeitnah:
- ausreichenden Gesundheitsschutz
- Angebote zur Entlastung
- faire Arbeitszeitbemessung
- Einstellung von mehr Schulpersonal
Zudem brauchen wir in der jetzigen Zeit eine Kürzung der Bildungspläne, damit wir uns vermehrt um den Kontakt mit den Schüler*innen kümmern können.
Weitergehend fordern wir Lehrergesundheit und Arbeitsschutz langfristig zu priorisieren, das Arbeitszeitmodell auszusetzen und stattdessen eine angemessene Leistungsbeschreibung mit den Gewerkschaften und Lehrerverbänden zu erarbeiten.
Konsequenzen
Da die Arbeitsbedingungen krank machen, schließen wir uns dem Schreiben u.a. der Gretel Bergmann-Schule darin an, Konsequenzen zu ergreifen, wenn uns nicht Angebote zur Entlastung gemacht werden.
Zur Diskussion stehen:
- Dienst nach Vorschrift und Einschränkung auch von notwendigen Tätigkeiten so, wie es von der Schulbehörde in der Hamburger Lehrerarbeitszeitverordnung bemessen ist.
- remonstrieren, siehe: https://www.news4teachers.de/2021/04/wir-remonstrieren-wie-lehrer-gegenueber-der-schulaufsicht-begruenden-warum-sie-ihren-dienst-derzeit-fuer-rechtswidrig-halten/
- Dienstanweisungen einfordern, z.B. dazu, wie unser Unterricht zu planen ist und welche Standards bei ungenügender Arbeitszeitbemessung eingehalten werden sollen.
Wollen Sie, Herr Rabe, anderenfalls tatsächlich die Verantwortung dafür übernehmen, wie die Qualität von Schule aussieht, wenn Lehrkräfte in der dienstlich vorgegebenen Zeit ihre Arbeit verrichten? Es könnten z.B. keine Klausuren zuende korrigiert werden, die Unterrichtsstunden würden nicht angemessen vorbereitet werden, die Dokumentation von Schüler*innen-Leistungen würde unter den Tisch fallen und für die sozial emotionale Betreuung bliebe keine Zeit mehr.
Das Problem der Überlastung war bereits vor der Pandemie erheblich, ist durch diese verstärkt worden und wird auch danach nicht einfach verschwinden.
Wir fordern, dass Sie zeitnah in unserem Sinne und damit im Sinne unserer Schüler*innen handeln.
Mit freundlichen Grüßen,
die GEW - Betriebsgruppe und weitere Kolleg*innen des Gymnasium Altona
02.06.2021
Foto: © Uhren by Karl-Heinz_Laube / www.pixelio.de