Coronavirus: Fragen und Antworten für Beschäftigte in der Weiterbildung

17. März 2020Von: WebredaktionThema: Erwachsenenbildung

Das Coronavirus breitet sich weiter aus. Flächendeckend wurden bereits Kitas und Schulen in Deutschland geschlossen. Die GEW Hamburg informiert und gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen - hier für Beschäftigte für Beschäftigte in der Weiterbildung

Bitte beachtet:  Derzeit erreicht uns schon eine Fülle von Fragen zu Corona. Wir werden es möglicherweise nicht schaffen, diese Fragen alle sofort und individuell zu beantworten. Daher werden wir die Fragen bündeln, hier veröffentlichen, und alle paar Tage einen aktuellen Newsletter heraus geben, in dem wir einerseits wichtige staatliche Informationen zu den Bildungsbereichen veröffentlichen und andererseits diese als GEW kommentieren und zu Fragen Stellung nehmen.

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Frage: Habe ich Anspruch auf Honorar in meinem BAMF Kurs, wenn die VHS geschlossen wird?
Antwort:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF hat am 12.3.20 informiert:
Im Falle einer behördlichen Anordnung (z. B. Quarantäne von Projektmitarbeitenden, Schließung von Räumlichkeiten), die eine reguläre Durchführung einzelner Maßnahmen im Projekt oder die vollständige Projektdurchführung verhindern, sind bewilligte Fixkosten weiterhin über die Zuwendung gedeckt. Hierunter fallen insbesondere Gehälter für festangestellte Mitarbeitende, vertraglich bereits gebundene Honorarkräfte und Mieten.
 

Frage: Mir persönlich wurde vom Gesundheitsamt der Unterricht verboten. Was tun?
Antwort:
Das ist möglich, wenn man als infiziert diagnostiziert wurde (der Arzt muss das dann dem Gesundheitsamt melden) oder aufgrund nahen Kontaktes. Es muss aber eine Entscheidung des Gesundheitsamtes vorliegen, die sich konkret auf den Betroffenen bezieht – eine Schließung der jeweiligen Bildungsstätte reicht nicht. Und es reicht auch nicht aus, aus eigenem Verantwortungsbewusstsein nicht zu arbeiten, weil man „Kontaktperson“ war. Es muss ein Verbot der Behörde vorliegen. Im Zweifel meldet man von sich aus dem Gesundheitsamt, warum   man   sich   für   einen   „Verdachtsfall“   hält,   und   verlangt   bei   einem   Tätigkeitsverbot  einen schriftlichen Bescheid. In diesem Fall hat man gem. § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gegenüber der FHH einen Anspruch auf Ersatz für den Verdienstausfall. Es gibt dabei aber Einschränkungen: Wer gleichzeitig selbst vom Arzt als arbeitsunfähig krankgeschrieben wurde, hat vorrangig Anspruch auf Krankengeld. Denkbar ist auch der Verweis auf eine Ersatztätigkeit, wenn man noch arbeitsfähig ist – die Dozentin für Spanisch könnte vielleicht auch zuhause am PC als Übersetzerin arbeiten, wenn sie laut Gesundheitsamt zwar nicht krank ist, aber persönliche Kontakte vermeiden muss. Außerdem besteht der Anspruch nur für 6 Wochen in voller Höhe, danach erfolgt die Berechnung wie beim Krankengeld.

 

Frage: Ich bin selbst erkrankt und ein Arzt / Ärztin hat das mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestätigt – egal ob an COVID-19 oder aus anderen Gründen – was tun?
Antwort:
                             
Dann gilt wie auch sonst bei Selbständigen: Ein gesetzlicher Anspruch auf Honorarzahlung gegen den Auftraggeber besteht nicht. Nur sehr selten gibt es einen vertraglichen Anspruch. Wer gesetzlich krankenversichert ist und einen Tarif mit Krankengeld gewählt hat (Selbständige eher selten), beantragt Krankengeld bei seiner Krankenkasse. Die Tarife der Krankenkassen sehen dazu aber meist vor, dass es erst nach 6 Wochen Krankengeld gibt, manchmal auch schon früher. Wer den ermäßigten Beitrag ohne Krankengeld gewählt hat, bekommt nichts. Familienversicherte bekommen kein Krankengeld. Bei einer privaten Krankenversicherung kommt es auf den gewählten Tarif an.

 

Frage: Die Kurse entfallen, obwohl ich einen Vertrag habe – habe ich Anspruch auf Zahlung?
Antwort:
Da die Vertragsgestaltungen sehr unterschiedlich sind, kann man hierzu keine allgemeinen Aussagen treffen. Mitglieder können sich gerne an die GEW-Rechtsberatung wenden. Im Allgemeinen dürften aber leider keine Ansprüche bestehen.

Die GEW hat am 18.3.20 in einer Pressemitteilung mitgeteilt:   

„Das Infektionsschutzgesetz entschädigt Selbständige nur für Einkommensverluste, wenn für sie persönlich eine Quarantäne oder Isolation angeordnet wurde, nicht aber für den Fall, dass sie ihr Einkommen durch eine Schließung aufgrund einer Pandemie verlieren. Lohnfortzahlung oder Kurzarbeitergeld gibt es für Selbständige ebenfalls nicht. 
Wegen der sowieso schon extrem geringen Honorare – nahe der Armutsgrenze – war niemand aus dem Bereich der staatlich finanzierten Sprach- und Integrationskurse in der Lage, Rücklagen für Krisenfälle zu bilden, die den Ausfall der Honorare auf unbestimmte Zeit kompensieren könnten.
Dieser Beschäftigtenkreis wird arbeitsrechtlich als arbeitnehmerähnlich bezeichnet und daher als „sozial schutzbedürftig“ (Tarifvertragsgesetz § 12 a und Bundesurlaubsgesetz) bewertet. Für den aktuellen Fall von Betriebsschließungen gibt es für ihn jedoch (noch) keine Regelung. Der überwiegende Teil dieser Kolleg*innen unterrichtet in den Deutsch-als-Fremdsprache-Kursen und in den Integrationskursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge/BAMF und nimmt dort eine für die Stadt Hamburg wichtige Aufgabe zur Integration von Migrant*innen sowie für Geflüchtete wahr.
Die Hamburger Universitäten und Hochschulen zahlen die Lehrauftragshonorare für den Zeitraum der Schließung dieser Einrichtungen weiter.    
Hierzu führte die Vorsitzende der GEW Hamburg, Anja Bensinger-Stolze aus:
„Diese Ungleichbehandlung der Lehrkräfte an der VHS ist nicht nachvollziehbar und sollte sofort beendet werden. Darüber hinaus müssen auch die freien Träger in die Lage versetzt werden, die Honorare an ihre Lehrkräfte weiterzuzahlen. Wir wünschen uns, dass der Hamburger Senat für den Bereich der VHS entsprechende Entscheidungen trifft und seinen Einfluss in Berlin dazu nutzt, die Existenz der Lehrkräfte zu sichern.“              
„Es kann nicht sein,“ so Bensinger-Stolze, „dass Milliarden für die Großkonzerne in Aussicht gestellt werden und die schwächsten Glieder in der Kette, die Lehrkräfte in der Weiterbildung, auf der Strecke bleiben. Sie wissen nicht, wie sie ihre Wohnungen und ihren Lebensunterhalt weiter finanzieren sollen.“
Die GEW befürchtet, dass sich, wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird, viele Lehrkräfte von dieser Branche abwenden, und nach dem Ende der Coronakrise kaum noch Kurse angeboten werden können – aus Mangel an Personal.“

               
Frage: Ich bekomme keinen neuen Vertrag mehr – was kann ich tun?
Antwort:
Selbstständige haben idR. keinen Anspruch auf Folgeverträge. Eine Ausnahme könnte bestehen, wenn der Folgevertrag bereits rechtsverbindlich (und beweisbar) zugesagt wurde.

 

Frage: Ist Online-Unterricht eine Alternative?
Antwort:

Viele Träger arbeiten daran. Auch für  BAMF finanzierte Kurse ist das möglich. Viele „social media“ Kanäle dürften auch kaum den geltenden Datenschutzanforderungen entsprechen. Wenn es aber möglich und angeboten wird, wäre das ein denkbarer Weg um den Vertrag zu erfüllen. Die Bildungsanbieter sind aber nicht verpflichtet, derartige Modelle anzubieten, und die Lehrkräfte sind nicht verpflichtet, solche Angebote anzunehmen.

 

Frage: Ich kann nicht mehr unterrichten, weil ich meine Kinder betreuen muss, da die Schule oder KiTa geschlossen ist.
Antwort:

Ein Honoraranspruch könnte hier nur bestehen, wenn man trotz Kinderbetreuung noch arbeiten könnte, etwa bei online-Unterricht.

 

Frage: Welche staatlichen Hilfen gibt es für Unternehmen (also auch für Freiberufler*innen)
Antwort:

Das ist gerade ein großes Thema: Wie kann und muss der Staat Unternehmen helfen, denen die Aufträge wegbrechen? Und dazu gehören eben nicht nur Hotels, Gaststätten oder Konzertveranstalter. Sondern auch freiberufliche Lehrkräfte, deren Kunden die Bildungsträger sind. Sowohl die Bundesregierung als auch die FHH kündigen Hilfsprogramme an. Aber: Soweit bisher ersichtlich, geht es hierbei nicht um einen Ersatz des Einkommens, sondern um erleichterte Kredite oder Staatsbürgschaften dafür. Also um Schulden. Das ist kein Einkommensersatz wie das Kurzarbeitergeld. Davon raten wir eher ab. Es mag sinnvoll sein für den Handwerker, der seine Beschäftigten bezahlen und seine Kredite bedienen muss und dessen Miete für die Werkstatt weiterläuft. Bei den Lehrkräften geht es aber eher um den eigenen Lebensunterhalt. Sie brauchen Einnahmen und keine Kredite. Wer dennoch an solche Bankleistungen für Unternehmen denkt,   findet   dazu   Informationen   auf   den   Seiten   des   Bundesministeriums für Wirtschaft. Besser als Kredite dürften unserer Ansicht nach aber Sozialleistungen sein. Dazu unten.

 

Frage: Gibt es Hilfen für laufende Ausgaben: Steuern, Sozialversicherung?
Antwort:

Selbständige zahlen monatlich mehrere hundert Euro für die Kranken- und Rentenversicherung und vierteljährlich Steuervorauszahlungen. Wenn das Einkommen wegbricht, lässt sich das reduzieren.

Rentenversicherung:  Der   Beitrag   für   selbständige   Lehrkräfte   richtet  sich meist nach dem  letzten vorliegenden Steuerbescheid. Wenn das zu erwartende Einkommen voraussichtlich um mindestens 30 % geringer wird (aber noch über 450 Euro monatlich liegt), kann man bei der DRV eine entsprechende Reduzierung des Beitrages beantragen. Dazu ist die Sachlage zu schildern, als Nachweis dienen ggf. Vertragskündigungen   oder   öffentliche   Bekanntmachungen über  Schließungen. Wer Pauschalbeiträge bezahlt, beantragt die Umstellung auf einkommensgerechte Beiträge. Die Reduzierung gilt ab Beginn des Folgemonats bis zum nächsten Steuerbescheid, sie wird nicht später berichtigt. Die Rentenansprüche für diese Zeit werden natürlich geringer. Fällt das Einkommen unter 450 Euro – was oft der Fall sein wird – entfällt die Versicherungspflicht ganz. Dann teilt man dies der DRV mit (aber später, wenn man wieder etwas verdient, ebenso!).      

Kranken-   und Pflegeversicherung:  (nur gesetzliche KV, bei der privaten KV ist das Einkommen nicht relevant) – auch hier richtet sich bei Selbständigen das Einkommen nach dem letzten Steuerbescheid, aber nur vorläufig. Die im Jahr 2020 gezahlten Beiträge werden also nach Vorlage des Steuerbescheides für 2020 rückwirkend berichtigt (für freiwillig Versicherte gilt aber immer mindestens ein fiktives Einkommen von 1061,67 Euro, was einem Mindestbeitrag von etwa 200 Euro entspricht). Hier ist eine Anpassung an das verringerte Einkommen schon im laufenden Jahr möglich, wenn es um 25 % niedriger wird. Als Nachweis wollen   die   Krankenkassen   einen   geänderten   Bescheid   des   Finanzamtes   über   die   Einkommensteuervorauszahlungen.   Grundlage,   falls   die   Krankenkasse   nicht   mitmachen   will:   „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ des GKV-Spitzenverbandes, § 6 Abs. 3a.
https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/grundprinzipien_1/finanzierung/beitragsbemessung/2018-11-28_Beitragsverfahrensgrundsaetze_Selbstzahler.pdf
Wenn das Einkommen unter 455 Euro sinkt, kann man beim Ehepartner beitragsfrei familienversichert sein, falls diese/r gesetzlich versichert ist. Das sollte man aber vorher mit der Krankenkasse des Ehepartners klären und es sich von dieser schriftlich bestätigen lassen, und dann erst bei der eigenen Krankenkasse kündigen. Aber Vorsicht: der Krankengeldanspruch entfällt dann! Wer Arbeitslosengeld II bezieht (dazu unten) ist darüber auch krankenversichert, die Beiträge trägt das Jobcenter.

Einkommensteuer: die festgesetzten Vorauszahlungen können verringert werden. Dazu verweisen wir auf eine Quelle der hessischen Finanzämter (gilt aber bundesweit): https://service.hessen.de/html/Einkommensteuervorauszahlung-7599.htm
Außerdem wurden die Finanzämter angewiesen, wegen der „Corona-Krise“ Stundungen großzügig zu gewähren. Auch das muss man aber beantragen. Dafür ein Muster der IHK:
https://www.ihk-muenchen.de/ihk/documents/Recht-Steuern/Steuerrecht/Vordruck-Steuererleichterungen_aufgrund_Coronavirus.pdf

 

Frage: Welche Sozialleistungen kann man bekommen?
Antwort:
Kurzarbeitergeld:  Damit   will   die   Bundesregierung   Einkommensausfälle   ausgleichen,   aber   nur   für versicherungspflichtige Arbeitnehmer*innen. Für Selbständige gibt es diese Leistung nicht.

Arbeitslosengeld I: Selbständige können einen Anspruch haben, wenn sie sich freiwillig weiter versichert hatten oder wenn sie aus einer früheren Zeit noch einen Restanspruch haben. Das ist eher selten, wer betroffen ist wird es wissen. Voraussetzung ist, dass man weniger als 15 Stunden (Zeitstunden, nicht Unterrichtseinheiten) wöchentlich arbeitet und sich bei der Agentur für Arbeit meldet. Derzeit reicht auch eine telefonische Meldung.    
https://www.arbeitsagentur.de/corona-virus-aktuelle-informationen
Man ist dann auch krankenversichert.

Arbeitslosengeld II  - der wichtigste Fall! Man muss dafür nicht arbeitslos sein, sondern „hilfebedürftig“. Man muss auch vorher nicht versichert gewesen sein. Die wichtigsten Voraussetzungen sind:

• kein Bezug einer dauerhaften Rente
• nicht gleichzeitig Student/in (dann BAföG)    
• Antrag beim Jobcenter, wirkt zurück auf den Monatsbeginn
• das noch laufende Einkommen wird angerechnet, auch der Familienangehörigen                    
• die Vermögensgrenzen dürfen nicht überschritten sein         

Wichtig ist der Antragszeitpunkt: wenn man noch im März den Antrag stellt, gilt er ab 1. März. Dann zählen aber auch Honorareingänge noch als Einkommen, die im März dem Konto gutgeschrieben werden.

 

Frage: Wo finde ich eine Übersicht möglicher finanzieller Soforthilfen?
Antwort:

Eine Übersicht möglicher finanzieller Soforthilfen findet man auf der Seite der Handelskammer Hamburg unter https://www.hk24.de/produktmarken/startseite-alt/coronavirus/finanzielle-soforthilfen-4737170
Einzelheiten zum Antragsverfahren für kleine Unternehmen und Solo Selbstständige finden sich auf den Seiten der Investitions- und Förderbank in Hamburg, die auch Anträge entgegen nimmt und die Hilfen auszahlt: www.ifbhh.de

 

Frage: Muß ich mich auf Zwangsurlaub oder gar auf unbezahlte Freistellung einlassen, wenn mein Arbeitgeber keine Seminbare mehr durchführt?
Antwort:

Der Arbeitgeber kann keine unbezahlte Freistellung erzwingen. „Zwangsurlaub“ kann nur unter sehr engen Voraussetzungen angeordnet werden (Beteiligung des Betriebsrats so vorhanden, ausreichend lange Ankündigungsfrist), so dass auch das nicht jetzt sofort umgesetzt werden kann. Wir wissen natürlich nicht, ob die Arbeitsgericht angesichts der aktuellen Situation anders entscheiden. Unserer Einschätzung nach könnten sich KollegInnen gegen beides daher erfolgreich wehren.

Das gilt auch, wenn keine Kurzarbeit angeordnet werden kann. Das Risiko, die KollegInnen zu beschäftigen, liegt in der Sphäre des Arbeitgebers. Grundsätzlich bekommen diese ihr Gehalt also weiter. Der Arbeitgeber kann  aber versuchen, über eine Änderungskündigung die Arbeitszeit zu reduzieren oder sogar versuchen, eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. Für beides ist erforderlich, dass der Bedarf an der Arbeitsleistung dauerhaft gesunken bzw. entfallen ist. Bei einer vorübergehenden Krise dürfte das eher nicht der Fall sein, aber die dauerhaften Auswirkungen der Krise können wir natürlich nicht nicht vorhersehen.

- wird fortgeführt -