Tarifeinheit: Einigkeit macht stark

13. November 2014Von: WebredaktionThema: Tarif / Besoldung
Der Gesetzentwurf zur Tarifeinheit liegt vor. Jetzt gilt es, ihn sorgfältig zu prüfen. Klar ist: Einen Eingriff ins Streikrecht lehnen die DGB-Gewerkschaften weiterhin ab.
DGB / Simone M. Neumann

Einigkeit macht stark. Das ist ein Grundprinzip gewerkschaftlicher Organisation, aus den Erfahrungen der Geschichte erwachsen. Doch das Prinzip „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ wird nicht mehr überall angewendet – unter anderem deshalb, weil das Bundesarbeitsgericht seit 2010 in seiner Rechtsprechung den Grundsatz der Tarifeinheit nicht mehr verfolgt.

 

Für den DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann ist die zunehmende Flucht der Arbeitgeber aus der Tarifbindung vor allem Grund für Kollisionen in Betrieben. Durch Tarifflucht und OT-Mitgliedschaften (Ohne Tarifbindung) in Arbeitgeberverbänden oder die Aufspaltung der Betriebe sind die Voraussetzungen für das Prinzip verschlechtert worden. „Die gelebte Tarifautonomie mit einer hohen Tarifbindung hat aber einen extrem hohen Stellenwert“, so Hoffmann. Die Große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag mit Gesetzesplänen reagiert. Daraufhin hat der DGB auf seinem Kongress im Mai nach umfangreichen Diskussionen seine Bedingungen formuliert. Danach lehnen DGB und Gewerkschaften „jegliche Eingriffe in die bestehenden Regelungen ab, die das Streikrecht oder die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie beeinträchtigen“.

 

Seit kurzem liegt ein Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium vor. Demnach sollen konkurrierende Gewerkschaften in einem Betrieb zunächst versuchen, untereinander eine Einigung zu erreichen. Dazu zählt die Tarifgemeinschaft – wie es sie bei der Deutschen Bahn lange gegeben hat. Der DGB-Vorsitzende hat im Tarifkonflikt bei der Bahn AG wiederholt an die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL), Mitglied im Deutschen Beamtenbund, appelliert, wie in der Vergangenheit mit der DGB-Gewerkschaft EVG eine Tarifgemeinschaft zu bilden.

 

Eine andere Möglichkeit für eine Tarifeinheit trotz mehrerer Gewerkschaften in einem Betrieb soll sein, gleiche Tarifverträge abzuschließen oder einen Tarifvertrag der konkurrierenden Gewerkschaft nachzuzeichnen. Wird das Ziel der Tarifeinheit nicht erreicht, schlägt der Gesetzgeber vor, dass der Tarifvertrag Vorrang haben soll, der von der Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb abgeschlossen wurde. Greifen soll das Gesetz nur, wenn es den Tarifvertragsparteien nicht gelingt, „im Wege autonomer Entscheidungen Tarifkollisionen zu verhindern“.

 

Für den Gesetzentwurf müssen nun die betroffenen Verbände bis Mitte November ihre Stellungnahmen erarbeiten. Die bisherigen Positionen sind unterschiedlich. Für den IG BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis ist die Stärkung des Mehrheitsprinzips im Gesetzentwurf „ein gutes Signal“. Das begrüßt auch Detlef Wetzel, Erster Vorsitzender der IG Metall. Die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger warnt, der Gesetzentwurf biete „die Gefahr des Eingriffs in das Streikrecht durch die Hintertür“. Auch für den ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske ist das problematisch. Die EVG lehnt den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung ab. „Es mag Bereiche geben, wo das Gesetz Konflikte befriedet, bei der Eisenbahn wird das nicht der Fall sein“, kritisiert der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner. Er befürchtet einen Häuserkampf in jedem Betrieb, weil Lokführer wie auch Zugbegleiter bei der Deutschen Bahn AG regional unterschiedlichen Betrieben angehören.

 

Erschienen in: einblick 20/2014 vom 10.11.2014
 

Foto: DGB / Simone M. Neumann