Seit Frühjahr 2019 mehrten sich die Anzeichen, dass die Schulbehörde die drei bestehenden Schulen der Erwachsenenbildung (Hansakolleg, Abendschule St. Georg und Abendschule Vor dem Holstentor) fusionieren will: Leitungsstellen wurden nicht nachbesetzt, die betroffenen Schulleitungen wurden aufgefordert, ohne die Schulgemeinschaften ein Konzept zur Zusammenlegung zu erarbeiten.
Nur durch Druck der Schüler*innen der Abendschule Vor dem Holstentor kam die Öffentlichkeit in Kenntnis der Vorgänge. Die Schüler*innen starteten eine Petition zum Erhalt ihrer Schule und erreichten, dass Senator Rabe bei einer Sitzung des Kreisschülerrates (26.11.2019) zusagte, dass es nun einen transparenten Beteiligungsprozess zur Fusionierung gebe mit der offenen Zielsetzung einer „Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung“ und mit der Erarbeitung mehrerer Alternativen.
Am 21. Januar wurde allerdings von der Behörde mitgeteilt, wie dieser neue Prozess der Transparenz und Teilhabe aussehen soll: Insgesamt sechs Kolleg*innen pro Schule sollen an drei AGs teilnehmen (zwei Kolleg*innen je Schule pro AG); diese Mitglieder werden aber von der Behörde angehalten, Teilprodukte, Protokolle sowie Aussagen und Dokumente einzelner Mitglieder nicht an Dritte weiter zu geben oder zu veröffentlichen. Den AGs werden fünf Termine gegeben, um Ergebnisse bis zu den Sommerferien vorzulegen, was ein unmögliches Tempo bedeutet, ist es doch Plan der Behörde, drei zum Teil sehr unterschiedliche Systeme zu vereinigen.
Anja Bensinger-Stolze, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW Hamburg), kommentiert: „Damit wird eine wirkliche Teilhabe massiv eingeschränkt, da es keinen Austauschprozess mit den Kollegien geben kann. Die schon vorher kritisierte Intransparenz ist so wieder hergestellt. Zudem wird von der Behörde dargelegt, dass die Ergebnisse der AGs lediglich Empfehlungen an die Projektleitung seien. Eine wirkliche Teilhabe sieht anders aus! Ebenso sind die den teilnehmenden Kolleg*innen angekündigten Ressourcen (1,4 Wochenarbeitszeitstunden pro Kolleg*in) völlig unzureichend!“
Die Frage des Standortes oder des Raumkonzeptes steht überhaupt nicht auf der Tagesordnung der AGs. Bei den Informationsveranstaltungen an den betreffenden Schulen herrschte eine widersprüchliche Politik der Behörde: Vor dem Holstentor wurde behauptet, dass die Standortfrage völlig offen sei, während in St. Georg verkündet wurde, dass die ehemalige Berufsschule am Holzdamm bereits als gemeinsamer Standort anvisiert sei. Angesichts der Lerngruppenzahl gibt es bei der GEW erhebliche Zweifel, ob dieses Gebäude überhaupt für die drei dann vereinigten Schulen geeignet ist. Eine Machbarkeitsstudie, die angeblich die Eignung des Gebäudes darlegen soll, wurde von der Behörde nicht veröffentlicht oder den Kollegien zugänglich gemacht.
„Wir verlassen uns auf das Wort des Senators“, so Anja Bensinger-Stolze weiter, „dass der Fusionierungsprozess als ein offener Prozess gehandhabt wird, in dem die Bedürfnisse und die Expertise aller Betroffenen ernstgenommen werden. Die angedachte Arbeitsstruktur löst dies bisher nicht ein, da muss die BSB nachbessern!“
Besonders in der Abendschule Vor dem Holstentor gibt es darüber hinaus aus der Schulgemeinschaft grundsätzliche, pädagogische begründete Zweifel, ob ein Fusionsprozess der richtige Weg ist. Hier wird danach gefragt, ob ein Großsystem für die spezielle Schülerschaft richtig ist und die Gefahr gesehen, dass die Attraktivität der Erwachsenenbildung massiv sinkt.
Kolja Schirge, Mitglied des Schulsprecher*innenteams, berichtet: „Unsere Schule ist etwas Besonderes, da hier viele Schüler*innen zusammen gefunden haben, die negative Erfahrungen mit Schule machten, die harte Schicksalsschläge zu verkraften hatten. Das angedachte anonyme Großsystem sehen wir als Risiko, da so die Nähe und Verbindlichkeit nicht mehr gegeben sein wird. Die jetzige Schulgröße und der jetzige Standort sind dafür optimal.“
Gerrit Falius, Abiturient der Abendschule vor dem Holstentor und als Rapper Disarstar bekannt, kommentierte den Prozess: „Wenn die Erwachsenenbildung weiterentwickelt werden soll, dann geht das nur von unten, dann müssen die entscheiden, die dort arbeiten und leben. Wenn das aber nicht wirklich angedacht ist, dann ist fraglich, aus welchem Interesse heraus ein solcher Prozess angestoßen wird.“
„Vielleicht geben letztlich doch nur Spargründe den Ausschlag“, befürchtet Anja Bensinger-Stolze: „Durch eine Fusion können Stellen eingespart werden, gerade im Leitungsbereich. Das ist aber sehr kurzsichtig, denn zum Beispiel das Schulgebäude der Abendschule Vor dem Holstentor ist seit 1876 eine Schule; es wird von morgens bis früh abends sehr ökonomisch von zwei Institutionen genutzt. Die Umwidmung des Gebäudes als Büro – die Justizbehörde soll ja starkes Interesse haben – wäre ein herber Verlust für Stadtteil und unsere Schullandschaft, gerade bei dem bestehenden Gebäudemangel!“
© Foto: Dieter Schütz by pixelio.de
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