In den beruflichen Schulen wurde zu Beginn des Schuljahres von der neuen Ausbildungsordnung berichtet. Diese führt eine Kontingentstundentafel ein, die bei der Allgemeinbildung und insbesondere der politischen Bildung spart, damit die Sprachförderung nicht zusätzlich finanziert werden muss.
Die neue „Verordnung über die Ausbildung an einer Berufsschule“ (AO-BeS) beinhaltet eine Kontingentstundentafel, die die bisherigen Bildungsgangstundentafeln ersetzt. Hierdurch wird der allgemeinbildende Bereich stark eingeschränkt. In einer dreijährigen Ausbildung waren dem Lernbereich II bisher zwischen 440 und 500 Stunden zugeordnet, d. h. den Fächern Sprache und Kommunikation, Wirtschaft und Gesellschaft sowie dem Wahlpflichtbereich, der häufig für Gesundheit und Sport genutzt wurde. Damit stand jedem der Fächer durchschnittlich mindestens eine Stunde/Woche beim Tagesunterricht bzw. drei Stunden/Woche beim Blockunterricht zu. Fachenglisch gehörte in den Lernbereich I.
„In der neuen Kontingentstundentafel wird Fachenglisch nun den sog. Erweiterungsfächern zugeordnet, der Wahlpflichtbereich zur Option erklärt und der Stundenumfang der Erweiterungsfächer bei dreijährigen Ausbildungen einheitlich auf 320 Stunden abgesenkt. Die Erweiterungsfächer entsprechen dem bisherigen Lernbereich II. Gesundheit und Sport kommt in der Kontingentstundentafel nicht mehr vor und wird damit sicherlich an einigen Schulen abgeschafft. Schulbau Hamburg wird sich freuen, es müsste dann weniger Hallen unterhalten“, kommentiert Roland Kasprzak, Mitglied im GEW-Landesvorstand.
An den Schulen wird folgendes Szenario wahrscheinlich: Ein Teil des Gestaltungskontingents wird für die Fachlichkeit verwendet werden, ggf. ein Teil für Gesundheit und Sport und der Rest wird zweigeteilt. Alle Schüler_innen mit Sprachförderbedarf bekommen eine entsprechende Hilfe und alle anderen können (fachliche) Wahlkurse belegen. Wirkliche politische Bildung findet nicht statt.
„Die Gestaltungsmöglichkeiten der Schulen insbesondere für die Sprachförderung auszubauen darf nicht zu Lasten der politischen Bildung gehen. Als Bildungsgewerkschaft fordert die GEW die Rücknahme dieser Entscheidung“, kommentiert Anja Bensinger-Stolze, Vorsitzende der GEW Hamburg.
Hintergrund
Den Erweiterungsfächern werden nun Umfänge zugeordnet. Der Bereich „Wirtschaft und Gesellschaft“ hat dabei bei jeder Ausbildungsdauer den Umfang von 80 Stunden. Bei einer dreijährigen Ausbildung sind das dann 0,667 Stunden/Woche beim Tagesunterricht. Hamburg setzt damit den geringsten Umfang an politischer Bildung in Deutschland fest, obwohl Wirtschaft und Sozialkunde ein Prüfungsfach der Facharbeiter_innen-, Gehilf_innen bzw. Gesell_innenprüfung ist. Zudem lebt politische Bildung von Lernformen und Methoden, die schon in einer Stunde/Woche nicht umzusetzen sind. Außerdem setzt das Fach „Wirtschaft und Gesellschaft“ eine Herausforderung: Die Anforderungen der Abschlussprüfung sind ebenso zu erfüllen wie der Rahmenplan, der andere Akzente setzt.
Eine Entscheidung von Lehrkräften für das bloße Erteilen einer prüfungsbezogenen Staatsbürgerkunde ist da nachvollziehbar. Anderer, wirklicher Politikunterricht wäre demgegenüber aber wichtiger. Diesen wird es unter den Rahmenbedingungen nicht geben, obwohl er dringender wäre als je zuvor.
Die Schulen bekommen mit der Kontingentstundentafel zwar ein Gestaltungskontingent an Stunden zugeordnet, der die Absenkung bei den allgemeinbildenden Fächern ausgleichen könnte. Dieser Bereich – insbesondere die politische Bildung – ist an den Schulen aber traditionell in der Defensive und die Lernortkooperationspartner werden sich kaum für die Ausweitung der politischen Bildung einsetzen. Außerdem soll im Wahlpflichtbereich die additive Sprachförderung stattfinden, und der Wahlpflichtbereich kann nur aus dem Gestaltungskontingent finanziert werden. Ein Teil des Gestaltungskontingents ist also besetzt.
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