In der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern stehen die erfolgreichen Hochschulen der ersten Bewilligungsrunde fest. 19 Projekte an Universitäten aus neun Bundesländern wurden als förderwürdig eingestuft, teilte gestern die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) mit. Mit ihrer Qualitätsoffensive möchten Bund und Länder Reformen in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung unterstützen und zur Aufwertung des Lehramtsstudiums beitragen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßte, dass die Förderung aus dem bereits vor zwei Jahren beschlossene Bund-Länder-Programm endlich aufgenommen werden könne. „Ich gratuliere allen Universitäten, die das Auswahlgremium mit ihren Konzepten für eine innovative Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern überzeugen konnten. Sie haben jetzt die Chance, Impulse für die überfällige Weiterentwicklung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung zu setzen. Inklusion, Zuwanderung, Ganztagsunterricht, digitale Bildung – nicht nur die Anforderungen an die Schulen nehmen zu, auch die Herausforderungen für Lehrkräfte werden immer größer. Ich wünsche mir, dass die geförderten Hochschulen tragfähige Konzepte für eine zukunftsfähige Ausbildung entwickeln, von der nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer von morgen, sondern auch deren Schülerinnen und Schüler profitieren“, sagte der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller.
Zugleich betonte der der GEW-Vize, dass sich die Probleme in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung nicht allein durch die Förderung ausgewählter Projekte an wenigen Universitäten lösen ließen. „Die Impulse der ‚Qualitätsoffensive Lehrerbildung‘ müssen auch in der Breite wirksam werden. Alle Lehramtsstudierenden haben das Recht auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung, alle Schülerinnen und Schüler den Anspruch auf bestmöglichen Unterricht – gute Lehrerinnen und Lehrer für alle!“, betonte Keller. Dem könnte aber der wettbewerbliche Ansatz der Qualitätsoffensive zuwiderlaufen, gab das GEW-Vorstandsmitglied zu bedenken. Mit dem Bund-Länder-Programm würden Hochschulen systematisch dazu ermuntert, sich im Wettbewerb mit anderen Hochschulen als besonders „exzellente“ Lehrerbildungsstandorte zu profilieren. Dies könne am Ende zu Lasten der Vergleichbarkeit und Durchlässigkeit der Studiengänge sowie der Mobilität der Studierenden gehen, warnte Keller. Entscheidend sei daher auf der einen Seite, dass Bund und Länder die gegenseitige Anerkennung von Hochschulen und Studienabschlüssen gesetzlich garantierten. Zum anderen müssten die über die Qualitätsoffensive geförderten Universitäten andere Hochschulen und die Öffentlichkeit an ihren Ergebnissen teilhaben lassen und einen Wissenstransfer in die Praxis organisieren. Weiter müsse die Kluft zwischen der theoretischen Ausbildung an den Universitäten auf der einen Seite und der praktischen Ausbildung in zweiten und dritten Phase der Lehrerinnen- und Lehrerbildung (Referendariat, Fort- und Weiterbildung) auf der anderen Seite überwunden werden.
Die Politik sei aber darüber hinaus gefordert, die Rahmenbedingungen für alle lehrerbildenden Hochschulen spürbar zu verbessern – und zwar nicht nur für fünf oder zehn Jahre, sondern auf Dauer, gab der GEW-Hochschulexperte zu bedenken. „Bund und Länder müssen zum einen deutlich mehr Studienplätze in der Lehrerbildung schaffen – auch um dem sich in einzelnen Bereichen verschärfenden Lehrkräftemangel entgegen zu wirken. Zum zweiten müssen sie alle Hürden beim Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium beseitigen – weder Quote noch Note dürfen dazu führen, dass Lehramtsstudierende mit einer halbfertigen Ausbildung auf die Straße gesetzt werden. Zum dritten kommt es darauf an, die Betreuungsrelation zwischen Lehrenden und Studierenden substanziell zu verbessern“, mahnte Keller. Ungünstige Betreuungsrelationen und schlechte Studienbedingungen seien eine wesentliche Ursache für hohe Abbruchquoten und zu lange Studienzeiten. Bund und Länder müssten jetzt den durch die Lockerung des Kooperationsverbots im Grundgesetz gewonnen Handlungsspielraum tatsächlich nutzen.
Der stellvertretende GEW-Vorsitzende bot schließlich die Expertise seiner Gewerkschaft bei der Umsetzung der Projekte und bei den weiteren Förderentscheidungen im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ an. „Es ist bemerkenswert, dass im Auswahlgremium der Qualitätsoffensive zwar zu Recht Experten aus Bildungswissenschaft, Ministerialbürokratie, Studierendenschaft und Studienseminaren beteiligt sind, aber keine Vertreterinnen und Vertreter der beruflichen Praxis – die Lehrerinnen und Lehrer. Die GEW schlägt daher eine Erweiterung des Gremiums um Vertreterinnen und Vertreter der rund 700.000 Lehrkräfte in Deutschland vor. Diese könnten sehr konkrete Hinweise geben, wo die Weiterentwicklung der Ausbildung ihrer Profession ansetzen müsse,“ war sich Keller sicher.
Weitere Informationen zur Qualitätsoffensive
Offizielle Informationen zur „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ sind auf den Internet-Seiten der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zu finden:
http://www.gwk-bonn.de/themen/vorhaben-an-hochschulen/qualitaetsoffensive-lehrerbildung/
http://www.bmbf.de/de/21697.php
Programmziele, Förderkriterien und Auswahlverfahren der Qualitätsoffensive sind in der Bund-Länder-Vereinbarung vom 12. April 2013 beschrieben:
Die Zusammensetzung des Auswahlgremiums ist hier veröffentlicht:
http://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Papers/AWG-QLB-Zusammensetzung.pdf
Die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ umfasst zwei Förderphasen: 2014 bis 2018 und 2019 bis 2023. Für die die Förderung über den Zeitraum von zehn Jahren stehen insgesamt bis zu 500 Millionen Euro bereit. In der nun abgeschlossenen ersten Bewilligungsrunde kamen 19 Projekte aus neun Bundesländern zum Zuge, davon allein 13 in den drei Ländern Bayern (vier Projekte), Hessen (vier Projekte) und Nordrhein-Westfalen (drei Projekte). Die Frist für die zweite Bewilligungsrunde endet am 12. Juni 2015. Die offizielle GWK-Pressemitteilung mit einer Liste der geförderten Projekte ist hier zu finden:
http://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Pressemitteilungen/pm2015-02.pdf
Die GEW hat bereits 2012 im Rahmen einer Bundestagsanhörung zur damals geplanten „Exzellenzinitiative Lehrerbildung“ Stellung genommen. Die schriftliche Stellungnahme des GEW-Sachverständigen Andreas Keller kann hier nachgelesen werden:
http://www.gew.de/GEW_Exzellente_Lehrerinnen_und_Lehrer_fuer_alle.html
(Pressemitteilung; vollständige Stellungnahme über den Download-Kasten rechts auf der Seite)
GEW-Zukunftsforum Lehrer_innenbildung: Öffentliche Fachtagung am 28. Mai
In ihrem „Zukunftsforum Lehrer_innenbildung“ erarbeitet die GEW derzeit eigene Leitlinien für eine innovative Lehrer_innenbildung (www.zukunftsforum-lehrerbildung.de). Grundlage dafür ist der vom Düsseldorfer Gewerkschaftstag der GEW 2013 verabschiedete „Aktionsplan Lehrer_innenbildung“ (http://www.gew-gewerkschaftstag.de/Binaries/Binary103173/3-8_Beschluss.pdf).
Die nächste öffentliche Fachtagung im Rahmen des GEW-Zukunftsforums findet am 28. Mai 2015 in Erkner (bei Berlin) statt. Sie widmet sich dem Thema „Inklusion und Lehrer_innenbildung“.
Foto: Ausbildung by joujou / pixelio.de