Befristungen, Honorarverhältnisse, Minijobs – auch an Deutschlands Schulen arbeiten zunehmend mehr Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Statusübergreifende Solidarität ist mehr denn je gefragt. Anlass, eine neue Serie zu starten, die sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Formen der Zusammenarbeit unterschiedlicher Professionen in den Blick nimmt. Ein Problemaufriss.
Die „Dreiklassengesellschaft“ ist eine altbekannte Debatte in deutschen Lehrerzimmern: Neben Beamtinnen und Beamten arbeiten Tarifbeschäftigte mit unbefristeten Arbeitsverträgen und befristet Beschäftigte. In den vergangenen Jahren differenzierten sich die Professionen, die an Schulen pädagogisch tätig sind, zunehmend weiter aus. Das gilt auch für die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse. Insbesondere im Kontext von Ganztag und Inklusion sind Erwerbstätige in Minijobs oder mit Honorarverträgen keine Seltenheit. Auch Vertretungslehrkräfte sind teilweise „prekär“ beschäftigt. Solche Jobs sichern in der Regel nicht die Existenz der Beschäftigten, sondern überlassen diese der Perspektivlosigkeit sowie der planerischen und finanziellen Unsicherheit.
Der Trend: In den meisten Bundesländern werden die „nicht-unterrichtlichen“ pädagogischen Aufgaben – Schulsozialarbeit, Nachmittagsbetreuung, Inklusions- oder Einzelfallhilfen, Berufsberatung usw. – teilweise oder ganz von freien Trägern der Jugendhilfe übernommen. Die Schulleitungen haben nicht selten mit drei oder mehr externen Kooperationspartnern zu tun.
Das Problem: Lehrerinnen und Lehrer nehmen die Angestellten freier Träger oft nicht als Teil des Kollegiums wahr. Die Schulpersonalräte, in denen sich viele GEW-Kolleginnen und Kollegen engagieren, sind für die Beschäftigten anderer Arbeitgeber nicht zuständig und haben daher keine Möglichkeiten, sich für diese einzusetzen.
Vorbild Industriegewerkschaften
Die Industriegewerkschaften haben im vergangenen Jahrzehnt viel darüber debattiert, wie mit dem Zerfall der Belegschaft in sogenannte Kern- (mit vollem tariflichen und arbeitsrechtlichen Schutz) und Randbelegschaften (Leiharbeiter, Scheinselbstständige, Subunternehmer) umzugehen sei. Sie haben erkannt, dass früher oder später auch die Arbeitsbedingungen der Kernbelegschaften unter Druck geraten können. Das Ergebnis waren sowohl tarifvertragliche Regelungen als auch politische Initiativen, um den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen zu bekämpfen. Parallel dazu wurde unter den prekär Beschäftigten verstärkt um Beitritt zur und Engagement in der Gewerkschaft geworben.
Das sollte uns für den Bildungsbereich auch gelingen – aus bildungspolitischen Gründen ebenso wie mit Blick auf die Arbeitsbedingungen. Fest steht: Die von der GEW seit langem geforderte professionsübergreifende Zusammenarbeit im Arbeitsfeld Schule wird durch zersplitterte organisatorische Strukturen sehr erschwert. Gleiches gilt hier aber auch für eine gewerkschaftliche Zusammenarbeit unterschiedlich Beschäftigter.
Zudem: Nicht alle Pädagoginnen und Pädagogen, die für freie Träger an Schulen tätig sind, arbeiten „prekär“. Für etliche passt die Beschäftigungsform Minijob auch zu ihrer aktuellen Lebenslage, z. B. Studierender. Manche Jugendhilfeträger haben eigene Haustarifverträge, andere wenden das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes ganz oder teilweise an. Doch schon die Kooperationsbeziehungen zwischen Schul- und Jugendhilfeträger – kurze Laufzeiten der Kooperationsverträge und unzureichende Refinanzierung setzen auch gutwilligen Jugendhilfeträgern vielerorts enge Grenzen. Die Anbieter können die geforderte Dienstleistung zum gezahlten Preis teilweise nur mit Fristverträgen oder durch erheblichen Einsatz von „Minijobbern“ ermöglichen. Darunter leiden die Kontinuität pädagogischer Arbeit sowie der Aufbau verlässlicher Zusammenarbeit und nicht zuletzt die gewerkschaftliche Solidarität zwischen den Professionen.
Wie im föderalen deutschen Bildungswesen nicht anders zu erwarten, gibt es auch in der Frage, wer zu welchen Bedingungen was an Schulen arbeitet, deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern, teilweise sogar von Stadt zu Stadt. Diese transparenter zu machen, Daten und Fakten zu sammeln, birgt Chancen: Wo gibt es gute Beispiele, von denen die Verantwortlichen lernen können? Welche Fehler sind bei Kooperationen zu vermeiden? Auch der Blick auf den eigenen Arbeitsplatz kann aufschlussreich sein: Zu welchen Bedingungen arbeiten die Kolleginnen und Kollegen anderer Professionen an meiner Schule?
Gesa Bruno-Latocha,
Referentin im GEW-Arbeitsbereich Tarif- und Beamtenpolitik