Die Berufliche Bildung muss dringend gestärkt werden - auch über die duale Ausbildung und die Berufsorientierung hinaus. Dafür macht sich die GEW mit Blick auf den heute stattfindenden Bildungskongress „Berufliche Bildung - Analysen, Trends und Perspektiven“ der Kultusministerkonferenz (KMK) stark. „Wir begrüßen, dass sich die KMK nach zwei Jahrzehnten auf die Berufliche Bildung fokussiert“, sagte Ansgar Klinger, im GEW-Vorstand für Berufs- und Weiterbildung verantwortlich, am Mittwoch in Frankfurt am Main. „In allen Fragen der Berufsbildungspolitik muss nachgebessert werden - nicht nur im Feld des ‚dualen Systems‘ und der grundlegenden Berufs- und Studienorientierungen Schulen.“
„Die beruflichen Schulen steuern auf einen massiven Lehrkräftemangel zu“, unterstrich Klinger. „Das Problem ist nicht über Nacht entstanden und wird sich in den nächsten Jahren angesichts der zu erwartenden Pensionierungen und Verrentungen noch einmal verschärfen. Die Länder müssen endlich ihrer Verantwortung gerecht werden, sowohl die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Kolleginnen und Kollegen in den berufsbildenden Schulen als auch die Studienbedingungen für das grundständige Lehramt zu verbessern.“ Nur so werde der Beruf wieder attraktiver und könnten Signale ausgesandt werden, dass es sich lohnt, sich für diese wichtige Aufgabe zu entscheiden. Der GEW-Experte warnte, dass Seiteneinsteigerprogramme nicht die grundständige Ausbildung der Berufsschullehrkräfte aushöhlen dürften. Hier sei auch der Bund gefordert, die Länder in der Ausbildung der Lehrkräfte zu unterstützen.
Klinger sprach sich dafür aus, den Blick in der Beruflichen Bildung nicht auf das „duale System“ zu verengen. „Das ist ein wichtiges Standbein, auch für die Fachkräfte unserer Wirtschaft - wird aber auf lange Sicht an Bedeutung verlieren“, betonte Klinger. „Wer feststellt und bedauert, dass mittlerweile mehr junge Menschen ein Studium als eine berufliche Ausbildung aufnehmen, beachtet zum einen nicht die Signale der Arbeitsmärkte. Andererseits übersieht er die gut 170.000 jungen Menschen, die sich jährlich für eine Ausbildung in den vollzeitschulischen Berufen insbesondere des Erziehungs-, Gesundheits- und Sozialwesens entscheiden.“ Diese verdienten mehr Anerkennung. Der Grund: Das plurale System der Berufsausbildung sei mit eine Ursache für eine vergleichsweise geringe Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland.
Der GEW-Berufsbildungsexperte blickt mit Sorge auf das sogenannte „Übergangssystem“. Dieses sei in den vergangenen Jahren u.a. wegen der beruflichen Situation junger Geflüchteter wieder deutlich gewachsen. Die berufsbildenden Schulen erfüllen bei der Bildung und Qualifizierung der Geflüchteten eine wichtige Aufgabe. „Dafür müssen aber auch die personellen und materiellen Ressourcen wie multiprofessionelle Teams und begleitende Supervision bereit gestellt werden“, hob Klinger hervor. „Zudem brauchen wir sichere Rahmenbedingungen: ein Recht auf den Besuch der berufsbildenden Schule für alle 16- bis 27-Jährigen, ein Recht auf Ausbildung und Nachholen eines Berufsabschlusses, altersgemäße Sprachförderkonzepte, politische Bildung und sozialpädagogische Unterstützung.“
Länder und Kommunen müssten sich zudem ihrer Verantwortung für eine adäquate Ausstattung der berufsbildenden Schulen u.a. auch für IT-Unterstützungspersonal stellen. Sie dürften nicht wegen der aus der Weimarer Reichsverfassung stammenden nach wie vor geltenden Trennung in „äußere“ (Kommunen) und „innere“ (Länder) Schulangelegenheiten ihre jeweiligen Zuständigkeiten bestreiten. „Gerade am Beispiel der so genannten digitalen Bildung wird besonders deutlich, dass die Grenzen zwischen ‚äußeren‘ und ‚inneren‘ Angelegenheiten zunehmend verwässern und verschwinden“, sagte Klinger. Er machte sich für die Lernmittelfreiheit für alle Schülerinnen und Schüler stark.
Foto: i-vista / www.pixelio.de