Nach der Umstellung des Ganztags (Kernzeit 8.00 -15.00 Uhr) und nun 30 Monaten Schule unter Coronabedingungen verschärfen sich die Lern- und Arbeitsbedingungen an Sonderschulen weiter. Die ohnehin durch viele Sparmaßnahmen – wie Lehrerarbeitszeitverordnung (LAZVO), Selbstverwaltete Schule (SVS), der Streichung der Sprachförderung, die unverbindliche Stundentafel, Frequenzen wie vor 30 Jahren (alle anderen Schulformen hatten Senkungen) – mangelhaft ausgestatteten Sonderschulen werden durch das Sparmodell Ganztag weiter belastet. Trotz deutlich veränderter und gewachsener Aufgaben in allen Bereichen gibt und gab es für den Ganztagsbetrieb keine zusätzlichen Ressourcen. Erneut zeigt sich das Dilemma von ständig wachsenden Anforderungen und Verantwortlichkeiten an die Einzelschule und die mangelnde Ausstattung aller Formate (auch Hortbetreuung) sowie der ›Wertschätzung‹ unserer Arbeit durch die Behörde. Die Sonntagsreden der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) von einem »Guten Ganztag« gaukeln etwas vor, was es schon lange nicht mehr gibt! Die Unterfinanzierung der Sonderschulen gefährdet schon lange ihren Auftrag, die Gesundheit ihrer Beschäftigten und die umfassende und nachhaltige Förderung der Schülerinnen und Schüler.
Reagieren wir jetzt richtig darauf: keine schuleigenen Lösungen, die Arbeitsbedingungen verschlechtern!
Die Behörde hat wie bei allen anderen Schulformen keine Erleichterungen im Auge; alles soll soweit wie möglich von den Schulen organisiert und auch unter schwierigsten Bedingungen weiterlaufen. Der Schein von Normalität wird ohne Respekt vor der immensen zusätzlichen Arbeit der Schulen auch jetzt noch weiter aufrechterhalten. Dabei gibt es keine Hinweise der Behörde wie mit der überall anfallenden Mehrarbeit umgegangen werden soll. Der Gesamtpersonalrat weist zu Recht auf die weiter geltenden Regelungen der Arbeitszeitverordnung hin! Durch den Ausfall von Kolleg*innen nimmt die (ohnehin schon vorher vorhandene) Arbeitsverdichtung und Mehrarbeit in allen Schulen dramatisch weiter zu. Die Statistiken der Behörde (7-8 % Ausfall) bilden schon lange nicht mehr den tatsächlichen täglichen Ausfall ab. Es gibt mittlerweile aufgrund des Arbeitsdrucks Überlegungen von Schulen und Beschäftigten, die ihnen zustehende Funktionszeit in weitere Unterrichtsstunden umzuwandeln. Damit gefährden die Beschäftigten ihre Gesundheit noch weiter. Vielleicht gut gemeinte Solidarität wandelt sich dann in zunehmende Selbstausbeutung und erhöht langfristig weiter den ohnehin höchsten Krankenstand aller Schulformen. Die seit Jahren unterfinanzierten Sonderschulen, denen auch noch die ehemaligen Planstellen der Pflegekräfte (Asklepiosrückkehrer*innen) entzogen wurden, benötigen deutlich mehr Unterstützung und Hilfen durch die Behörde. Dazu müssen die Stellen an den Schulen aufgestockt werden im Umfang der zu leistenden Kompensation sowie die Haushaltsmittel für die zusätzlichen materiellen Aufgaben.
Wir fordern:
- Keine Mehrarbeit und Arbeitsverdichtung für die Beschäftigten, keine Unterrichtsstundenerhöhungen und Wegfall von Pausenzeiten und Entlastungen.
- Zusätzliche Stellen und Einstellungen zur Kompensation aufgrund des Ausfalls von Beschäftigten sowie eine Aufstockung der Haushaltsmittel für jede Schule.
In Hinblick auf eine endlich angemessene Anpassung der Sonderschulen an die sich ständig verändernden Aufgaben, eine sehr differenziert zu fördernde Schüler*innenschaft und den verbindlichen Ganztag fordern wir weiterhin mit Nachdruck:
- Eine Senkung der Klassenfrequenzen wie sie in allen anderen Schulformen stattgefunden hat.
- Eine personelle Ausstattung der verbindlich im Ganztag arbeitenden Sonderschulen, die eine Doppelbesetzung (Lehrkraft, Erziehungskraft) auch ermöglicht. An allen Schulen fehlen die Lehrerstunden dafür.
- Eine Gleichbehandlung schwerstbehinderter Schüler bei der individuellen Zuweisung von Lehrerstunden. Die im Vergleich zu allen anderen Schülern deutlich schlechtere Zuweisung ist mit dem Bildungsanspruch gerade auch dieser Schülerschaft schon lange nicht mehr haltbar.
- Stellenzuweisungen an jede Sonderschule für Pflegefachkräfte, die nicht nur in Coronazeiten dringend benötigt werden. In anderen Bundesländern ist dies längst möglich.
- Eine ausreichende Versorgung aller Sonderschulen mit den notwendigen Therapieressourcen, die für immer mehr SchülerInnen von großer Bedeutung sind.
- Ein Angebot qualitativ hochwertiger Fortbildungen für alle Beschäftigtengruppen (inklusive Therapiepersonal!) an den Schulen.
- Wieder Zuweisung der Sprachförderstunden an allen Sonderschulen analog der Stundenzuweisung in allen anderen Schulformen.
In diesem Zusammenhang fordern wir die Kolleg*innen auf, durch Gremienbeschlüsse auf die Notwendigkeit von Verbesserungen hinzuweisen. Die Gefahr aus der konkreten Not heraus weiter Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen aus dem Blick zu verlieren und – wie schon geschehen – zum Beispiel Faktorisierungen von Unterricht selbstständig zu verschlechtern, ist groß und setzt die Spirale der Selbstausbeutung für jede*n Einzelne*n fort. Dies gilt es offensiv zu beraten und zu verhindern! Dafür ist es nun auch notwendig, klare und vernehmbare Aktionsformen zu entwickeln, um unseren Protest deutlicher als bisher zu formulieren und umzusetzen. Auch in diesen Zeiten des veränderten Kontakts und der immensen Arbeitsbelastung unterstützt die Fachgruppe darin alle Schulen und Kolleg*innen. Lasst uns solidarisch, gemeinsam und aktiv für schon lange notwendige Verbesserungen kämpfen!
Sven Quiring und Uli Hoch, Fachgruppe Sonderpädagogik/Inklusion
Foto: Rudolpho Duba / pixelio.de