Der Preis von mehr Ganztagsschulen: Steigende Arbeitsbelastung und prekäre Arbeitsverhältnisse

30. Juli 2013Von: PresseredaktionThema: Schule
GEW zum Schuljahresbeginn

Am Donnerstag beginnt die Schule wieder in Hamburg. Die Schulbehörde hat schon mitgeteilt, dass jetzt etwa 200 Grundschulen Ganztagsschulen sind. Dazu kommen noch viele weiterführende Schulen.

„Was sicherlich bildungspolitisch richtig ist, hat in der Praxis eine erhebliche Kehrseite“, kommentiert Anja Bensinger-Stolze, neue Vorsitzende der GEW Hamburg: „Bezahlt wird diese Entwicklung nämlich durch eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bei den schulischen Beschäftigten!“

Seit Einführung des sogenannten Arbeitszeitmodells werden mit jeder schulischen Reform mehr und mehr Aufgaben den PädagogInnen aufgebürdet – ohne Entlastung. Selbst von den jeweiligen Schulbehörden beauftragte Gutachten stellten dies fest. 

„Aktuell sind viele Lehrkräfte durch die neuen Aufgaben der Inklusion besonders belastet. Diese wird durch die Behörde nicht ausreichend finanziert, notwendige Doppelbesetzung im Unterricht kann häufig nicht realisiert werden. Dazu kommen nun verlängerte Arbeitszeiten, um nach 16 Uhr die nötigen Konferenzen, Elterngespräche usw. durchzuführen“, so Bensinger-Stolze. „Wir fordern den Senat auf, Bildung endlich angemessen zu finanzieren und sich z.B. am OECD Mittelwert zu orientieren. Die Schuldenbremse darf keine Bildungsbremse sein.“

Aufgrund des Ganztagsbetriebs setzt die Behörde immer mehr auf prekäre Beschäftigung: Honorarkräfte, befristete Verträge, Entlassung zu Ferienbeginn usw. Der Vorteil für den Arbeitgeber liegt klar auf der Hand: Er wird die Beschäftigten schnell wieder los, spart in den Ferien viel Geld und zahlt bei Honorarverträgen keinerlei Sozialabgaben.

Für die Menschen, die unter solchen Bedingungen leben und arbeiten müssen, stellt sich die Situation natürlich anders dar. Sie haben keinerlei finanzielle Sicherheit. Sie werden willkürlich eingesetzt, sie mögen sich kaum gegen bestimmte Arbeitsaufträge wehren, aus  Angst, ihren Job zu verlieren. Zum Teil haben die KollegInnen vier und fünf verschiedene Jobs. So geben sie z.B. am Nachmittag Hausaufgabenhilfe, oder sie beaufsichtigen die Kinder beim Mittagessen und in der Mittagspause. Sie werden auch als Pausenaufsichten eingesetzt oder geben Kurse in Basteln, Musizieren, Selbstverteidigung etc...

Beispiel: Eine Stadtteilschule mit ca. 1.300 SchülerInnen beschäftigt ca. 70 sogenannte Honorarkräfte. Der Stundenlohn für 45 Minuten beträgt zurzeit 15,96 €. Hiervon gehen dann allerdings noch Steuern etc. ab. Abgerechnet werden dürfen nur geleistete Stunden, also wird auch kein Geld bei Erkrankung der Honorarkraft gezahlt. Für die Ferien und Feiertage gilt dasselbe.

„Diese zunehmende prekäre Beschäftigung – wir gehen von mehreren Tausend Betroffenen im Hamburger Schulwesen aus, die Behörde kann keine klaren Zahlen liefern – ist für uns gewerkschaftlich völlig inakzeptabel“, sagt Bensinger-Stolze: „Wir werden weiter für eine bessere Finanzierung des Bildungssystems kämpfen und dafür, dass die KollegInnen von ihrer guten Arbeit auch leben können!“