Der ehemalige Schulsenator Rabe hat in seiner Abschiedsrede nicht mit Selbstlob gespart, und seine Nachfolgerin, Senatorin Bekeris, knüpft daran an. Unerwähnt bleibt dabei allerdings die besorgniserregende Tatsache, dass die Quote der armutsgefährdeten Kinder, die gleichzeitig einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, gestiegen ist. Die GEW fordert die neue Senatorin auf, diesen Zusammenhang aktiv aufzugreifen und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der betroffenen Schülerinnen und Schüler zu ergreifen.
„Wir freuen uns über das wachsende Schulsystem, das Frau Bekeris in Kürze im Rahmen einer Landespressekonferenz „Zahlen, Daten und Fakten zur neuen Schuljahresstatistik 2023/24“ vorstellen wird. Allerdings sagt ein quantitativ wachsendes Schulsystem in einer Stadt mit wachsender Armut wenig über die Qualität für Benachteiligte aus!“, so Sven Quiring, Vorsitzender der GEW Hamburg.
Während der Amtszeit von Herrn Rabe hat sich die Schere zwischen Arm und Reich in Hamburg weiter geöffnet, wie die gestiegene Armutsgefährdungsquote zeigt:
Die Armutsgefährdungsquote gibt an, welcher Anteil der Haushalte unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt. Diese ist in Hamburg unter sozialdemokratisch geführten Senaten von 14,7 Prozent im Jahr 2011 auf 17,3 Prozent im Jahr 2021 gestiegen und liegt damit über dem Bundesdurchschnitt von 16,6 Prozent. Die Armutsquote der unter 18-Jährigen steigt von 15,9% im Jahr 2019 auf 16,6% im Jahr 2021. Bundesweit gilt rund ein Fünftel (21%) der unter 18-Jährigen als arm (Broschüre Armutsbericht 2022 des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes).
Gleichzeitig zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Armut und dem Auftreten von Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache und emotionale Entwicklung (LSE):
„35,5 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf leben in Gebieten mit sehr niedrigem oder niedrigem sozialen Status. […] Dieser Anteil erhöht sich noch einmal auf 38,8%, wenn nur die Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten LSE betrachtet werden“ (Bildungsbericht Hamburg 2023, S.160 f.).
Der enge Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und dem Vorliegen eines Sprachförderbedarfs wird im Bericht ausdrücklich hervorgehoben:
„So weisen in der Gruppe aus Wohngebieten mit sehr niedrigem Statusindex 25,9 Prozent der Kinder einen ausgeprägten Sprachförderbedarf auf, in der Gruppe aus Wohngebieten mit hohem Statusindex nur 4,9 Prozent“ (Bildungsbericht Hamburg 2023, S. 166).
Sven Quiring, Vorsitzender der GEW Hamburg, kommentiert: „Der Zusammenhang zwischen Armut und pädagogischem Förderbedarf ist hoch signifikant. Bildungspolitisch wird darauf häufig mit der Individualisierung sozialer Probleme und der Etikettierung von Kindern und Jugendlichen reagiert. Das Ressourcen-Etikettierungs-Dilemma setzt sich fort und führt statt zu inklusiver Bildung zu einer Differenzierung in zielgleichen und zieldifferenten Unterricht. Die Verabsolutierung der Leistungsorientierung durch Ex-Senator Rabe ist exklusiv. Der grundsätzliche Kurs sozialdemokratischer Gesellschafts- und Bildungspolitik muss also nicht geändert, nicht einmal modifiziert, sondern nur gut verkauft werden. Auf die neue Schulsenatorin, Frau Ksenija Bekeris, kommt eine anspruchsvolle Aufgabe zu, denn wir erwarten, dass sie diesen Zusammenhang von Armut und Förderbedarf aufgreift und Maßnahmen ergreift, die die Situation der betroffenen Schülerinnen und Schüler verbessert“.
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