Anfang der 1970er-Jahre wurde in fast allen Bundesländern die kostenlose Schulbuch-Ausleihe für alle Schüler*innen eingeführt. Lernmittelfreiheit bedeutete dabei aber nie Kostenfreiheit: Arbeitsmaterialien wie Schreibhefte, Stifte, Taschenrechner oder Mal-Utensilien müssen ebenso aus der Privatschatulle bezahlt werden wie Beiträge für Fahrtkosten, Kopierkosten, Klassenfahrten, AGs oder Nachhilfe. Auf diese Weise kommen schnell Summen von mehreren hundert Euro jährlich auf die Eltern zu.
In den letzten Jahren kam die Kehrtwende: Wegen angeblich leerer Kassen reduzierten die Länder ihre öffentlichen Schulbuchausgaben immer stärker. Der Trend zur Privatisierung bislang steuerfinanzierter Ausgaben machte auch vor den Bildungseinrichtungen nicht Halt, unter anderem mit dem Effekt, dass die Lernmittelfreiheit eingeschränkt oder gleich ganz abgeschafft wurde.
Hamburg schaffte 2006 die Lernmittelfreiheit ab
In Hamburg geschah dies zum Schuljahresbeginn 2005/2006. Für die Ausleihe der Schulbücher müssen Eltern seitdem Nutzungsgebühren bezahlen, die sich am Wert der Bücher orientieren. Die Nutzungsgebühr beträgt zwischen 30% und 40% des Neupreises, allerdings wurden Höchstgrenzen festgelegt: für Grundschulen maximal 50 Euro, für die Sekundarstufe I 80 Euro und für die Sekundarstufe II 100 Euro pro Jahr und Kind.
Familien mit drei oder mehr Kindern zahlen nur jeweils die Hälfte der Nutzungsgebühr. ALG II- und Sozialgeldbezieher sowie Asylbewerber und weitere Förderberechtigte sind von der Zahlung befreit. Für Kinder, die Vorschulklassen oder Sonderschulen besuchen, werden keine Nutzungsgebühren erhoben.
Als Folge davon klafft die Schere zwischen Reich und Arm, gut und schlecht ausgebildet, mehr und mehr auseinander. „Wir bewegen uns immer weiter auf eine Zweiklassengesellschaft zu, in der der Geldbeutel der Eltern über die Bildungschancen der Kinder entscheidet“, kritisiert Sven Quiring, Vorsitzender der GEW Hamburg.
GEW schlägt Grundausstattung an Schulen vor
„Für viele Eltern sind die notwendigen Anschaffungen für ihre Kinder eine echte Herausforderung. Es geht um die von vielen gefürchteten Listen, die die Lehrkräfte erst mal verteilen. Oft steht da sehr genau drauf, was die Kinder mitbringen müssen - vom Bleistift einer bestimmten Härte bis zu Hausschuhen. Schlimmstenfalls sind dann einige schon beim Start die Außenseiterinnen oder Außenseiter, wenn sie nicht die passende Ausstattung samt Ranzen haben. Das schafft ja schon auch ein Gefühl von einer gewissen Entwertung", so Quiring. Dazu kommt, dass vieles teurer geworden ist, zum Beispiel Papier zuletzt um mehr als 13 Prozent.
Zwar gibt es für Eltern, die Bürgergeld beziehen, Zuschüsse aus dem Bildungs- und Teilhabepaket - aber nur auf Antrag und oft nicht ausreichend. Die GEW fordert eine Prüfung, inwieweit man den Schulen nicht wieder Budgets zur Verfügung stellen kann und schlägt hierfür eine Grundausstattung an den Schulen vor.