Auf dem Kinder- und Jugendhilfegipfel „Tu was, Hamburg!“ am 3. Mai 2024 haben die Teilnehmenden eine Resolution beschlossen, die sich gegen Kürzungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe richtet und weitere Forderungen an den Hamburger Senat und die Bundesregierung adressiert.
Mehr als 200 Personen aus allen Arbeitsfeldern der Jugendhilfe, diverse Vertreter:innen der Sozial- und Fachbehörden sowie Aktive aus Wissenschaft, Gewerkschaften und Politik nahmen am Kinder- und Jugendhilfegipfel „Tu was, Hamburg!“ an der HAW Hamburg teil. Auch bundesweit hat die Tagung Resonanz gefunden. Aufgerufen hatte das Bündnis „Tu was, Hamburg!“, bestehend aus diversen Landesarbeitsgemeinschaften und Verbänden der Kinder- und Jugendhilfe, den Fachabteilungen der Gewerkschaften ver.di und Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Hamburg (GEW), dem Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) und dem Sozialverband SoVD Hamburg sowie Einzelpersonen und Einrichtungen aus der gesamten Jugendhilfe. Auf einem weiteren Gipfel will das Netzwerk einen Forderungskatalog an Politik und Verwaltung vorlegen und diesen an politisch Verantwortliche der Stadt übergeben. „Die Zeit vor der Bürgerschaftswahl soll intensiv für einen Dialog genutzt werden“, erklärt Klaus Wicher, Vorsitzender des SoVD Hamburg. „Wir werden nicht einfach tatenlos zusehen, wie mehr und mehr Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien in Armut abrutschen.“
Das Programm aus Vorträgen und insgesamt acht Workshops lieferte Fakten, Hintergründe und Zusammenhänge, die fachliche Hilfe sein sollen, um die enormen Herausforderungen für Einrichtungen und Institutionen zu meistern und zu einem gemeinsamen Berufsverständnis zu kommen. In der Abschlussrunde brachten die Anwesenden ihre Bereitschaft zum Ausdruck, ein noch breiteres Netzwerk aufzubauen und verabschiedeten mit überwältigender Mehrheit eine Resolution, die Grundlage der weiteren Arbeit sein soll. Protest- und Veranstaltungsformate sollen in den diversen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe entwickelt werden. Alle Ergebnisse und Referate werden in Kürze auf der Seite www.tu-was-hamburg.de/ veröffentlicht.
Der bundesweit anerkannte Jugendhilfeexperte Wolfgang Hammer mahnte in seinem Vortrag an, dass die einstimmig beschlossenen 70 Empfehlungen der Enquete-Kommission nunmehr endlich von Senat schrittweise umgesetzt werden müssen, da die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland geltendes Recht ist. Das Kindeswohl hat Vorrang. Zudem sind Kinder, Jugendliche sowie ihre Eltern an allen Entscheidungen und Planungen zu beteiligen. Das ist zurzeit nicht der Fall.
Dr. Elke Alsago, Leiterin der Bundesfachgruppe Erziehung, Bildung & Soziale Arbeit von ver.di, präsentierte Ergebnisse einer bundesweiten Studie der Gewerkschaft. Darin gab es nicht nur dramatische Befunde der Not der Beschäftigten in der Kinder- und Jugendhilfe, sondern sie verwies auch auf den Zusammenhang von übermäßiger Arbeitsbelastung durch Personalmangel und dem Auftreten von physischer und psychischer Gewalt in Jugendhilfeeinrichtungen, wenn zum Beispiel keine Pausen genommen werden (können).
Moritz Schwerthelm, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg, plädierte dafür, in Kooperation für die bedarfsgerechte Finanzierung der Felder bedingungsloser Selbstorganisation und Bildung und der gesamten Kinder- und Jugendhilfe zu streiten.
Prof. Dr. Christoph Butterwegge (emeritiert), Armutsforscher und bis 2016 Professor an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, betonte in seinen Ausführungen, dass gegenwärtig die schädlichen Folgen von Armut verharmlost und der enorme Reichtum, der sich auf wenige Personen konzentriert, verschleiert wird. Er zeigte die Ursachen für diese Entwicklung auf und machte deutlich, inwiefern sie eine Gefahr für die Demokratie bedeuten und den Aufstieg der AFD begünstigen. Er mahnte eine andere Steuerpolitik an und kritisierte die derzeit geltende „Schuldenbremse“.
„In der Versammlungsstätte der HAW lag am 3. Mai Aufbruchstimmung in der Luft. Es gab bei den Teilnehmenden ganztägig ein breites Interesse und einen stark geäußerten Wunsch nach mehr Kooperation und grundlegender Veränderung in all den Bereichen, die zusammen die Jugendhilfe bilden.“ Elke Wolfram, Fachvorstand Erziehung, Bildung & Soziale Arbeit ver.di Hamburg.
„Die dort Versammelten wollen in einem erweiterten Netzwerk weiterarbeiten und ab Herbst einen Folgegipfel vorbereiten, dann hoffentlich auch unter aktiver Beteiligung von Protagonisten der Sozialbehörde. Diese war mit einer Reihe von Abteilungsleitungen und Projektleitungen vor Ort und der begonnene Dialog muss verstetigt werden.“ Matthias Stein, Landesarbeitsgemeinschaft der Allgemeinen Sozialen Dienste Hamburg (LAG ASD).
„Die beschlossene Resolution richtet sich gleichermaßen an die Bundesregierung, den Hamburger Senat und weitere politisch Verantwortliche sowie die Kolleg:innen in der Jugendhilfe und alle Hamburgerinnen und Hamburger, die zum Engagement für die Umsetzung der Forderungen aufgerufen werden,“ Sabine Lafrentz, Fachgruppe Kinder- und Jugendhilfe, und Florian Muhl, Mitglied Landesvorstand GEW Hamburg.
„Es war ein kraftvoller und motivierender Moment, mit Kolleg*innen gemeinsam die Resolution zu beschließen und damit in einen fachpolitischen Prozess einzusteigen, der eine grundlegende Verbesserung der Kinder- und Jugendhilfe zum Ziel hat.“ Fabienne von Hohenthal, Verband Kinder- und Jugendarbeit Hamburg (VKJHH).
Dafür, die gemeinsamen Interessen auch gemeinsam in die Hand zu nehmen, ist ein Anfang gemacht! Es werden weitere Veranstaltungen und Gipfel folgen.
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