Sozialarbeiter*innen sind Berufsgeheimnisträger*innen. Was ihnen im Rahmen ihrer Arbeit anvertraut wird, darf nicht ohne Weiteres preisgegeben werden. Vor der Strafkammer ist das anders. Hier müssen sie aussagen, wenn sie als Zeugen geladen werden. Das Vertrauen ihrer Klient*innen erfordert aber Vertraulichkeit, sonst ist die Basis der Zusammenarbeit von Anfang an gestört.
„Wir Sozialpädagogen arbeiten ja am Ziel eines legalen Verhaltens. Wenn mir aber ein Jugendlicher erzählt, er sei ohne Fahrschein gefahren, dann habe ich Kenntnis einer Straftat, der Leistungserschleichung. Falls ich als Zeuge geladen werde, muss ich die Wahrheit sagen, das ist absurd und erschwert die Arbeit“, erzählt Mario Schwandt, langjähriger Sozialpädagoge aus Bayern.
Einige Berufsgruppen haben ein Zeugnisverweigerungsrecht, um das Vertrauensverhältnis zu schützen: z.B. Seelsorger, Rechtsanwälte, Hebammen, Journalisten und auch Sozialarbeiter*innen in Drogenberatungsstellen in öffentlicher (nicht freier!) Trägerschaft.
„Unserer Berufsgruppe ist zuzutrauen, selbst zu entscheiden, wann der Kontakt zur Polizei oder Staatsanwaltschaft erforderlich ist und wann wir das sogar müssen. Es ist ein Katalog schwerster Straftaten geregelt, bei denen wir auch anzeigen müssen, wenn wir von der Planung erfahren. Bspw. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Im Alltag geht es aber meist um keine schwersten Straftaten, sondern um den Besitz von Drogen wie Cannabis, Ladendiebstahl, teilweise auch Raub, der schneller begangen ist als viele denken, oder Betrug. Macht ein Klient einen Vertrag, obwohl er pleite ist, begeht er einen Betrug.“
Aktuell sorgt ein Fall aus dem Fanprojekt Karlsruhe bundesweit für Aufsehen. Die GEW berichtete darüber in der E&W Dezember 2023.
Die GEW ist dem bundesweiten Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht beigetreten. Es braucht eine Reform des § 53 StPO durch Aufnahme der Mitarbeiter*innen der Sozialen Arbeit.
Varsenik Vardanyan, Referentin Kinder und Jugendhilfe der GEW Hamburg
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