Demokratie und Gewerkschaftsrechte sind in der Türkei weiter massiv bedroht: Mit unter anderem dieser Erkenntnis sind die hessische GEW-Vorsitzende Birgit Koch und BAMA-Leitungsmitglied Süleyman Ateş vom KESK-Kongress im Juli in Ankara zurückgekehrt.
Vor dem Hintergrund brutaler politischer Repressionen plädiert der türkische Lehrer Lami Özgen für internationale Solidarität. Demokratie und Gewerkschaftsrechte seien in der Türkei weiter bedroht, nach dem Verfassungsreferendum vom April habe sich die Lage noch zugespitzt, sagte Özgen beim KESK-Kongress vom 7. bis 9. Juli in Ankara. KESK ist der Dachverband von Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes in der Türkei, Özgen ist Co-Generalsekretär. Zum Zeitpunkt des Kongresses war bereits eine mehrjährige Haftstrafe gegen ihn verhängt worden, weitere Anklagen drohten. Direkt nach dem Kongress tauchte Özgen unter und flüchtete aus der Türkei.
Das Motto des Kongresses lautete „Mit dem organisierten Kampf werden wir siegen!“ Neben Delegierten der KESK-Mitgliedsgewerkschaften nahmen 34 ausländische Delegationen teil, darunter Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus Brasilien, Südkorea und dem Iran. Für die GEW waren die hessissche Landesvorsitzende Birgit Koch und Süleyman Ateş aus dem BAMA-Leitungsteam in Ankara. Die größte Organisation im KESK ist mit rund 100.000 Mitgliedern die Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen, eine Schwestergewerkschaft der GEW.
Koch und Ates trafen in der türkischen Hauptstadt die Lehrerin Ebru Yiğit, die als Mitglied des Eğitim-Sen-Vorstands und zuständig für Arbeitsrecht und Tarifpolitik massiven Schikanen und polizeilicher Willkür ausgesetzt ist. Yiğits Wohnung wurde durchsucht, als sie sich im Mai 2017 beim Gewerkschaftstag der GEW in Freiburg aufhielt. Nach ihrer Rückkehr wurde sie verhaftet, dann zunächst wieder freigelassen. Inzwischen ist Yiğit offenbar längerfristig inhaftiert.
„Deutschland und die EU zeigen keine klare Haltung.“
„Die jungen Frauen sind die Hoffnung der Gewerkschaftsbewegung“, sagt Ates. Ihm seien während des KESK-Kongresses viele kämpferische Gewerkschafterinnen begegnet, die sich nicht einschüchtern ließen. Zugleich würden offenbar insbesondere gewerkschaftlich engagierte Frauen von der türkischen Regierung schikaniert. Im August 2016 flüchtete die ehemalige Eğitim-Sen-Generalsekretärin Sakine Esen Yılmaz nach Deutschland, sie ist inzwischen als asylberechtigt anerkannt.
„Die politischen Verhältnisse in der Türkei sind bedrückend“, bilanziert Koch. Unter dem Vorwand, den gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 aufzuklären, verstoße der Staat gegen Menschen- und Gewerkschaftsrechte. Die Regierung wolle Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter kriminalisieren, um die Gewerkschaften zu schwächen. Während des Aufenthaltes der beiden GEW-Vertreterinnen wurden auch die türkische Landesdirektorin von Amnesty International, Idil Eser, und der deutsche Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner in Istanbul wegen angeblicher Unterstützung bewaffneter Terrororganisationen verhaftet.
Koch und Ateş kritisieren: „Deutschland und die EU zeigen keine klare Haltung zu den vielfältigen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Die Bundesrepublik muss sich gegenüber der Türkei mit Nachdruck für ein Ende der Repressionen einsetzen und die AKP- Regierung auffordern, die Menschenrechte zu achten.“
Foto: KESK-Kongress