"Gute öffentliche Bildung" lautet das gemeinsame Ziel der in Freiburg zusammengekommenen Bildungsgewerkschafterinnen und -gewerkschafter aus aller Welt. Der Weg dorthin aber scheint ein weiter zu sein.
Unter dem Titel “Nachhaltige Entwicklungsziele: ambitionierte Ziele in schwierigen Zeiten” fand vom 4. bis 6. Mai 2017 in Freiburg vor dem Gewerkschaftstag der GEW in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert Stiftung ein Seminar mit Vertreterinnen und Vertretern befreundeter Gewerkschaften der Bildungsinternationale statt. Unter den 50 Teilnehmenden waren die Vizepräsidenten der Bildungsinternationalen für Lateinamerika, Roberto Franklin Leão von der CNTE aus Brasilien und für Afrika, Magwena Maluleke von der SADTU aus Südafrika, sowie die Direktorin der europäischen Bildungsgewerkschaften, ETUCE , Susan Flocken. Die internationalen Gäste aus 19 Partnerländern vertraten 10 Millionen Mitglieder von Bildungsgewerkschaften, also nicht weniger als ein Drittel der Gesamtmitgliederzahl der Bildungsinternationalen, des weltweit größten Gewerkschaftszusammenschlusses.
Kostenfreie öffentliche Bildung für alle
Unter der Forderung "Free Public Quality Education" lassen sich die sehr unterschiedlichen Referats- und Diskussionsbeiträge am besten zusammenfassen. Die kostenfreie, vom Staat finanzierte Bildung ist weltweit bedroht. Mary Cathryn Ricker, die Vizepräsidentin der amerikanischen AFT, beschrieb den Kampf der Lehrergewerkschaften gegen die Privatisierung in vielen Bereichen des US-Bildungswesens. Dazu gehören vom Staat finanzierte, bei Privatanbietern einzulösende Voucher, die sich auch in Ländern wie in England, Schweden oder auch in Deutschland in Form von Bildungsgutscheinen immer weiter ausbreiten. Dies geht bis zum Bezahlen jedes einzelnen Schultages, wie in den vom britischen, weltweit operierenden Pearson Konzern betriebenen Schulen der Bridge International Academies in Ländern Afrikas.
Bildung ist grundlegend für Demokratie
"Free" heißt aber auch, dass Lehrerinnen und Lehrer ihren Beruf frei ausüben können. Dies wird Tausenden von ihnen durch Massenentlassungen und Gefängnis verwehrt, wie Kamuran Karaca, der Präsident der türkischen Lehrergewerkschaft Egitim Sen, sichtlich bewegt, berichtete. Kamuran kritisierte eine zunehmende Islamisierung der öffentlichen Schulen in der Türkei. So sei es inzwischen verboten, im Religionsunterricht die Evolutionslehre zu behandeln. Die "Qualität" der Bildung wird in Ländern wie Griechenland durch Existenz bedrohenden Gehaltskürzungen, die Lehrkräfte zu Mehrfachjobs zwingen, sowie die Erhöhung von Klassenfrequenzen in den Schulen bedroht. Extrem niedrige Gehälter von Lehrkräften sind in vielen Ländern Lateinamerikas, Afrikas oder Süd- und Osteuropas ebenso ein Problem wie die Rekrutierung von nicht ausgebildetem Personal. Dass Bildung grundlegend für Demokratie ist, zeigen die von Lehrergewerkschaften angeführten Proteste und Demonstrationen gegen undemokratische, korrupte Politikerkasten, von denen Roberto Franklin Leão aus Brasilien und Mamadou Barro, von der Bildungsgewerkschaft F-SYNTER aus Burkina Faso berichteten.
Viele Geflüchtete sind von Bildung ausgeschlossen
Susan Flocken betonte das in der UN und in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Bildung. Wie weit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen auf der Flucht dieses Recht vorenthalten wird, zeigen Zahlen: Weltweit besuchen 90% der Kinder im Primarschulalter eine Schule, aber nur 50% der Geflüchteten, 84% der Jugendlichen besuchen eine Sekundarschule, aber nur 22% der Geflüchteten. Bei den Universitätsbesuchen sind es nur 1% gegenüber 34% weltweit. Viele Kinder können die Schule nicht besuchen, da sie zum Familieneinkommen beitragen müssen. Sie sind von der Bildung ganz ausgeschlossen. "Free Public Quality Education" – gute öffentliche Bildung – darüber waren sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des internationalen Seminars einig, muss gemeinsam verteidigt, ja sogar erkämpft werden.
Foto: Manfred Brinkmann, Internationale Gäste trotzen dem Regen in Freiburg