Nur wenige Änderungen am Regierungsentwurf zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hat der Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung heute mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD beschlossen. Weitergehende Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/DIE GRÜNEN wurden abgelehnt. Der Gesetzentwurf wird nun mit den Ausschussempfehlungen im Plenum des Deutschen Bundestages behandelt, voraussichtlich noch in diesem Jahr.
Zum einen soll es in § 2 Absatz 2 des Gesetzes künftig heißen, dass die Dauer der Befristung von Drittmittelverträgen „dem bewilligten Projektzeitraum“ entsprechen soll. Im Regierungsentwurf wird lediglich auf die „Dauer der Mittelbewilligung“ Bezug genommen. Das geltende Gesetz enthält überhaupt keine Vorgabe zur Laufzeit von Drittmittelverträgen. Die GEW hat die von der Bundesregierung vorgelegte Formulierung in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung kritisiert, weil die Mittel von Drittmittelprojekten häufig tranchenweise bewilligt werden, also die Dauer der Mittelbewilligung viel kürzer als die Dauer des Projektzeitraums sein kann. Der Bundestagsausschuss hat jetzt die Kritik der GEW aufgegriffen. Die Laufzeit von Drittmittelverträgen darf künftig nicht kürzer sein als die Laufzeit der Projekte – eine wichtiger Erfolg der GEW-Kampagne für den Traumjob Wissenschaft.
Eine zweite wichtige Veränderung hat der Bundestagsausschuss für die studentischen Beschäftigten vorgesehen. Die im Regierungsentwurf vorgesehene Höchstbefristungsdauer von vier Jahren soll auf sechs Jahre angehoben werden, hat der Ausschuss empfohlen. Auch diese Änderung entspricht einer Forderung der GEW, die sie in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung erhoben hat. Studentische Beschäftigte müssten künftig nicht fürchten, ausgerechnet in ihrer Studienabschlussphase ihren Hochschul-Job zu verlieren.
Alle weiteren Kritikpunkte am Regierungsentwurf sind indes an der Mehrheit von Union und SPD im Bundestagsausschuss abgeprallt. In der öffentlichen Anhörung im Ausschuss am 11. November hatten Sachverständige Kritik an vielen unverbindlichen Formulierungen des Gesetzentwurfs geübt. Die GEW hatte eine „gründliche Überarbeitung“ des Regierungsentwurfs verlangt (http://www.gew.de/presse/pressemitteilungen/detailseite/neuigkeiten/gew-zeitvertrags-novelle-darf-kein-papiertiger-werden/).
Zur mehr als den überfälligen Nachbesserungen konnten sich Union und SPD aber nicht durchringen. So enthält der Regierungsentwurf zwar den Grundsatz, dass die Laufzeit von Qualifizierungsbefristungen der angestrebten Qualifizierung „angemessen“ sein muss, eine verbindliche Untergrenze von drei Jahren, wie es die GEW vorgeschlagen hatte, oder wenigstens zwei Jahren, wie es sogar der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf empfohlen hatte, soll es nicht geben.
Weiter enthält der Regierungsentwurf zwar die wichtige Festlegung, dass die sachgrundlose Befristung von Beschäftigungsverhältnissen der wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung dienen muss. Auch hier bleibt indes das Problem bestehen, dass die Vorgabe zu vage ausgestaltet ist und damit von sturen Arbeitgebern umgangen werden könnte. Der Vorschlag der GEW, per Arbeitsvertrag einen Mindestanteil von 50 Prozent der Arbeitszeit für die eigene Qualifizierung zu reservieren, wurde nicht aufgegriffen. Diese Regelung hätte sichergestellt, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die weder in einem Drittmittelprojekt arbeiten noch sich in ihrer Arbeitszeit überwiegend qualifizieren, entsprechend des Grundsatzes „Dauerstellen für Daueraufgaben“ ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis angeboten werden müsste.
Enttäuschend ist ferner, dass die Große Koalition keinen Mut zur verbindlichen Ausgestaltung der familienpolitischen Komponente hatte. Außer überfälligen Klarstellungen im Gesetzestext, die etwa die Erweiterung des Kindbegriffs auf Stief- und Pflegekinder sowie die Vertragsverlängerung bei Arbeitgeberwechsel betreffen, soll es nach dem Willen von Union und SPD beim Alten bleiben: Ob ein Zeitvertrag verlängert wird, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Kinder betreuen, entscheidet allein der Arbeitgeber – es gibt keinen Anspruch auf Verlängerung, für Drittmittelbeschäftigte nicht einmal bei Elternzeit oder Mutterschutz. Sogar der Bundesrat hatte die Bundesregierung um Prüfung der Möglichkeiten einer verbindlichen Ausgestaltung der Familienkomponente gebeten. Leider ist uns nicht bekannt, ob die Bundesregierung dies ernsthaft geprüft hat und mit welchem Ergebnis – der Bundestagsausschuss hat jedoch keine Veränderungen am Regierungsentwurf empfohlen.
Fehlanzeige gibt es außerdem bei der von GEW geforderten und vom Bundesrat unterstützten Aufhebung der Tarifsperre: Gewerkschaften und Arbeitgeber dürfen weiterhin, selbst wenn sie sich einig sind, keine über das Gesetz hinausgehenden Regelungen zum Schutz der Beschäftigten vor Befristungsmissbrauch tarifvertraglich vereinbaren.
Zu begrüßen ist, dass die Koalition in einem Punkt standhaft geblieben ist und sich dem Druck der Wissenschaftsarbeitgeber nicht gebeugt hat. Das wissenschaftsunterstützende Personal – Kolleginnen und Kollegen in Technik, Verwaltung und Wissenschaftsmanagement – werden künftig komplett aus dem Geltungsbereich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ausgeklammert. Die GEW hatte dies bereits in ihrem im Januar vorgelegten eigenen Gesetzentwurf vorgeschlagen. Derzeit kann das Gesetz im Falle einer Drittmittelfinanzierung auf das wissenschaftsunterstützende Personal angewandt werden. Künftig sind Befristungen nur noch nach dem allgemeinen Arbeitsrecht (Teilzeit- und Befristungsgesetz) möglich. Diese Veränderung wird zu mehr Kontinuität und damit Qualität der Arbeit in Technik, Verwaltung und Wissenschaftsmanagement führen, aber Zeitverträge, auch mit einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren, weiterhin ermöglichen, wenn sie nach den üblichen Maßstäben des Arbeitsrechts wirklich sachlich gerechtfertigt sind.
Das letzte Wort zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hat indes der Bundestag – möglicherweise schon in seinen Sitzungen am 17. oder 18. Dezember. Anschließend muss der Gesetzentwurf noch einmal durch den Bundesrat – da es sich nicht um ein Zustimmungsgesetz, sondern nur um ein Einspruchsgesetz handelt, kann die Länderkammer den Bundestagsbeschluss aber nicht blockieren. Das In-Kraft-Treten des Gesetzes ist zum 1. März geplant.
Wird das Gesetz am Ende in der jetzt vom Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung empfohlenen Fassung beschlossen, werden sich zwar die Rahmenbedingungen für dem Kampf um faire Beschäftigungsbedingungen und berechenbare Karrierewege an Hochschulen und Forschungseinrichtungen verbessern: Vertragslaufzeiten müssen der Qualifizierung angemessen sein bzw. der Projektlaufzeit entsprechen, sachgrundlose Befristungen müssen der Qualifizierung dienen, die auf Vorschlag der GEW ins Gesetz aufgenommene behindertenpolitische Komponente wird im Sinne eines Nachteilsausgleichs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern längere Vertragslaufzeiten ermöglichen. All das ist ein wichtiger Erfolg der GEW-Kampagne für den Traumjob Wissenschaft, die wir 2010 mit dem Templiner Manifest (www.templiner-manifest.de) gestartet haben und die im November 2015 mit der Aktionswoche Traumjob Wissenschaft (www.traumjob-wissenschaft) einen Höhepunkt hatte.
Doch ob und wie diese Regelungen tatsächlich vor Ort umgesetzt werden, ist offen. Personalvertretungen und Mitglieder von akademischen Selbstverwaltungsorganen, aber auch jede einzelne Wissenschaftlerin und jeder einzelne Wissenschaftler ist gefragt. Die Gesetzesnovelle ist Rückenwind für die Initiativen für Selbstverpflichtungen nach dem Vorbild des von der GEW vorgelegten Herrschinger Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ (www.herrschinger-kodex.de), aber bietet auch viele Anhaltspunkte für einzelne Kolleginnen und Kollegen, ihre gestärkte Rechtsposition durchzusetzen. Was konkret eine „angemessene“ Vertragslaufzeit ist und ob ein Zeitvertrag tatsächlich der Qualifizierung dient, muss künftig im Einzelfall geprüft werden – notfalls von den Arbeitsgerichten. Eine verbindliche und eindeutige gesetzliche Regelung wäre der bessere, rechtsicherere und für alle Beteiligten stressfreiere Weg gewesen, aber im Zweifelsfall werden wir unsere Mitglieder ermuntern, ihren Arbeitsvertrag zu prüfen und auf ihre Rechte zu pochen. Ein weiterer Grund für jede Wissenschaftlerin und jeden Wissenschaftler, jede Beschäftigte und jeden Beschäftigten an einer Hochschule oder Forschungseinrichtung, der GEW beizutreten, die ihren Mitgliedern Rechtsberatung und Rechtsschutz gewährt.
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