Im Vorfeld der Bürgerschaftswahl mehren sich die Stimmen, die von der grün geführten Wissenschaftsbehörde mehr Engagement darin erwarten, die Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen zu verbessern. Insbesondere geht es dabei darum, wie vom Bund bereitgestellte Mittel aus dem „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ eingesetzt werden sollen. Ein Hauptthema ist dabei die Arbeitssituation des in der Regel prekär und befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mittelbaus.
Der Akademische Senat der Uni Hamburg hat die „Bayreuther Erklärung“ der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten Deutschlands zum Anlass genommen, um sich von der Charakterisierung der Universität als ein reines „Qualifizierungssystem“ zu distanzieren. Nach Auffassung des Akademischen Senats braucht es „insgesamt, aber insbesondere bei Postdoktorandinnen und Postdoktoranden, eine angemessene Anzahl unbefristeter Stellen, um die umfassenden Aufgaben in Forschung und Lehre erfüllen zu können.“
Die Mittelbauinitiative Hamburg (MIHH) fordert in einer Stellungnahme unter dem „Titel Frist ist und bleibt Frust!“ die Wissenschaftsbehörde auf, „Hamburg wirklich zu einem Vorreiter zu machen und gute Bedingungen für ‚Gute Arbeit in der Wissenschaft‘ zu schaffen.
Auch in der Hamburger Presse mehren sich die Artikel, in denen die Wissenschaft als „brotlos“ gekennzeichnet wird und darauf hingewiesen wird, dass sich der akademische Mittelbau zunehmend gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse an den Unis wehrt.
Die GEW hat nun einen gemeinsamen Brief von GEW, ver.di, der Konferenz des akademischen Personal an der Uni Hamburg (KAP) sowie der Mittelbau Initiative Hamburg (MIHH) an die Wissenschaftssenatorin geschickt, in der in Bezug auf den „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ eine Verpflichtungserklärung der Freien und Hansestadt Hamburg eingefordert wird.
„Gemeinsam fordern wir die Wissenschaftssenatorin auf, die verstetigten Hochschulpakt-Mittel nun auch für entfristete Stellen vor allem im Mittelbau an den Hamburger Hochschulen zu nutzen und in der im Zukunftsvertrag vorgesehenen Verpflichtungserklärung der Freien und Hansestadt Hamburg verbindliche Zielzahlen für die Erhöhung des Anteils der Dauerstellen am Hochschulpersonal zu benennen sowie konkrete Maßnahmen zur Zielerreichung im Einzelnen aufzunehmen“, so Fredrik Dehnerdt, stellvertretender Vorsitzender der GEW Hamburg.
Die benannten Texte im Wortlaut finden sich unten.
Eine Bilanz von fünf Jahren grüner Wissenschaftspolitik unter dem Titel „Prekäre Exzellenz“ findet sich unter www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/prekaere-exzellenz.
Ein Bericht zur Veranstaltung mit den wissenschaftspolitischen Sprecher*innen zur Bürgerschaftswahl mit dem Titel „Wir wollen gute Arbeitsbedingungen in einer ausfinanzierten und demokratischen Hochschule!“ findet sich unter www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/wir-wollen-gute-arbeitsbedingungen
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Beschluss des Senats der Uni Hamburg zur Bayreuther Erklärung
„Der Akademische Senat der Universität Hamburg nimmt die sogenannte „Bayreuther Erklärung“ der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten Deutschlands zum Anlass, um sich von der Charakterisierung der Universität als ein reines „Qualifizierungssystem“ zu distanzieren. Nach Auffassung des Akademischen Senats braucht es insgesamt, aber insbesondere bei Postdoktorandinnen und Postdoktoranden, eine angemessene Anzahl unbefristeter Stellen, um die umfassenden Aufgaben in Forschung und Lehre erfüllen zu können. Der Akademische Senat der Universität Hamburg fordert daher die Politik auf, die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit in Abstimmung zwischen Präsidium, Dekanaten und den Gremien der akademischen Selbstverwaltung eine aufgabenadäquate Personalstruktur an der Universität Hamburg umgesetzt werden kann.“
Stellungnahme der Mittelbauinitiative Hamburg: Frist ist und bleibt Frust!
Den wissenschaftlichen Mittelbau stärken! Senat und Hochschulen sind aufgefordert zu handeln!
Aktuell befindet sich Hamburg in einer heißen Phase, in der Veränderungen möglich sind: Der Bürgerschaftswahlkampf ist in vollem Gange. Zeitgleich verhandelt die Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung (BWFG) mit Hochschulleitungen darüber, wie vom Bund bereitgestellte Mittel aus dem „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ eingesetzt werden sollen. Ein Hauptthema ist dabei die Arbeitssituation des in der Regel prekär und befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mittelbaus.
Wir, die Mittelbau Initiative Hamburg, erwarten als Ergebnis der Verhandlungen mehr als nur Lippenbekenntnisse! Wir fordern, dass folgende Punkte Eingang in die gemeinsame Verpflichtungserklärung von Stadt und Hochschulleitungen finden sowie in die künftige Beschäftigungspolitik in Hamburg:
- Schaffung zusätzlicher und unbefristeter Stellen, insbesondere im wissenschaftlichen Mittelbau (max. 8 LVS Lehrverpflichtung)
- Festschreibung des Stellenumfangs von Promotionsstellen auf 100 Prozent (dabei 50% der Zeit für die Qualifikation) mit angemessenen Vertragslaufzeiten (z.B. 6 Jahre)
- sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als Regelfall für die Promotion
- Regelhaft entfristete Beschäftigung für Post-Docs
- Höhere Entlohnung von Lehraufträgen und Titellehre
Die in der Regel prekäre und befristete Beschäftigungssituation von nicht verbeamteten Wissenschaftlern*innen ist seit Jahren bekannt und zunehmend Gegenstand politischer Diskussionen. Doch statt die Situation zu verändern, wird das Problem verharmlost, etwa vonseiten der Universitätsverwaltungen. Erst kürzlich bekannten sich die Kanzler*innen der deutschen Universitäten in der sogenannten „Bayreuther Erklärung“1 zum bestehenden Beschäftigungssystem, da dieses die Qualifizierung von Fachkräften für „Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung“ garantiere. Doch den Mittelbau als reines Qualifizierungssystem zu sehen, leugnet die tragende Rolle, die er in Forschung, Lehre und in der (Selbst-)Verwaltung einnimmt. So liegt etwa der Anteil an der Lehre, der von angestelltem Mittelbaupersonal und freien Lehrbeauftragten an Hochschulen erbracht wird, bei über 50%, stellenweise sogar bei über zwei Dritteln.2
Des Weiteren arbeiten Promovierende und auch Post-Docs trotz Teilzeitverträgen in der Regel Vollzeit, häufig auch darüber hinaus.3 Hinzu kommen ein durch Studien nachgewiesener extrem hoher Leistungsdruck in der Wissenschaft mit entsprechenden gesundheitlichen Konsequenzen sowie ein enormer Fokus auf Selbstmarketing.
Die tragende Rolle des Mittelbaus für die Wissenschaft steht in deutlichem Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen. Weniger als 15% der Beschäftigten hat eine unbefristete Vollzeitstelle.4 Die Regel sind kurze Laufzeiten und „Kettenverträge“, die strukturierte Forschungsprozesse und Lehrbetreuung unmöglich machen, die Prekarisierung und Abhängigkeit von Vorgesetzten und Geldgeberinnen verstärken sowie Konkurrenzkampf unter den Mitarbeitenden statt Kooperation schaffen.
Der Hamburger Senat preist immer wieder den Wissenschaftsstandort Hamburg an und brüstet sich mit der hohen Qualität der Lehre und der Forschung in der Hansestadt. Wir sagen: Gute Lehre und Forschung nur unter fairen Arbeitsbedingungen! Es liegt nun an der BWFG, namentlich an Senatorin Katharina Fegebank und Staatsrätin Eva Gümbel, sowie den Hochschulleitungen Hamburg wirklich zu einem Vorreiter zu machen und gute Bedingungen für „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ zu schaffen.
Wir erklären uns außerdem solidarisch mit der Kampagne TV Stud und fordern die Aufnahme von Tarifverhandlungen mit den studentischen Beschäftigten zur Umsetzung eines Tarifvertrages. Zudem sind wir solidarisch mit allen Beschäftigungsgruppen im Wissenschaftsbetrieb und fordern auch hier angemessene und entfristete Stellen, die ein gutes Leben in Hamburg ermöglichen.
Mittelbau Initiative Hamburg
Hamburg, 28. November 2019
Die Mittelbau Initiative Hamburg – ein Zusammenschluss von Menschen, die in der Wissenschaft arbeiten, lehren und forschen – setzt sich ein für bessere Arbeitsbedingungen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Sie ist Teil des bundesweiten Netzwerks für Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss), das zusammen mit Gewerkschaften die Kampagne „Frist ist Frust“ ins Leben gerufen hat.
1 Siehe: https://www.uni-kanzler.de/fileadmin/user_upload/05_Publikationen/2017_-_2010/20190919_Bayreuther_Erklaerung_der_Universitaetskanzler_final.pdf_2010/20190919_Bayreuther_Erklaerung_der_Universitaetskanzler_final.pdf
2 Der Lehranteil der Professor*innen lag schon 2014 bei nur noch 40%, stellenweise unter einem Drittel. Quelle: Bloch, Roland et al. (2014): Wer lehrt warum? Strukturen und Akteure der akademischen Lehre an deutschen Hochschulen, Leipzig: Akademische Verlagsanstalt, S. 51.
3 Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (2017): Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, S. 140.
4 Statistisches Bundesamt (2018): Hochschulen auf einen Blick, S. 32.
Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken
Verpflichtungserklärung der Freien und Hansestadt Hamburg
Sehr geehrte Frau Senatorin,
der „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ wird ab 2021 den Hochschulpakt nachfolgen und eine dauerhafte Finanzierung von Stellen in der Lehre ermöglichen. In § 1 Abs. 2 wurde vereinbart: „Um diese Ziele zu erreichen, setzen die Länder bei der Verwendung der Mittel Schwerpunkte insbesondere beim Ausbau von dauerhaften Beschäftigungsverhältnissen des hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen, mit Studium und Lehre befassten Personals an den Hochschulen. Damit soll auch eine Verbesserung der Betreuungsverhältnisse bzw. der Betreuungssituation erreicht werden. Dabei wirken die Länder auf eine geschlechterparitätische Zusammensetzung des Personals hin.“
Im Vertrag haben Bund und Länder daneben eine Verpflichtungserklärung der einzelnen Bundesländer vereinbart, die bis Anfang 2020 erstellt werden soll. Dies nehmen wir zum Anlass, um Ihnen im Folgenden unsere Forderungen zur Aufnahme in die Verpflichtungserklärung der Freien und Hansestadt Hamburg zu übersenden.
Die Kampagne „Frist ist Frust“ (http://frististfrust.net/) ist ein bundesweites Bündnis aus den Gewerkschaften GEW, ver.di und dem Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss; https://www.mittelbau.net/). In Hamburg haben sich die lokalen Mittelbauinitiativen Mittelbau Initiative Hamburg (MIHH, https://www.mittelbau-hamburg.de/) und die Konferenz der Akademischen Personals (KAP) an der Universität Hamburg dem Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss) angeschlossen.
Gemeinsam fordern wir Sie dazu auf, die verstetigten Hochschulpakt-Mittel nun auch für entfristete Stellen vor allem im Mittelbau an den Hamburger Hochschulen zu nutzen und in der im Zukunftsvertrag vorgesehenen Verpflichtungserklärung der Freien und Hansestadt Hamburg verbindliche Zielzahlen für die Erhöhung des Anteils der Dauerstellen am Hochschulpersonal zu benennen sowie konkrete Maßnahmen zur Zielerreichung im Einzelnen aufzunehmen.
Als Vorbild könnten hier z.B. die Hochschulverträge Berlin 2018-2022 dienen, in denen Folgendes vereinbart wurde: „Für strukturelle Daueraufgaben werden Dauerstellen geschaffen. Die Hochschulen verpflichten sich, anwachsend bis zum 31.12.2020 im Umfang von mindestens 35 % der Beschäftigten (VZÄ) des aus Haushaltsmitteln finanzierten hauptberuflichen wissenschaftlichen Personals des akademischen Mittelbaus dauerhafte Beschäftigungs- und Karriereperspektiven zu schaffen, soweit ein entsprechender Anteil bisher nicht erreicht ist.“ (Brain City Berlin, Vertrag für die Jahre 2018 bis 2022 gemäß § 2a Berliner Hochschulgesetz zwischen dem Land Berlin und der Freien Universität Berlin, S. 22; https://www.berlin.de/sen/wissenschaft/politik/hochschulvertraege/)
Die vielfältigen Aufgaben in der Ausbildung der Studierenden sollten in erster Linie von festangestelltem wissenschaftlichen Personal wahrgenommen werden. „Dauerstellen für Daueraufgaben“ ist hier unsere langjährige Forderung, die mittlerweile auch in § 28 Abs. 3 Satz 2 HmbHG ihren Niederschlag gefunden hat, von den Hochschulleitungen aber noch allzu häufig umgangen wird. Doch gibt es durch die verstetigten HSP-Mittel nun eine größere Planungssicherheit für die Hochschulen, die auch in Form von mehr unbefristeter Beschäftigung an die Beschäftigten weitergegeben werden muss. In Ziel- und Leistungsvereinbarungen des Senats mit den Hochschulen sollte daher eine feste Quote an „Dauerstellen für Daueraufgaben“, also unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen in Lehre und Forschung festgeschrieben sowie außerdem ein Ausschluss sachgrundloser Befristungen vereinbart werden, wie er auch vom Personalamt der FHH vorgesehen ist.
Uns ist es ein großes Anliegen, dass es für NachwuchswissenschaftlerInnen kalkulierbare Karriereperspektiven neben der Professur gibt. Als konkrete Ausgestaltungsmöglichkeit bietet sich z.B. das „Bremer Modell“ an: Hier existiert ein Karriereweg vom Lecturer bzw. Researcher über einen Tenure-Track zum festangestellten Senior Lecturer bzw. Senior Researcher für Daueraufgaben in Lehre und Forschung (https://www.uni-bremen.de/de/universitaet/wissenschaftliche-karriere/senior-researcher-senior-lecturer). Wichtig ist uns dabei, dass diese Stellen gemäß dem „Bremer Modell“ die Einheit von Forschung und Lehre wahren und dem Leitbild einer forschungsorientierten Lehre verpflichtet sind: die maximale Lehrverpflichtung eines vollbeschäftigten Senior Lecturers darf deshalb 12 SWS bzw. eines vollbeschäftigten Senior Researchers 9 SWS nicht überschreiten.
Wir erwarten, dass unsere Forderungen in der Verpflichtungserklärung Berücksichtigung finden und stehen jederzeit für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Für die GEW, Landesverband Hamburg
Dr. Fredrik Dehnerdt (Erster stellv. Vorsitzender der GEW Hamburg)
Dr. Jochen Meissner (Sprecher der Fachgruppe Hochschule und Forschung)
Für den verdi-Landesbezirk Hamburg
Angelika Gericke (Landesbezirksfachbereichsleiterin
FB 05-Bildung, Wissenschaft und Forschung)
Für die Konferenz der Akademischen Personals (KAP)
Michael König
Dr. Marc-Olivier Hinzelin
Mittelbau Initiative Hamburg (MIHH)
https://www.mittelbau-hamburg.de/
28.11.2019, Taz, S. 44: Wissenschaft ist brotlos
Der akademische Mittelbau wehrt sich gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse an den Unis. Mit Geld vom Bund gäbe es die Chance, Jobs zu entfristen. Die Kanzler sperren sich
Von Gernot Knödler
Die Doktoranden, Habilitanden und Lehrbeauftragten an den Hochschulen wehren sich gegen ihre schlechte Bezahlung und dagegen, dass sie sich von einem Zeitvertrag zum nächsten hangeln müssen. Entsprechende Forderungen stellt die Mittelbauinitiative Hamburg am heutigen Donnerstag vor. Der Zeitpunkt ist günstig, denn zum einen hat der Bürgerschaftswahlkampf in Hamburg begonnen, zum anderen schaffen Zuwendungen des Bundes den Spielraum, die Beschäftigungsbedingungen zu verbessern. Die Kanzler der deutschen Universitäten haben jedoch in einer gemeinsamen „Bayreuther Erklärung“ bereits im September deutlich gemacht, dass sie nichts an den Befristungen ändern wollen. Die derzeitigen Verhältnisse gehen auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 2007 zurück, das mehr Leuten eine Promotion oder Berufserfahrung an Forschungseinrichtungen ermöglichen sollte. Die Hochschulen machten von den dadurch ermöglichten Befristungen für Arbeitsverträge großzügig Gebrauch. Die Folge: „Bis man angekommen ist an einem Punkt, wo man eine unbefristete Stelle hat, ist man 40 Jahre alt“, stellt ein Sprecher der Initiative fest. Denn nicht nur Doktoranden sondern auch Habilitanden würden mit befristeten Verträgen abgespeist – dabei forschten und qualifizierten sie sich nicht nur, sondern verantworteten auch einen beträchtlichen Teil der Lehre. Nach einer Aufstellung der Mittelbauinitiative hat sich die Zahl der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter in Hamburg seit 2006 von fast 2.700 auf rund 5.500 verdoppelt. Dabei stieg die Zahl der unbefristet Beschäftigten lediglich von rund 1.000 auf 1.200. In anderen westlichen Ländern liegt der Anteil der befristet beschäftigten Wissenschaftler jedoch viel niedriger. Die Mittelbauinitiative Hamburg ist Teil des bundesweiten Netzwerks „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ und beteiligt sich an der Kampagne „Frist ist Frust“. Zu den Kernforderungen der Initiative gehört die „Schaffung zusätzlicher unbefristeter Stellen insbesondere im wissenschaftlichen Mittelbau“. Mit Blick auf die universitäre Lehre postuliert sie: „Für Daueraufgaben braucht es Dauerstellen.“ Zudem fordert sie eine faire Bezahlung. „Angestellte Wissenschaftler haben häufig halbe oder Zweidrittel-Stellen, arbeiten jedoch Vollzeit oder darüber hinaus“, erläutert ein Sprecher. Eine Möglichkeit, das zu ändern, ergibt sich nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aus dem Hochschulpakt, den Bund und Länder Mitte des Jahres geschlossen haben. Bis Anfang 2020 sollen die Länder darlegen, wie sie das Geld aus diesem „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ ausgeben wollen. Der Pakt, der Zuwendungen des Bundes an die Länder vorsieht, ist im Gegensatz zu seinem Vorgänger unbefristet. Die Länder hätten damit „auch die Möglichkeit, eine Quote für unbefristete Beschäftigungsverhältnisse in den Kriterienkatalog aufzunehmen“, merkt die GEW an. Hamburgs Verpflichtungserklärung gegenüber dem Bund werde auch Aussagen zum Thema Ent- und Befristung enthalten, teilt die Wissenschaftsbehörde mit. Die Hochschulen hätten sich früh zu einem Code of Conduct verpflichtet, zu dem es gehöre, unangemessen kurze Befristungen zu vermeiden und Daueraufgaben durch unbefristet Beschäftigte erledigen zu lassen. Diese Ziele würden „hochschulindividuell im Dialog“ verfolgt. Den Code of Conduct gibt es seit 2013. Seit die Grünen die Wissenschaftsbehörde führten, stagniere aber dessen Umsetzung, kritisiert die GEW. Senatorin Katharina Fegebank überlasse den Kanzlern unter Verweis auf die Hochschulautonomie das Feld. Und die Kanzler stellten in ihrer Erklärung fest: „Universitäten leisten mit der akademischen Qualifizierung dringend benötigter Fachkräfte einen wichtigen Beitrag für Gesellschaft, Wirtschaft und den öffentlichen Dienst.“ Dieser sei nur möglich, wenn „das Modell befristeter Qualifizierungsphasen“ auch weiterhin nicht angetastet werde. Die Mittelbauinitiative wirft den Kanzlern vor, sie machten „keinerlei Unterschied zwischen promovierendem und habilitierendem ‚Nachwuchs‘“. Wer Professorin oder Professor werden wolle, qualifiziere sich für eine Karriere an der Hochschule. In diesen Fällen sei eine Befristung unsinnig. Die Forderung nach Entfristung beziehe sich deshalb auf Habilitanden.