„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“

Eine Bilanz nach drei Jahren SPD-Wissenschaftspolitik in Hamburg
Baustelle

Nach fast dreijähriger Amtszeit der SPD-Alleinregierung beginnt hinter den Kulissen bereits das Warmlaufen für die nächste Bürgerschaftswahl im Frühjahr 2015. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Welche der im Regierungsprogramm angekündigten Vorhaben wurden von der Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF) unter Leitung der zweiten Bürgermeisterin, Frau Senatorin Dorothee Stapelfeldt, angegangen, und was kam bisher dabei heraus? Ein Stück in vier Akten.

Neuanfang in der Wissenschaftspolitik

Im Februar 2011 erlangte die SPD bei den vorgeschobenen Bürgerschaftswahlen die absolute Mehrheit und regiert seither alleine die Hansestadt Hamburg. Unter der Überschrift Neuanfang in der Wissenschaftspolitik benannte sie ihrem Regierungsprogramm von 2011 verschiedene zentrale Herausforderungen und Zielstellungen, die ihre Arbeit prägen sollten und an denen sie zuletzt auch gemessen werden sollte. Dieses Programm umfasste unter anderem die Abschaffung von Studiengebühren, die Demokratisierung des Hochschulgesetzes, einen Masterzugang für alle, sowie die Begrenzung der prekären Beschäftigung an den Hochschulen.

Abschaffung der Studiengebühren

„Wir haben die Studiengebühren immer abgelehnt. Deshalb werden wir in dieser Legislaturperiode die Studiengebühren wieder abschaffen und die wegfallenden Einnahmen aus Mitteln des Hamburger Haushalts kompensieren.“

Demokratisierung des Hochschulgesetzes

„Hochschulautonomie verlangt demokratische Strukturen in den Hochschulen. Unter sozialdemokratischer Verantwortung werden die gewählten Hochschulgremien die Entscheidungskompetenz über grundlegende Fragen wie z.B. die Wahl der Hochschulpräsidenten und Kanzler zurückerlangen.“

Masterzugang für alle

„Das Missverhältnis zwischen der Zahl der Bachelorabsolventen und der Zahl der Masterstudienplätze hat zur Folge, dass das Potenzial vieler junger Menschen brach liegt. Deshalb ist es Ziel eines SPD-geführten Senats, dass allen Bachelorabsolventen ein Masterstudiengang offen steht.“

Begrenzung der prekären Beschäftigung an den Hochschulen

„Voraussetzung für exzellente Forschung und Lehre ist gutes und engagiertes Personal an den Hochschulen, nicht zuletzt bei der Bewältigung des erhöhten Betreuungsaufwands in den Bachelorstudiengängen. Wir wollen die Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse beim wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Personal einschränken.“

Regierungsprogramm SPD Hamburg von 2011

 

Dieses Programm machte Mut, und gleich zu Beginn ihrer Amtszeit löste die SPD eines ihrer Wahlkampfversprechen ein und schaffte die allgemeinen Studiengebühren, die in Hamburg trotz massiver Proteste 2006 von der CDU eingeführt wurden, nach sechs Jahren ihrer Erhebung endlich wieder ab. Während die SDP in Bezug auf ihre Maßnahmen zur Studienfinanzierung zu Recht Lob erhielt, trat sie kurz nach Regierungswechsel eine Debatte zur Hochschulfinanzierung los, in der deutlich wurde, dass ihr Versprechen, auch finanzielle Planungssicherheit für die Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen herzustellen, Wahlkampfgetöse war.

 

Erster Akt: Von der Gebührenfreiheit zum „Kampf um die Zukunft“ – ein gelungener Abwehrkampf gegen drohende Sparvorhaben

Im November 2010 beschloss der damalige CDU-GAL Senat Kürzungen im Hochschul- und Forschungsbereich im Umfang von ca. 10 Millionen Euro (siehe hlz 12/2010: GEW Hamburg zu den Sparbeschlüssen im Hochschul- und Forschungsbereich). Kurz darauf zerbrach die Koalition und es kam zu Neuwahlen. Nach Regierungsantritt der SPD, im Mai 2011, beschloss der neue Senat einen Haushaltsentwurf, welcher über die Kürzungsbeschlüsse des Vorgängersenats hinaus noch weitere Kürzungen vorsah und doppelt so viel einsparen wollte, insgesamt ca. 20 Millionen Euro (hlz 6-7/2011: Und es hat BUM gemacht – Hamburger Senat kürzt Wissenschaft weg). In den darauf folgenden monatelangen Protesten an den Hamburger Hochschulen unter dem Motto „Kampf um die Zukunft“ fanden eine Vielzahl von Aktivitäten statt – mit dem Ergebnis, dass die Behörde ihre Kürzungspläne im Oktober zurückzog. Stattdessen wurden zwischen der Behörde und den Hochschulen sogenannte Zukunftspakte vereinbart, die bis 2020 finanzielle Planungssicherheit vorsehen sollen, jedoch unter Einbezug der jährlichen Kostensteigerung ein stetiges Minus für die Hochschulen bedeuten. Unklar blieb, warum die neue Regierung einen solchen Zick-Zack-Kurs fuhr und nach vollmundigen Ankündigungen zuerst radikale Kürzungen ankündigte, um diese schließlich doch nicht durchzusetzen (hlz 10-11/2011: Proteste erfolgreich – Kürzungen an Hochschulen werden zurückgenommen).

Fazit: Diese zwei konkreten Erfolge in Fragen der Hochschul- und Studienfinanzierung machen deutlich, dass Protest wirken kann – und wir in unseren Aktivitäten nicht nachlassen, sondern nachlegen müssen. So fordert die GEW eine Finanzierung der Hochschulen, die sich nicht an angeblich leeren Kassen, sondern am steigenden gesellschaftlichen Bedarf an Bildung orientiert (hlz 12/2011: Nicht nachlassen, sondern nachlegen! Für eine Reform der Hochschul- und Studienfinanzierung).

 

Zweiter Akt: Ein kleiner Schritt… in die falsche Richtung – Die Novelle des Hochschulgesetzes

Im Juni 2013 hat die Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF) den lang erwarteten Referentenentwurf zum Hamburger Hochschulgesetz (HmbHG) vorgestellt, der nicht nur in der Fachgruppe Hochschule und Forschung der GEW für Empörung sorgte. Der Grund? Die von der SPD mehrfach angekündigte Demokratisierung der Hochschulen durch eine Entmachtung des Hochschulrates und eine Stärkung der Gremien war nicht mal in Ansätzen zu erkennen. Stattdessen stellte der Entwurf ein Zugeständnis an die Interessen der Handelskammer und der Hochschulleitungen dar, indem zum Beispiel Public-Private-Partnership im Hochschulbau ermöglicht wird und die Machtbefugnisse der Hochschulleitung weiter ausgebaut werden (hlz 8-9/2013: Ein kleiner Schritt… in die falsche Richtung!). Bis September verhielt sich die Behörde kritikresistent und verfolgte das Ziel, den Entwurf in einem parlamentarischen ‚Hauruck-Verfahren‘ noch 2013 von der Bürgerschaft beschließen zu lassen. Darüber hinaus sah sie über die gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandards gewerkschaftlicher Mitbestimmung keinerlei Beteiligungsverfahren am Entwurf vor, lediglich die Präsidenten_innen der Hamburg Hochschulen durften den Entwurf vor Veröffentlichung begutachten. Auf Grund deutlicher Kritik und Aktivitäten von Studierenden, Beschäftigten, Personalräten, der GEW und dem DGB lenkte die Behörde schließlich ein, und schob zwei Beteiligungsverfahren ein: zum einen ein Online-Diskussionsverfahren, bei dem der Entwurf von allen Interessierten kommentiert werden konnte; zum anderen eine Arbeitstagung, auf der die Reformvorhaben diskutiert, bewertet und Alternativvorschläge eingebracht werden konnten. Änderungen am Entwurf erbrachten diese Formate bisher nicht, doch sind die weiteren Entwicklungen abzuwarten.

Fazit: Neben dem gebrochenen Wahlversprechen bleibt hängen, dass die Behörde auf die DGB-Stellungnahme mit Unverständnis reagierte und über den demokratischen Gehalt des Gesetzes wie des Verfahrens nicht gewillt war zu reden. Erst Proteste führten dazu, dass der Entwurf wenigstens noch ein wenig diskutiert werden konnte. Ob und in welcher Form die Novelle im Frühjahr 2014 verabschiedet wird, hängt auch von den Bürgerschaftsabgeordneten der Regierungsfraktion ab.

 

Dritter Akt: „Same procedure as last year“ – Das Master-Desaster im Lehramtsstudium

Vor der Schwierigkeit, nach erfolgreichem Bachelorabschluss an derselben Hochschule einen Masterstudienplatz zu bekommen, stehen viele Studierende. Dieses Problem wurde auch von der SPD erkannt und angekündigt, für alle erfolgreichen Bachelorabsolvent_innen einen Masterplatz bereitzustellen. Dass sie diesem Versprechen bisher nicht nachgekommen ist, zeigte sich leider insbesondere beim sogenannten Master-Desaster an der Universität Hamburg: Zum Wintersemester 2013 hatten, wie bereits zum Wintersemester 2012, nicht alle Bewerber_in­nen auf einen Lehr­amts-Master einen Stu­di­en­platz er­hal­ten. Waren es im Vorjahr noch knapp 40 Betroffene, waren es diesmal fast 100 Studierende. Da es für ange­hen­de Leh­rer_in­nen ohne ab­ge­schlos­se­nen Master of Edu­ca­ti­on keine ad­äqua­te Berufsperspek­ti­ve gibt, standen die Be­trof­fe­nen plötz­lich ohne berufsqualifizierenden Abschluss dar. Trotz Äu­ße­run­gen des Be­dau­erns wurde sei­tens der Uni­ver­si­tät keine Lösung angeboten, auch die Behörde reagierte, wie vor einem Jahr, nicht. Doch dieses Mal hielten die Proteste an, wurden intensiver und gipfelten in einer Petition der Betroffenen unter dem Titel Lassen Sie uns nicht mit einem unfertigen Uniabschluss zurück. Unsere Zukunft hängt davon ab!, die innerhalb weniger Tage von fast 5000 Personen unterzeichnet wurde. Nun endlich, nach gut vier Wochen der Unsicherheit, lenkte die Behörde ein und traf Ende September mit der Universität eine Vereinbarung, die es den abgelehnten Bachelorabsolventen ermöglichte, ein Masterstudium aufzunehmen.

Fazit: Warum handelte die Behörde nicht sofort, als diese unhaltbaren Zustände bekannt wurden, sondern erst ein Jahr später, und auch da erst dann, als anhaltender Protest eine Reaktion der Behörde erzwang? Langfristige Politik sieht anders aus; und so erwartet die GEW, dass die Behörde endlich eine Neuregelung der Kapazitäten von Bachelor- und Masterstudienplätzen im Lehramt vornimmt. Ihrem Versprechen, allen Bachelorstudierenden einen Masterplatz anzubieten, käme sie so wenigsten in einem kleinen Bereich nach.

 

Vierter Akt: „Und sie bewegt sich doch“ – Die AG Gute Arbeit in der Wissenschaft

Die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen sind geprägt von Zeitverträgen mit immer kürzeren Vertragslaufzeiten, unsicheren Berufsperspektiven, mangelnder Ausstattung der Arbeitsplätze und einer zunehmenden Arbeitslast. Diese Missstände benannte die SPD bereits im Bürgerschafts-Wahlkampf 2011. Zwei Jahre später hat die Behörde endlich erste Schritte eingeleitet, die Situation zu verbessern und im März 2013 eine Arbeitsgemeinschaft „Gute Arbeit an Hamburgs Hochschulen“ einberufen, die in einem Code of Conduct Leitlinien zur Begrenzung prekärer Beschäftigung erarbeiten soll. Auslöser für diese Entwicklung waren nicht nur, aber auch, die Aktivitäten der GEW für den Traumjob Wissenschaft (hlz 8-9/2013: Die GEW-Kampagne für den Traumjob Wissenschaft wirkt). Die Arbeit der AG soll im Dezember 2013 abgeschlossen werden, und die bisherigen Beratungen lassen durchaus Verbesserungen erwarten. So wird die AG wahrscheinlich vorschlagen, den § 28 des HmbHG, in dem es um die dienstrechtliche Stellung der wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen geht, zu modifizieren: So sollen Promovierende, die auf nur halben Stellen sitzen, einen Zeitanteil von einem Drittel Arbeitszeit für die Promotion erhalten (was bisher nicht vorgesehen war) sowie in § 28 (3) eingefügt werden, dass wissenschaftliche Mitarbeiter_innen, die überwiegend Daueraufgaben in Forschung und Lehre übernehmen, unbefristet beschäftigt werden sollen. Auch der Entwurf für den Code, zu deren Einhaltung sich die Hochschulen verpflichten würden, ist äußerst vielversprechend: In ihm sollen Beispiele für typisierte Beschäftigungsverhältnisse aufgeführt werden, die als Dauerstellen vorzuhalten sind, sowie festgehalten werden, dass die Laufzeit von Drittmittel- bzw. Projektverträgen für die Laufzeit des Projekts abgeschlossen werden sollen.

Fazit: Wenn die AG den vorliegenden Entwurf beschließt, wenn folgend die Behörde die gesetzlichen Änderungen auf den Weg bringt und wenn sich die Hochschulen zur Einhaltung des Codes verpflichten – wenn all dies gelingt, dann ist dies ein großer Schritt in die richtige Richtung und eine konkrete Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen, für die sich die Behörde zu Recht rühmen darf.

 

Leitlinien für eine gute Wissenschaftspolitik in Hamburg

Woran soll die Arbeit der Behörde gemessen werden, wenn nicht an ihren Wahl- und Regierungsversprechen? In Bezug auf diese fällt die Bilanz durchwachsen aus: Eindeutig positiv ist die sofortige Abschaffung der Studiengebühren. Überflüssig, weil nach Protesten zurückgenommen, war die Kürzungsdebatte. Bei einem der zentralen Aufgaben dieser Legislatur, der Novellierung und Demokratisierung des Hochschulgesetzes, wurde das Abschlussziel deutlich verfehlt. Statt eines sozialen und demokratischen Neuentwurfes betreibt die Behörde eine Feinjustierung der bestehenden unternehmensförmigen Steuerungsstrukturen. Dass erst nach Protesten immerhin ein paar Beteiligungsrunden zur Diskussion eingeschoben wurden zeigt, dass die Behörde auf Proteste durchaus reagiert. Dies zeigte sich auch beim wiederholten Master-Desaster an der Universität Hamburg, wo nach zunehmender Unruhe die Behörde endlich eines ihrer Versprechen einlöste, und wenigsten für einen kleinen Teil der Bachelorstudierenden ein Masterstudium in Hamburg ermöglichte. In Bezug auf die Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Personals lassen die bisherigen Ergebnisse der AG „Gute Arbeit“ darauf hoffen, dass Verbesserungen erreicht werden. Die GEW wird die Behörde dabei weiter kritisch und konstruktiv begleiten.

Bild: (c) Dieter Schütz /  pixelio.de