Das Bemühen, geflüchteten Menschen bessere Zugangschancen zum Studium zu verschaffen, setzt derzeit neue Dynamiken in Gang. Ein Blick auf aktuelle Initiativen.
Als erste Landesregierung hat Niedersachsen im vergangenen Frühsommer beschlossen, Geflüchteten auch ohne Nachweis einer Berechtigung einen Zugang zum Studium zu ermöglichen – unabhängig von deren Aufenthaltsstatus. Nach bestandenem Eingangstest, der eine Hürde darstellt, weil er auch fachunspezifische Kenntnisse prüft, kann die Einschreibung in einen der 250 zulassungsfreien Studiengänge erfolgen. An fünf Universitäten hat das Land Pilotprojekte eingerichtet, die beispielsweise Bildungsberatung und kostenlose Sprachkurse anbieten.*
MINT-Fächer im Saarland
Landesregierung und Universität des Saarlandes kündigten im vergangenen August an, die Rechtsgrundlagen der Hochschule so anzupassen, dass eingewanderte Studienbewerber nach erfolgreich absolviertem Eignungstest und Deutschkurs auch ohne Zeugnisse zum Studium der MINTFächer zugelassen werden. Allerdings nur, wenn diese asylberechtigt oder anerkannte Asylbewerber sind. Die Politik fördert in den Bereichen, in denen sie Arbeitskräftebedarf sieht und es eine relative Sicherheit mit Blick auf den Aufenthaltsstatus gibt, damit „investiertes Bildungskapital“ möglichst nicht wieder abwandert – eine breite Teilhabe wird damit nicht gewährleistet.**
Ende vergangenen Jahres hat die Kultusministerkonferenz (KMK) ein einheitliches Verfahren vorgelegt***, das dann gelten soll, wenn Menschen wegen ihrer Flucht keinen Nachweis einer Hochschulzugangsberechtigung erbringen können. Die Prüfverfahren werden landesintern gewählt. Der jeweilige Aufenthaltsstatus wird nun jedoch zum verbindlichen Kriterium, das zum Ausschluss führen kann.
Einige Hochschulen entscheiden sich dafür, geflüchteten Menschen ein Studium auch ohne Beschluss ihrer Landesregierungen zu ermöglichen. So öffnet etwa die Hochschule Magdeburg-Stendal alle Bachelor-Studiengänge, inklusive der zulassungsbeschränkten – selbst bei unvollständiger Aktenlage****.
Überbrückungsangebot
An vielen Hochschulen ist eine Gasthörerschaft geplant oder bereits mög- lich. Sie soll Wege ins Studium erleichtern und stellt laut Berliner Humboldt- Universität ein „Überbrückungsangebot“ dar*****. Das vermittelt zwar Einblicke, kann aber ein vollwertiges Studium nicht ersetzen: Gasthörer können weder Abschlüsse noch Credit Points erwerben – Hochschulen wollen so verhindern, dass sie sich über einen Umweg Zugang zu zulassungsbeschränkten Studiengängen verschaffen.
„Unterstützende“ Maßnahmen
Im September 2015 hat Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) den Hochschulen „weitreichende“ Un- terstützung versprochen. Zum einen dabei, die Studierfähigkeit junger Flüchtlinge festzustellen, zum anderen Sprachkenntnisse zu fördern und Beratung an den Unis auszubauen. So will der Bund Mittel bereitstellen, um z. B. Eingangstests ins Arabische zu übersetzen und zusätzliches Personal einzustellen, damit Eingewanderte die Tests flexibel an verschiedenen Standorten betreut wahrnehmen können. Offen bleibt, mit welchem Test eigentlich die Studierfähigkeit eines Bewerbers nachgewiesen werden soll und wie viel Geld Wankas Ministerium dafür investieren will.
Fest steht: Hochschulen sind für Bildung zuständig, nicht für aufenthaltsrechtliche Fragen, zu diesem Kerngeschäft sollten sie wieder zurückkehren. Bis zum KMK-Beschluss im vergangenen Dezember sahen sie sich nicht in der Pflicht, dem aufenthaltsrechtlichen Status Relevanz beizumessen. So prüften beispielsweise die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen nur das Hochschulrecht betreffende Fragen; selbst ein vor Studienabschluss endender Aufenthaltstitel hatte bisher keinen Einfluss auf den hochschulrechtlichen Status des Studierenden.
Ob bei der Bewerbung um einen Studienplatz oder im Studium – die Hochschulen müssen Wege finden, sich denen zu öffnen, die (noch) nicht Deutsch sprechen können. Englischsprachige, auch mehrsprachige Lehrangebote sowie Deutschkurse könnten dazu beitragen, bessere Studienbedingungen und -chancen zu schaffen.
Spezifische Bedürfnisse
Geflüchtete leben oft randständig, das heißt sie brauchen finanzielle und strukturelle Hilfen, z. B. bei der Wohnungssuche, über Stipendien und durch Verzicht auf Immatrikulations- und Sprachtestkosten. Rechtliche und psychosoziale Beratungen lassen sich zudem in Zusammenarbeit mit außeruniversitären Einrichtungen entwickeln.
Hochschule zu öffnen, bedeutet auch immer, das Gesamtgefüge der Institution im Blick zu haben. Dazu gehört es, dass Lehrende Möglichkeiten des Austauschs und der migrationssensiblen Weiterbildung erhalten. Eine rassismuskritische Beschäftigung mit der Institution, dem Handeln, den „Wissensbeständen“ und den Haltungen ist dabei unabdingbar. Eigentlich sollte das längst zum Alltag der Hochschulen gehören.
Susanne Spindler, Professorin für Soziale Arbeit, Hochschule Darmstadt
*Frankfurter Rundschau 25. Juni 2015 und www.studierenin- niedersachsen.de/ fluechtlinge.htm
**Gemeinsame Pressemitteilung 12. August 2015; www.unisaarland. de/service/asyl-stud. html
***www.kmk.org/aktuelles.html: Beschluss vom 3. Dezember 2015
****vgl. www.hs-magdeburg.de/ hochschule/international/ wege-an-die-hochschule/ studium-fuer-gefluechtete.html
*****www.hu-berlin.de/de/pr/ pressemitteilungen/pm1508/ pm_150827_00
Literaturhinweis: Borgwardt, Angela/ John-Ohnesorg, Marei/ Zöllner, Jürgen (2015): Hochschulzugang für Flüchtlinge. Aktuelle Regelungen in den Bundesländern. Reihe Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung
Der Artikel erschien in der E&W 02/2016
Foto: © Tim Reckmann / www.pixelio.de