Sozialdemokratische Demokratie(miss)verständnisse?

17. Februar 2014Von: Thema: Hochschule und Forschung
DiskussionsteilnehmerInnen der Veranstaltung

Beitrag der Fachgruppe Hochschule und Forschung

Die Wissenschaftsbehörde beschreibt Inhalt und Prozess rund um das Werden des neuen Hamburgischen Hochschulgesetzes als offen, transparent, dialogisch und demokratische Strukturen stärkend.

Akteure der Gewerkschaften, der Asten, der Konferenz des akademischen Personals und andere interessierte Hochschulmitglieder sehen dies nicht so. Sie trafen sich am 6.2.2014 in den Räumlichkeiten der GEW zur Diskussion mit Philipp-Sebastian Kühn, Fachsprecher für Wissenschaft und Forschung der SPD-Fraktion, Schriftführer des Wissenschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft.

Diskutiert wurde vornehmlich über Verständnisse /Un- und Fehlverständnisse demokratischer Prinzipien.

Im Verlauf des Austauschs darüber zeigte sich erstens, dass die Gesetzgebungsbeteiligten mitunter Mitwirkungs- und Entscheidungsmöglichkeiten des Hochschul-Demos mit dem Ruf nach Transparenz gleichsetzten. Zweitens, dass Einschätzung der als demokratisch-repräsentativ erhobene Ergebnisse gedeutet werden. Drittens zeigte sich, dass die erst unter öffentlichem Druck entstandenen Beteiligungsverfahren als von vornherein dialogisch und partizipativ  kommuniziert wurden und  dass viertens  das Entscheidungsprinzip ‚Mehrheit‘ nach Gutdünken benutzt wird.

Daneben wurde an diesem Abend auch die Hierarchisierung von Forschung gegenüber Lehre/Bildung, Exmatrikulationsregeln sowie Zivilklauselnerörtert.

Im Konkreten ging es um Folgendes:

Realisierung demokratischer Prinzipien in den Hochschulen

  • Die Notwendigkeit der dritten Ebene wurde von Seiten der GEW, KAP und Verdi als Muss-Bestimmung eingefordert.
  • Die aufwendige Semantik um Begrifflichkeiten wie Fachbereiche und Institute wurde kritisch hinterfragt.
  • Führungs- Leitungsebenen sind demokratisch zu wählen und nicht top-down zu bestimmen. Mitbestimmung sei gesetzlich vorzugeben und nicht den Entscheidungen (nicht-demokratisch-gewählter) Hochschulleitungen zu überlassen.

Kühn entgegnete auf diese beiden Punkte, dass er die Forderung nach einer Muss-Regelung mitnehmen würde. Die begriffliche Offenheit sei der Pluralität der HHer Hochschullandschaft und des heterogenen hochschulpolitischen Meinungsfeldes geschuldet - Kompromisse wären notwendige Effekte dieser Pluralität.

  • Frühere Ideen einer demokratischen Hochschule, auch als Modell demokratischer gesellschaftlicher Prozesse, würden im Gesetz nicht wiedergefunden.

Kühn entgegnete, dass diese Ideen in der Diskussion des Wissenschaftsausschusses nicht verfolgt wurden, also die Beteiligung aller Hochschulangehörigen nicht angestrebt wurde. Diese fehlende demokratische Ausrichtung würde, so wiederrum das Plenum z.T. hinter die Ziele hochschulpolitischen Reformen von 1969 Jahre zurückfallen. Es wurde empfohlen, die Einrichtung von Konzilen resp. von Konventen zu überdenken.

  • Hochschulräte, in denen v.a. ökonomische Interessen einzelner Unternehmen vertreten sind, erscheinen als wenig geeignet, inhaltliche Belange von Hochschulen zu steuern, so die Meinung vieler TeilnehmerInnen. An vielen Stellen werde zudem wirkliche demokratische Mitsprache vermisst, die häufigen Verweise auf Transparenz wurden als Instrument zur Verweigerung von Partizipation gedeutet.

Vergeblich wartete das Publikum auf Kühns Antwort zur Frage, warum der Gesetzesentwurf keinen Wirtschaftsausschuss etablieren wolle, Mitsprache des Hochschul-Demos, der Personalräte bei der Verteilung und Steuerung der Finanzen somit nicht ermöglicht werde. Immer wieder wurde von Kühndiesbezüglich auf Transparenz verwiesen, schließlich müsse der Hochschulrat verpflichtend Bericht erstatten..

Hierarchisierung von Forschung gegenüber Lehre; Abhängigkeiten der Forschung von der Wirtschaft

  • Das Plenum kritisierte die unzureichende Hochschulfinanzierung, vor allem im Lehrbereich zeigten sich negative Effekte der Unterfinanzierung.
  • Im Bereich notwendiger Forschung wären die Hochschulen bspw. auf Drittmittelforschung durch die Pharmaindustrie angewiesen, weil ohne sie beispielsweise nicht zu bestimmten Kindererkrankungen geforscht werden könne.
  • Jüngere wissenschaftliche MitarbeiterInnen berichteten, dass ihnen die Vorgesetzten zur Priorisierung von Forschung gegenüber Lehre rieten. Der wissenschaftliche Mittelbau würde zudem durch ‚Erfindung‘ immer neuer unterer Beschäftigungskategorien, durch Befristung und hohe Lehrverpflichtungen stark geschwächt.
  • Hochschulen als Lehr- und Bildungseinrichtungen würden hierdurch ausgehöhlt, Studierende würden sich aber erfahrene DozentInnen und personelle Kontinuität wünschen, die Lehre und Forschung zusammen denken und praktizieren könnten.

Exmatrikulationsandrohung beschränkt Entfaltungsnotwendigkeit

  • Die häufig formulierte Langzeitstudierende würden Mehrkosten für die Hochschulen produzieren, sei widerlegt, so ein Diskussionsteilnehmer. Handlungsdruck bestehe in dieser Thematik nicht. Die jetzige Erhöhung des Drucks auf Studierende führt dazu, dass die Entfaltung und politische Beteiligung eingeschränkt werde. Die Exmatrikulationsandrohung (z.B. an der HAW nach doppelter Semesterzahl) produziere nur einen Bildungsprozessen nicht zuträglichen Druck zwischen Lehrenden und Lernenden.

Fehlende Zivilklauseln befördern hochschulische Beteiligung an Krieg

  • Kühn wurde mit der These konfrontiert, die SPD würde sich nicht für den Frieden einzusetzen, da sie sich nicht für die Einführung von Zivilklauseln an Hochschulen einsetze. Transparenz bestünde hier nicht, da Akteure in militärischen Forschungsprojekten an Hochschulen Verschwiegenheitsklauseln unterschreiben müssten, auch die Einführung von Ethikräten sei weder ausreichend noch würde sie politisch gefordert.

Kühn entgegnete, dass die Zivilklauseln militärische Forschung in den privatwirtschaftlichen Bereich drängen würde und dann keinerlei Kontrolle möglich sei, zudem gäbe es keine gesellschaftlichen Mehrheiten für die Abschaffung des Militärs, was Forschungsbelange begründet. Diesem Argument wurde entgegnet, dass das finanzstarke Militär die Forschung selbst bezahlen sollte, solange sie nicht verboten würde.

Rahmenbedingungen des Wissenschaftlichen Mittelbaus

  • Die Veränderungen des § 28 mit seinen Aussagen zu (Mindest-) Umfängen und Laufzeiten von Verträgen für WissenschaftlerInnen in der Qualifizierungsphase wurde vom Moderator der Diskussion sowie von weiteren TeilnehmerInnen ausdrücklich begrüßt. Dieser Schritt zu verbesserten Rahmenbedingungen wird als Ergebnis der „Code of Conduct“-Gruppe gewertet und die SPD ist aufgefordert, diese auch im Ländervergleich positive zu wertende Initiative weiter auszubauen. 

Die Diskussion endete mit der Forderung an Kühn, insbesondere die von den Diskutanten eingebrachten Argumente gegen eine nur vermeintliche Demokratisierung der Hochschule  auch in  Verbindung mit den 55 z.T. sehr kritischen Stellungnahmen der Hochschulen zu bedenken und weiterzugeben. Demokratische Mitbestimmung im Hochschulbereich müsse mindestens Mitbestimmungsrechte in Haushaltsangelegenheiten, in der Wahl der Führungspersonen sowie in der Gestaltung der Struktur- und Entwicklungsplanungen liegen, so ein Vertreter der Fachgruppe Hochschulen und Forschung – alle drei Punkte sind durch die vorgeschlagene Novellierung des HmbHG nicht, oder nur sehr unzureichend, gewährleistet. Das Demokratieverständnis, wie es seitens der Sozialdemokraten in die Reform des Hamburgischen Hochschulgesetz hineingeschrieben wurde, erzeugte, zusammenfassend betrachtet, Unverständnis und bescheinigte demokratische Fehlverständnisse.

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Das Foto zeigt Diskussionsteilnehmer_innen und wurde von Sylvia Lässig erstellt.