"Schamlose Ausbeutung von Wissenschaftler_innen"

07. Februar 2012Von: PresseredaktionThema: Hochschule und Forschung
GEW zur Großen Anfrage der GAL-Bürgerschaftsfraktion

"Diese Drucksache führt die dramatische Lage an Hamburgs Hochschulen deutlich vor Augen“, kommentiert Fredrik Dehnerdt, zweiter stellvertretender Vorsitzender der GEW Hamburg die Antworten des Senats auf die Große Anfrage der GAL-Bürgerschaftsfraktion "Traumjob Wissenschaft? Zur Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hamburger Hochschulen". Der Hochschulexperte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft begrüßt es, dass die GAL die Drucksache  20/2267 für die Bürgerschaftssitzung in dieser Woche zur Debatte angemeldet hat. "Schon jetzt ist klar, dass der Senat enormen Handlungsbedarf hat: Er muss unbedingt die Reform von Personalstruktur und Berufswegen an den Hamburger Hochschulen einleiten. Hamburg ist in der Pflicht, dem zunehmenden Befristungsunwesen und der schamlosen Ausbeutung von Wissenschaftler_innen ein Ende zu setzen."

Dehnerdt verweist vor allem auf die dramatische Entwicklung in Bezug auf die Befristung der Stellen im Mittelbau. Waren die Doktorand_innen- und die Projektstellen bereits in der Vergangenheit immer befristet, so stieg der prozentuale Anteil befristeter Stellen von 2006 bis 2011 bei den Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen für die Lehre von 58 auf 79 Prozent, so dass bezogen auf den Mittelbau insgesamt neun von zehn Kolleg_innen befristet beschäftigt sind (89 Prozent). "Dreist", so Dehnerdt, sei die Behauptung des Senates, dass Meldungen über eine sehr hohe Quote von Kurzzeitbefristungen im Bundesgebiet deutlich von den Daten der Hamburger Hochschulen abwichen: "Der Senat nimmt einfach alle drittmittelfinanzierten Stellen aus seinen Berechnungen heraus und biegt sich die Zahlen zurecht."

Die Lehre werde, so Dehnerdt weiter, neben den Professor_innen und dem Mittelbau auch von einer zunehmend größer werden Gruppe von Lehrbeauftragten getragen, die in keinem Arbeitsverhältnis mit der Universität stehen, sondern einen besoldeten oder unbesoldeten Lehrauftrag ausführen. Deren Anteil an der Lehrverpflichtung der Universität insgesamt wird in der Drucksache für 2011 mit 12 Prozent angegeben, was bedeutet, dass ein relevanter Anteil aller Lehrveranstaltungen unter- bzw. unbezahlt (!) und ohne eine Anstellung bzw. Mitgliedschaft an der Universität erbracht wurde.

Die Forderungen der GEW: Wissenschaftliche Mitarbeiter_innen für die Lehre müssen längere Befristungszeiträume erhalten. Zudem sollten alle Stellen, auf denen Daueraufgaben verrichtet werden, entfristet und mehr Vollzeitstellen geschaffen werden. Wissenschaftliche Mitarbeiter_innen auf (drittmittelfinanzierten) Projektstellen müssen Vertragslaufzeiten erhalten, die sich mindestens an der jeweiligen Projektdauer orientieren, um eine relative Sicherheit des Arbeitsplatzes mindestens für diesen Zeitraum zu gewährleisten. Lehraufträge sollten grundsätzlich bezahlt erfolgen. Es müssen mehr Stellen im Mittelbau geschaffen werden und die Kategorie der Lehrbeauftragten ‚rückverwandelt‘ werden in ihre ursprüngliche Funktion: Vertreter_innen aus der beruflichen Praxis lehren neben dem Beruf – nicht neben der Arbeitslosigkeit.

 

Kontakt: Fredrik Dehnerdt 0176-23821808