Bereits im Juni hat die Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF) einen Entwurf „Strategische Perspektiven für die hamburgischen Hochschulen bis 2020“ vorgelegt, das von den Gewerkschaften, den Hochschulgremien und der Hochschulöffentlichkeit während der Sommer- und Semesterferien kommentiert werden sollte. In diesem Papier versucht die Behörde, Eckpunkte für die zukünftige Entwicklung der Hochschulen zu skizzieren. In der Einleitung heißt es: „Dauerhafter Erfolg in Lehre, Forschung und Transfer ist nur mit gut aufgestellten Hochschulen möglich, die über ausreichend Planungssicherheit für eine längerfristige Entwicklung verfügen.“ Wird das Papier diesem Anspruch gerecht?
Die GEW begrüßt grundsätzlich, dass die Behörde versucht, strategische Perspektiven der Hamburger Hochschulen zu skizzieren. Leider jedoch enthält der Entwurf kaum Perspektiven, da neben der Aufzählung neuer Aufgaben für die Hochschulen völlig unklar ist, wie diese finanziert werden sollen. Völlig unverständlich ist daneben, dass der Fehler des Dohnanyi-Gutachtens von 2003, das Studienplatzangebot am prognostizierten Fachkräftebedarf in Hamburg auszurichten, wiederholt wird. Solcherlei Prognosen haben, wie die letzten Jahre zeigten, eine nur sehr kurze Halbwertszeit und es besteht die Gefahr, an der tatsächlichen Nachfrage vorbei auszubilden. Darüber hinaus kommt die Behörde weiterhin nicht ihrem Versprechen nach, die rechtlichen Voraussetzungen für einen direkten Übergang vom Bachelor zum Master zu schaffen. Dass zudem die Rückmeldefrist für Stellungnahmen, die in den Entwurf einfließen können, in die Sommer- und Semesterferien gelegt wurde, zeigt wieder einmal, dass die Behörde auch bei langfristigen Entscheidungen die Hochschulgremien systematisch unter Zeit- und Entscheidungsdruck setzt. Wertschätzung sieht anders aus.
Die Anforderungen, die das Papier an die Hochschulen stellt, sind in sich widersprüchlich. Einerseits wird immer wieder die Autonomie der Hochschulen hervorhoben, andererseits mit zahlreichen „Muss und Soll“-Vorgaben in eben diese Autonomie eingegriffen. Dass dies zu einer Verstimmung an den Hochschulen geführt hat, ist gut nachzuvollziehen. Widersprüchlich ist ebenso, dass wieder einmal neue Anforderungen an die Hochschulen herangetragen werden, ohne deren Finanzierung zu gewährleisten. So soll wieder einmal eine Steigerung von Leistungen bei sinkendem Budget erfolgen, ohne andere Forderungen wegfallen zu lassen oder mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Die bestehenden Hochschulvereinbarungen sehen bis 2020 einen jährlichen nominalen Aufwuchs von 0,88% vor, was einer reellen Reduktion des Budgets entspricht. Planungssicher ist somit ein Abwuchs, der von der Politik unrichtigerweise als Aufwuchs bezeichnet wird. Wie sollen Perspektiven ohne zukunftsweisende Finanzmittel und Strukturvoraussetzungen geschaffen werden?
Die Reaktionen auf das Papier fallen dem entsprechend aus: Der Akademische Senat der Universität teilte in seiner Stellungnahme vom 10. Juli mit, dass eine Perspektivplanung grundsätzlich sinnvoll ist, ein solcher Prozess „jedoch eine kooperative Verständigung auf gleicher Augenhöhe, gegenseitige Wertschätzung und Redlichkeit in der Auseinandersetzung voraus“ setzt, was er bei der Erstellung des vorliegenden Papieres nicht erkennt. Das Präsidium der Universität teilte in seiner Stellungnahme vom 27. August mit, dass das Papier weder eine Wertschätzung der Universitätsmitglieder erkennen lässt, noch sich zu den entscheidenden Verpflichtungen des Staat, zukunftsweisende Finanzmittel und Strukturvoraussetzungen zu schaffen, äußert. Sie gipfelt in der Forderung, „dieses ‚Perspektivpapier‘ unverzüglich zurückzunehmen“. Auch der AStA der Uni stellte am 1. September fest, dass es „absurd ist, dass die Senatorin Anforderungen an die Hochschulen formuliert, ohne je über deren Finanzierung reden zu wollen“, und bündelt somit die Kritik von Seite der Hochschulleitung wie auch der GEW.
Fazit: Um Zukunftsperspektiven zu entwickeln, müsste weit über eine halbe Milliarde Euro an Investitionsmitteln zur Sanierung der Infrastruktur bereitgestellt werden, ebenso müssten die gesetzlichen Voraussetzungen für einen garantierten Masterstudienplatz geschaffen werden. Doch vorerst sollte es der Behörde darum gehen, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen und mit den Hochschulangehörigen ins Gespräch zu kommen. Eine Kommunikation über die Presse nützt niemandem.
Darüber hinaus müsste grundsätzlicher nachgedacht und nicht nur halbherzig populistische Forderungen aufgewärmt werden. Wenn man schon stetig basteln möchte, dann braucht es verlässliche Finanzierung, verlässliche Grundstrukturen und eine tatsächliche Freistellung der Uni in ihren Organisationsstrukturen und nicht eine „Seht-Zu-und übrigens wollen- wir- dies- und-das-Mentalität“. So entfernt man sich auf jeden Fall weiter von der Umsetzung des klassischen Bildungsideals.
Fredrik Dehnerdt und die Fachgruppe Hochschule und Forschung der GEW Hamburg
Foto: www.uni-hamburg.de/PSV/PR/Presse/Unihh/4_99/philo.html