„Moderieren kommt von ‚Moderare‘ – Mäßigen“

25. Januar 2014Von: WebredaktionThema: Hochschule und Forschung
Die Behörde für Wissenschaft und Forschung lud am 30. Oktober rund 150 von den Hochschulen benannte Repräsentantinnen und Repräsentanten des Hochschulalltages in die Handwerkskammer zur Diskussion der Neufassung des Hamburger Hochschulgesetzes (HmbHG)
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Dass die Senatorin mit dem bisher vorgelegten Referentenentwurf zur Novellierung des Hamburger Hochschulgesetzes ein Akzeptanzproblem bekommen könnte, haben inzwischen zahlreiche Erklärungen der unterschiedlichsten Hochschulgremien deutlich gemacht. Nicht zuletzt die unter Mitwirkung der GEW verfasste Stellungnahme des DGB zum Gesetzentwurf hat die große Enttäuschung verdeutlicht. Denn der Referentenentwurf bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, die die Senatorin und der Senat insgesamt in Wahlprogramm und Regierungserklärung geweckt hatten: „Unter sozialdemokratischer Verantwortung werden die gewählten Hochschulgremien die Entscheidungskompetenz über grundlegende Fragen (…) zurückerlangen“, war dort angekündigt worden. Stattdessen sieht der Entwurf nun eine Konzentration fast aller entscheidenden Kompetenzen, wie z. B. die Beschlussfassung über die Wirtschaftspläne,  in der Hand des Präsidenten vor. Der Hochschulrat behält entscheidende Einflussmöglichkeiten. Mit akademischer Selbstverwaltung und Hochschulautonomie hat das herzlich wenig zu tun. Kein Wunder, dass sich weite Teile der Hochschulöffentlichkeit gefoppt fühlen und dies in deutlichen Stellungnahmen auch zum Ausdruck brachten.

Vor diesem Hintergrund lud die Senatorin zu einer „Fachkonferenz zur Reform des Hochschulgesetzes“ am 30. Oktober in die Handwerkskammer ein. Übrigens unter ausdrücklichem Ausschluss der Gewerkschaften, was letztlich nichts nutzte, denn unter den von den Hochschulen entsandten Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser Veranstaltung waren natürlich auch zahlreiche Angehörige der DGB-Gewerkschaften.

Die für die Fachkonferenz engagierte Moderatorin fasste das wohl wesentliche Anliegen dieser Veranstaltung einleitend treffend zusammen: Das Wort Moderieren leite sich vom lateinischen „moderare“, also von „mäßigen“ ab. Damit war wohl in erster Linie die Mäßigung des politischen Widerstandes gemeint, den der Gesetzentwurf ausgelöst hat. Dieser Eindruck dürfte sich für die meisten der rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer schon bei der Diskussion in den vier Arbeitsgruppen, in die sich die Veranstaltung nach dem Auftakt teilte, weiter vertieft haben. Sie waren überschrieben mit „Zentrale Organe“, „Fakultäten“, „Studium und Lehre“ sowie „Personal“.

Die abschließende Präsentation der AG-Ergebnisse im Plenum steigerte die Befürchtungen über den Charakter dieser Veranstaltung zusätzlich, denn sie lieferte oft nur noch von den Moderatoren weichgespülte Ergebnisse der z. T. sehr kritisch geführten AG-Debatten. Doch an dieser Stelle war zumindest noch erkennbar geblieben, dass die meisten geladenen Hochschulangehörigen wesentliche Teile der breit geäußerten Kritik am Gesetzentwurf teilten. Professor Frank Nullmeier z. B. hob als Ergebnis der AG „Zentrale Organe“ hervor, dass sich das Kollegialgremium Präsidium bewährt habe. Die Reduktion seiner Funktionen auf die Einzelperson des Präsidenten, wie der Novellierungsentwurf es vorsieht, wurde dagegen als deutliche Verschlechterung angesehen. Die Stärkung der Kompetenzen und der Stellung der Präsidentin oder des Präsidenten sei von der Mehrheit abgelehnt worden. Ein Dekan der HAW brachte in der AG „Fakultäten“ seine Sympathien für viertelparitätisch besetzte Gremien aus Professorinnen und Professoren, akademischem Mittelbau, Technischem und Verwaltungspersonal und Studierenden zum Ausdruck. Dies garantiere besser als jede andere Lösung wirkliche Partizipation der Hochschulangehörigen an den Entscheidungen und damit auch an ihrer Umsetzung. Damit brachte er eine zentrale Forderung, für die auch die GEW eintritt, auf den Punkt. Die Findung von Kandidatinnen oder Kandidaten für das Amt des Dekans oder der Dekanin sowie deren Wahl müsse Sache der Fakultätsräte (und nicht etwa hälftig vom Präsidenten zu beschickender Kommissionen) sein. Die AG Personal thematisierte u.a.  die angesichts der zahlreichen Belastungen des wissenschaftlichen Mittelbaus unsinnige Befristung von Promotionsstellen auf drei Jahre, wobei auf den halben Stellen Promotionszeit WÄHREND der Arbeitszeit vorzusehen sei. Insgesamt ist die Zahl der Befristungen zu reduzieren. Daueraufgaben in Forschung und Lehre müssen von unbefristet Beschäftigten wahrgenommen werden. Die AG „Studium und Lehre“ hielt als erstes Ergebnis fest, dass die restriktiven Bestimmungen des Gesetzentwurfes zurückgenommen werden müssten. Ausdrücklich wurde die Möglichkeit von Zwangsexmatrikulationen als inakzeptabel gekennzeichnet.

All das würde die kritische Hochschulöffentlichkeit auch nach der Veranstaltung natürlich gerne einmal nachlesen können. Zum Abschluss der Veranstaltung richtete sich daher die Frage an die Senatorin, ob die Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen auch an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung zurückgemeldet würden. Hierauf antwortete die Senatorin, dass alle Vorschläge für die Überarbeitung des Gesetzentwurfes sehr genau geprüft würden. Der Zeitplan binde aber die Personalressourcen in der Behörde so stark, dass eine Rückmeldung an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht möglich sei. Auf Nachfrage eines GEW-Mitgliedes bei der Behörde wurde dann doch noch der Hinweis auf einen versteckt liegenden Link übermittelt, der erlaubt Einblick in das Ergebnisprotokoll zu nehmen. Während es in einigen Teilen sehr eng an die zum Abschluss präsentierten Folien angelehnt ist, fehlt  dieser Zusammenfassung zumeist die Klarheit, der in den  AGs formulierten Kritik am Gesetzentwurf.

Ob die Veranstaltung und die mäßigen(den) Moderatoren ihre behördliche Mission mithin erfüllt haben, bleibt abzuwarten. Noch ist nicht spürbar geworden, dass das Verständnis für den Gesetzentwurf unter den Hamburger Hochschulangehörigen durch diese Veranstaltung gewachsen wäre. Es ist dem Senat und dem Bürgermeister dieser Stadt vielmehr zu wünschen, dass er selbst seinen Wunsch mäßigt, die Orte von freier Wissenschaft und Lehre zum Zweck der  Emanzipation der Gesellschaft,  zu Verwaltungsgliederungen der Freien und Hansestadt Hamburg (mit dem Präsidenten als obersten Vorgesetzten) zu machen. Wer solche Ansätze verfolgt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er den Sinn und Zweck sowie das eigentliche Wesen und die Funktion von den Korporationen, die in diesem Land als Stätten von Forschung und Lehre dienen wollen und Hochschulen und Universitäten genannt werden, im Kern nicht verstehen will.