„Langfristige Arbeitsverträge? Dann müssen wir aber die Probezeit ernst nehmen…“

Der Code of Conduct für gute Arbeit in der Wissenschaft wirkt
Logo

Mit dem Ziel der Verbesserung der Beschäftigungssituation von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen haben VertreterInnen der staatlichen Hamburger Hochschulen, der Behörde für Wissenschaft und Forschung (Federführung), der Gewerkschaften und Personalräte von März bis Dezember 2013 in einer Arbeitsgemeinschaft unter dem Titel „Gute Arbeit an Hamburgs Hochschulen“ eine Verständigung über eine Reihe konkreter Maßnahmen erzielt. Diese zielen zum einen auf gesetzliche Regelungen im Hamburgischen Hochschulgesetz (HmbHG), zum anderen auf einen Code of Conduct, d.h. eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hochschulen (hlz 8-9/2013, 12/2013 und 1-2/2014). Die gesetzlichen Änderungen wurden mit der Novelle des Hochschulgesetzes im Sommer 2014 wirksam, die Regelungen des Code of Conduct wurden in die Ziel- und Leistungsvereinbarungen integriert, die zwischen der Behörde und den Hochschulen vereinbart werden, sowie an einigen Hochschulen auch in den jeweiligen Akademischen Senaten behandelt und beschlossen. Nun, gut ein Jahr nach Abschluss der AG-Arbeit, hat die Behörde zu einem Treffen geladen, auf dem es um die Umsetzung der Maßnahmen geht. Gehen die Hochschulen nun verantwortungsbewusster mit ihrer Personalverantwortung um? Wirkt der Code?

 

Vereinbarte Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen (Kasten)

Für wissenschaftliche MitarbeiterInnen mit dem Ziel der Promotion wurde gesetzlich festgelegt, dass in Zukunft alle Promotionsstellen mindestens halbe Stellen sein müssen und mindestens ein Drittel der Arbeitszeit für das Verfassen der Dissertation zur Verfügung stehen muss.

Für wissenschaftliche MitarbeiterInnen mit dem Ziel der Habilitation wurde gesetzlich verankert, dass ihre dreijährige Vertragslaufzeit um weitere drei Jahre verlängert wird, wenn ihre Arbeitsergebnisse positiv evaluiert werden.

Für alle anderen wissenschaftlichen MitarbeiterInnen wurde der Satz in das Hochschulgesetz aufgenommen, dass, wenn „überwiegend Daueraufgaben in Forschung und Lehre wahrgenommen werden, […] hierfür Stellen zur unbefristeten Beschäftigung vorzuhalten“ sind. Im Code of Conduct wurde festgehalten, dass die Hochschulen Abweichungen von unbefristeter Beschäftigung bei Daueraufgaben regelmäßig evaluieren sollen.

Für wissenschaftliche MitarbeiterInnen auf (drittmittelfinanzierten) Projektstellen wurde im Code of Conduct festgehalten, dass die Laufzeit von Verträgen der Laufzeit der Projektmittel entsprechen muss.            

Für Lehrbeauftragte wurde im Code of Conduct festgeschrieben, dass ein angemessener Vergütungsanspruch besteht. Darüber hinaus verpflichteten sich die Hochschulen, den Umfang der Lehraufträge zu evaluieren und darüber zu berichten.

 

Wird geliefert? Fragen zur Umsetzung des Code of Conduct

Für die Sitzung im Januar 2015 hat die Behörde im Vorfeld Fragen zur Umsetzung des Code of Conduct verschickt und die in der AG beteiligten VertreterInnen der Uni Hamburg, der TU Hamburg-Harburg sowie der Hafencity Universität (HCU) gebeten, diese zu beantworten. Im Folgenden wird auf die Antworten der Universität Hamburg, der mit Abstand größten Hamburger Hochschule, eingegangen sowie auch auf die Diskussionen in der AG.

 

Für wissenschaftliche MitarbeiterInnen mit dem Ziel der Promotion, so der Kanzler der Uni,  gelte nun, dass der Erstvertrag bei DoktorandInnen grundsätzlich drei Jahre bei einem Beschäftigungsumfang von mindestens 50 Prozent laufe. Dieses ist so auch in den Musterausschreibungstexten geregelt, so dass sichergestellt wird, dass sich alle Bereiche daran halten. Abweichungen müssen mit dem Personalrat für das Wissenschaftliche Personal  (WIPR) abgestimmt werden; es darf nur in begründeten Ausnahmen davon abgesehen werden. Was den Zeitanteil für das Verfassen der Dissertation betrifft, so sei hier noch ‚Überzeugungsarbeit‘ in den Fakultäten zu leisten. Das Dekanat der juristischen Fakultät ließ verlauten, dass dies wegen der Fülle an Aufgaben „nicht gehe“, der Kanzler stellte in der AG fest, dass es dennoch klappen sollte. Wem der gesetzlich verankerte Anspruch nicht zugestanden wird, solle sich zuerst beim Dekanat und folgend beim Kanzler melden.

 

Für wissenschaftliche MitarbeiterInnen mit dem Ziel der Habilitation wurde festgestellt, dass die Bewertungsverfahren in fachlicher Zuständigkeit in den Fakultäten durchgeführt werden, dort jedoch nach erfolgreichen drei Jahren nicht immer für weitere drei, sondern teilweise nur für ein oder zwei Jahre verlängert werde. Hier sagte der Kanzler zu, die Verwaltung dementsprechend anzuweisen.

 

Zur Entfristung von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, sofern sie Daueraufgaben verrichten, berichtete der Kanzler von einem Bewusstseinswandel bei den DekanInnen. Deren Antwort auf die Anforderung unbefristete Verträge zu vergeben lautete lapidar: „Langfristige Arbeitsverträge? Dann müssen wir aber die Probezeit ernst nehmen…“. So ist es. Wie der Kanzler ausführte, ist mit dem Personalrat für das Wissenschaftliche Personal  (WIPR) vereinbart, für den Zeitraum bis zum Jahresende 2015 für befristete Beschäftigung auf Stellen mit Daueraufgaben eine Begründung durch die Beschäftigungsbereiche einzureichen. Es ist zudem vereinbart worden, dass die Begründungen zunächst bis zum Jahresende gesammelt werden und dann eine Evaluation stattfinden soll. Die Frage, wie viele der auf befristeten Stellen wahrgenommenen Daueraufgaben in eine unbefristete Beschäftigung überführt worden sind bzw. für wieviel Stellen dies konkret beabsichtigt ist, konnte nicht beantwortet werden. Es gäbe diese Fälle, aber eine Erfassung, ob befristete Beschäftigungsverhältnisse in unbefristete überführt wurden, bildeten die derzeitigen Datensysteme nicht ab. Hier wird die GEW weiter nachfragen. Aus unserer Sicht sind alle Aufgaben Daueraufgaben, außer im Einzelnen definierte Aufgaben, wie Qualifizierung oder Drittmittelforschung.

 

Für wissenschaftliche MitarbeiterInnen auf (drittmittelfinanzierten) Projektstellen wurde festgehalten, dass, wenn festgestellt wird, dass Projekt- und Vertragslaufzeit nicht übereinstimmen, die Anforderung einer Begründung durch den Bereich erfolgt. Diese Begründungen werden dem Personalrat für das Wissenschaftliche Personal (WIPR) eingereicht. Erkennbar wurde in der Diskussion das Bestreben der Personalverantwortlichen, nun innerhalb von Projekten Teilprojekte zu definieren, um die getroffene Regelung zu unterwandern. Hier wird die Zukunft zeigen, wie die Projektverantwortlichen mit den Vorgaben umgehen. Auch hier wird die GEW am Ball bleiben und die Entwicklung beobachten.

 

Für Lehrbeauftragte wurde festgestellt, dass die Pflicht, hierüber gegenüber der Behörde zu berichten, mit den Ziel- und Leistungsvereinbarungen 2015/16 erstmals von der BWF vorgesehen ist.

 

Der Code wirkt!

Seit 2010 setzt sich die GEW mit dem Templiner Manifest (www.templiner-manifest.de) für den „Traumjob Wissenschaft“ ein. 2012 haben wir mit dem Herrschinger Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ (www.herrschinger-kodex.de) aufgezeigt, wie jede Hochschule und jede Forschungseinrichtung für berechenbare Karrierewege und stabile Beschäftigungsbedingungen sorgen kann. Im 2013 beschlossenen Aktionsprogramm zur Umsetzung des Templiner Manifests (www.gew.de/Page25707.html) haben wir Bund, Ländern, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und den Tarifpartnern konkrete Schritte auf dem Weg zum Traumjob Wissenschaft vorgeschlagen, außerdem im Köpenicker Appell (www.gew.de/Koepenicker_Appell.html) drei Sofortforderungen an die neue Bundesregierung adressiert. Steter Tropfen höhlt den Stein. Heute leugnet niemand mehr die massiven Probleme, Verbesserungen werden in Aussicht gestellt – das Templiner Manifest wirkt in Bund, Ländern und an den Hochschulen. Der Hamburger Code ist ein Erfolg auch der bundesweiten Aktivitäten der GEW für den „Traumjob Wissenschaft“.

 

Abschließend wurde in der AG die Vereinbarung getroffen, sich in einem Jahr erneut zu treffen, um die Umsetzung des Codes weiter zu diskutieren und gegebenenfalls nachzusteuern.

 

Fredrik Dehnerdt, stellvertretender Vorsitzender GEW Hamburg