Stellungnahme der GEW-Betriebsgruppe der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg zur Einrichtung eines Militärischen Sicherheitsbereiches
Die Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg (HSU/UniBw Hamburg) bietet angehenden Offizier*innen eine hochwertige akademische Ausbildung. Wie jede andere Universität, das müssen Mitarbeiter*innen auf Tagungen häufig erklären, stehen wir für die Einheit von Forschung und Lehre und genießen alle Freiheiten der Wissenschaft. Unsere Historiker*innen betreiben also weder vorrangig Militärgeschichte, noch ersinnen unsere Psycholog*innen Konzepte der psychologischen Kriegsführung. Wir haben weder einen militärischen Rang oder Auftrag noch eine Grundausbildung absolviert.
Unsere Arbeitgeberin, das Bundesverteidigungsministerium, hat nun aber die Einrichtung eines Militärischen Sicherheitsbereiches (MSB) an der HSU beschlossen. Wir befürchten, dass vieles fortan militärischer sein wird. Ein MSB bedeutet, dass das Betreten unseres Campus ohne Genehmigung verboten ist, während Personenkontrollen, Durchsuchungen und Schusswaffengebrauch erlaubt und die Grundrechte nach Maßgabe des UZwGBw (1) eingeschränkt sind. Auch wenn Befürworter*innen betonen, die Universität bliebe mit namentlicher Registrierung, Ausweiskontrolle und Überwachung des Campus weiter für die Allgemeinheit zugänglich, so sehen wir in der Einrichtung eines MSB große Risiken für unseren Bildungsauftrag, unseren Arbeitsalltag und unsere wissenschaftliche Glaubwürdigkeit.
Wissenschaftlich auszubilden heißt, Offenheit, Transparenz und Dialog zu lehren.
Eine Abschottung nach außen widerspricht dem Charakter einer Universität zutiefst. Um ihrem Auftrag der „Pflege und ... Entwicklung der Wissenschaften und der Künste durch Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat“ (§2, Abs. 1 HRG) nachkommen zu können, müssen Universitäten für die Öffentlichkeit transparent und allgemein zugänglich sein. Die Aushandlungen darüber, wo die Grenzen zwischen Gesellschaft und Militär verlaufen, können nicht allein ‚innerhalb‘ oder ‚außerhalb‘ der Bundeswehr geführt werden. Hierfür braucht es offene Orte des Denkens, der Begegnung und der Diskussion. Eine Universität, in der die militärische Logik dominiert, lässt diese Auseinandersetzungen nicht mehr zu. Anstatt sich abzuschotten und einen Staat im Staate zu fördern, wollte Helmut Schmidt, der Initiator und Gründer der Universität, genau diese Offenheit. Die Wichtigkeit dieser Haltung wird mit Blick auf Schlagzeilen über rechtsextremistische Vorfälle und Netzwerke in der Bundeswehr umso deutlicher.
Wissenschaftlich tätig zu sein heißt, Barrierefreiheit zu fördern.
Wenn wir personenbezogene Daten erheben, Interviews zu sensiblen Themen führen oder die Stadtgesellschaft zu unseren Veranstaltungen auf dem Gelände der HSU einladen, dann garantieren wir unseren Kolleg*innen, Interviewpartner*innen und Gästen im Zweifel Anonymität und Schutz. Diese Vertrauensarbeit ist elementar für unsere Forschung, aber auch für eine immer wichtiger werdende Wissenschaftskommunikation. Die Einlasskontrollen durch bewaffnetes Personal bringen dahingehend mannigfaltige Probleme für den Wissenschaftsalltag mit sich. Mittlerweile findet zwar eine breite Diskussion der Thematik in den Medien und den Parteien statt. Bisher kaum angesprochen ist allerdings die bildungs- und sozialpolitische Bedeutung der Bibliothek, die im sozialbenachteiligten Stadtteil Jenfeld in vorpandemischer Zeit auch von vielen Schüler*innen als außerschulischer Lernort genutzt wurde.
Sich wissenschaftlich zu qualifizieren heißt, in offenem Austausch zu stehen.
Aus unserer Perspektive als befristet beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter*innen fürchten wir zusätzlich, dass die Abschottung der Universität mit verstärktem Misstrauen in der Wissenschaftswelt einhergeht. Um aus unseren an der HSU erworbenen Qualifikationen beispielsweise den Nutzen einer unbefristeten Stelle an einer anderen Forschungs- oder Bildungseinrichtung ziehen zu können, sind wir aber gerade auf das Vertrauen in die Institution, an der wir uns qualifiziert haben, angewiesen. Doktorarbeiten brauchen die wissenschaftliche Diskussion wie die Luft zum Atmen. Wer beruft Professor*innen, die sich hinter verschlossenen Türen habilitiert haben? Bislang war der Bundeswehr ihr Alleinstellungsmerkmal einer offenen zivilen Universität, das sie auch als Arbeitgeberin interessant macht, wichtig. Doch wenn der Weg in Richtung Militärakademie geht, könnten sich manche Wissenschaftler*innen verabschieden.
Wissenschaftliche Arbeitnehmer*in zu sein heißt, die Universität zu gestalten.
Als Arbeitnehmer*innen gestalten wir die Universität aktiv mit. Daher sollten wir bei solch wichtigen und einschneidenden Entscheidungen des Bundesministeriums, wie der Einrichtung eines MSB, gehört und beteiligt werden. Doch: die Organe der universitären Selbstverwaltung (Fakultätsräte, Akademischer Senat) haben sich auf Initiative des akademischen Mittelbaus explizit gegen die Einrichtung eines MSB ausgesprochen – ohne Gehör zu finden.
GEW-Betriebsgruppe der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg
Hamburg, den 17.06.1021
(1) „Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen“, UZwGBw
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