„Her mit der Milliarde!“ – Mit diesem Aufruf hatte die GEW Ende April zum 7. Follow-up-Kongress des „Templiner Manifest“ für gute Arbeit in der Wissenschaft nach Berlin eingeladen. Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft haben über die Zukunft der Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen diskutiert. Dabei ging es nicht nur ums Geld.
GEW-Hochschulexperte Andreas Keller hob hervor, dass die Rechtsposition der Beschäftigten durch die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) gestärkt worden sei. Allerdings blieben viele Verbesserungen nach wie vor vage. Das Ziel, so Keller, sei also klar: Die Umsetzung des Gesetzes müsse aktiv begleitet werden.
Dazu hat die GEW ein Fünf-Punkte-Programm beschlossen. Es sieht unter anderem Unterstützung und Rechtsschutz für GEW-Mitglieder sowie Personal- und Betriebsräte vor. Zugleich fordert die Bildungsgewerkschaft Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf, den von der GEW vorgelegten Herrschinger Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ anzuwenden, um klare Berufsperspektiven zu schaffen und Befristungen einzudämmen. GEW-Vize Keller forderte: „Wir brauchen an den Universitäten zusätzlich 5 000 Tenure-Track-Professuren. Nur so können Bund und Länder einen wirksamen Impuls für die Schaffung verlässlicher Karrierewege geben.“ Auf einer Tenure-Track-Professur – dieses Instrument ist besonders im nordamerikanischen Raum verbreitet – können sich promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für den Hochschullehrerberuf mit einer Professur auf Lebenszeit qualifizieren. Erreichen sie die mit der Universität vereinbarten Ziele in Forschung und Lehre, wird ihre Stelle entfristet. Keller bezifferte die Kosten für die Professuren inklusive Ausstattung auf rund fünf Milliarden Euro. Vier Milliarden Euro mehr als die eine Milliarde, die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) für den geplanten Nachwuchspakt von Bund und Ländern versprochen hat.
Basis für Kellers Forderungen sind Berechnungen von Anke Burkhardt vom Institut für Hochschulforschung an der Martin-Luther- Universität an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die das Los vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler belegen: „Der staatliche Auftrag zu forschen und zu lehren, wird zu 60 Prozent von Trägern und Dritten finanziert. Das schlägt sich in den Beschäftigungsverhältnissen nieder“, so Burkhardt. Die Forscherin kommt zu dem Schluss, dass die Zahl der Professuren an Universitäten von derzeit rund 24 000 bis 2026 auf rund 42 000 erhöht werden müsse. Nur so könnten die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse reduziert und Perspektiven für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschaffen werden.
Steffen Krach (SPD), Staatssekretär für Wissenschaft in Berlin, verteidigte hingegen den Nachwuchspakt von Bund und Ländern. „Das WissZeitVG ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, der Nachwuchspakt ist ein weiterer“, unterstrich Krach. Es gehe dabei nicht nur um Tenure-Track-Stellen, sondern auch um Personalentwicklung. Doch musste auch der Staatssekretär zugeben, dass bei den Kosten für die 1 000 geplanten Tenure-Track-Stellen nicht viel zusätzlicher Spielraum vorhanden sei, um das Befristungsunwesen einzudämmen.
Chancengleichheit fördern
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machten während der Tagung eines besonders deutlich: Es kann nicht nur ums Geld gehen. An das von Bund und Ländern geplante Nachwuchsprogramm müssten vor allem qualitative Anforderungen gestellt werden. Zusätzliches Geld könne nur dann wirklich etwas verändern, wenn sich auch die Personalstruktur weiterentwickle. Dazu gehört nach Ansicht vieler Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter vor allem, die Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern zu fördern.
An konkreten Ratschlägen für die Praxis mangelt es nicht. Juliane Brauer, Mitinitiatorin des Marbacher Manifests „Jung, weiblich, exzellent – ohne Perspektiven“, forderte vom Nachwuchspakt, Stellen strikt nach einer 50-Prozent-Quote für Frauen zu vergeben. Sahra Damus, Gleichstellungsbeauftragte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), unterstützte Brauers Vorschlag, da Frauen insbesondere in gut bezahlten Positionen im Wissenschaftsbetrieb deutlich unterrepräsentiert seien. Und GEW-Hochschulexperte Keller resümierte: „Unser Wissenschaftssystem kann es sich dauerhaft nicht leisten, die Hälfte unserer Gesellschaft auszuschließen.“
Der 7. Follow-up-Kongress hat gezeigt: Das neue WissZeitVG macht vieles besser, aber nicht alles gut. Es gibt Nachholbedarf – die GEW bleibt mit ihrem Fünf-Punkte-Programm am Ball.
Stefan Brasse, Internetredakteur, GEW-Hauptvorstand Weitere
Infos unter: www.gew.de/5-Punkte-Programm-PDF; www.gew.de/templiner-manifest/ www.gew.de/wissenschaftszeitvertagsgesetz
Der Artikel erschien in der E&W 06/2016
Foto: Kay Herschelmann