„Don’t mourn – organize!“ – Das „Projekt Mittelbau“ an der Universität Hamburg

Ein Zwischenbericht
Fischmotiv

Die GEW Hamburg führt seit Anfang 2012 in der Fakultät Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft (EPB) der Universität Hamburg ein Organizing-Projekt durch mit dem Ziel, Erfahrungen zu sammeln, inwiefern Elemente des Organizing ein neues, sinnvolles Element gewerkschaftliche Arbeit vor Ort darstellen können (vgl. hlz 1-2/2012). Zielgruppe sind die wissenschaftlich Beschäftigten im Fachbereich Erziehungswissenschaft. Dabei zielt das Projekt, entsprechend dem Organizing-Paradigma, nicht darauf, die Beschäftigten bestmöglich zu vertreten, sondern darauf, die Themen der Beschäftigten zu Themen der GEW zu machen und zugleich diese Beschäftigten selbst zur Vertretung ihrer Interessen zu befähigen. Im Folgenden wird der bisherige Projektverlauf zusammengefasst und eine vorläufige Einschätzung gegeben. Die Gliederung des Artikels folgt dabei dem Projektverlauf: Auf eine Recherche der Beschäftigungsbedingungen vor Ort folgte eine Phase, in das Organizing-Team Gespräche mit den Beschäftigten führten, um die konkreten Probleme vor Ort herauszufinden. Die anschließende Phase einer Aktivität mit dem Ziel, konkrete Verbesserungen in der täglichen Arbeitssituation zu erreichen, ist Anfang Dezember gestartet.

 

Bildung eines Organizingteams

Das Organizing-Team besteht aus Ehrenamtlichen, die sich zum Beginn des Projekts im Januar 2012 aus dem Kreis interessierter GEW-Mitglieder gefunden haben. Über eine offene Veranstaltung „Startschuss für ein Organizing-Projekt“ wurde im Februar versucht, weitere Aktive zu gewinnen. Diese Organizer_innen nehmen an den monatlichen Schulungs- und Planungstreffen mit Georg Wissmeier von OrKa teil und leisten darüber hinaus die im Rahmen eines solchen Projekts anfallenden Arbeiten (recherchieren, Interviews führen, Aktivitäten vorbereiten). Über dieses Team hinaus besteht ein offener Kreis von Personen, die für konkrete Aktivtäten angesprochen werden. Zu diesen gehören die Sprecher_innen des Mittelbautreffens der Fakultät EPB und die Vertrauensleute der Fakultät.

 

„Unbefristet befristet“ – Recherche der Personalstruktur

Ziel der Recherche war, einen genauen Überblick über die Personalkategorien, die Personalstruktur sowie die Beschäftigungsbedingungen in der Fakultät EPB zu gewinnen: Insgesamt sind 214 wissenschaftlich Beschäftigte (ohne Professor_innen)  in den insgesamt fünf erziehungswissenschaftlichen Fachbereichen beschäftigt, die in drei große Gruppen zerfallen: Wissenschaftliche Mitarbeiter_innen mit ausschließlicher Lehrtätigkeit (WiMiLe, früher LfbA), Mitarbeiter_innen mit ausschließlicher Forschungstätigkeit auf sogenannten Projekt- oder ‚Drittmittelstellen‘ (WiMiPro) sowie eine geringere Anzahl von promovierenden Mitarbeiter_innen auf Qualifikationsstellen (WiMiDo). WiMiLe sind zu 79% befristet und arbeiten zu 48% in Teilzeit, befristet sind ebenso alle WiMiPro und WiMiDo-Stellen. Darüber hinaus sind WiMiPro zu 66%, WiMiDo zu 100% in Teilzeit beschäftigt (vgl. hlz 1-2/2012).

 

„Nein sagen, Dienst nach Vorschrift machen und Probleme ansprechen.“ – Gespräche mit den Beschäftigten

Im Mai nahmen die Organizer_innen per mail und telefonisch Kontakt mit einem Teil der Beschäftigten auf und vereinbarten einen Gesprächstermin. Ziel der Gespräche war es, die Themen, Probleme und Wünsche der Beschäftigten herauszufinden sowie die Vereinbarung zu erzielen, zu einem Auswertungstreffen zu kommen. Daneben wurde auf Angebote der GEW hingewiesen. Mit 17 Personen wurden Gespräche geführt, eine Interviewte trat in die GEW ein. Zu dem Auswertungstreffen im September, dessen Termin über doodle festgelegt wurde, kamen schließlich sechs Personen.

Die in den Gesprächen genannten Themen und Probleme beziehen sich einerseits auf die konkreten Arbeitsbedingungen und hier insbesondere auf die Arbeitsbelastung, andererseits auf die Personalstruktur (Befristungsunwesen, Teilzeit-Missbrauch, nicht planbare Karriere). Daneben wurden Vereinzelung, mangelnde Beratung und Information sowie Intransparenz in Bezug auf Raumvergabe, Reiserichtlinien, (Arbeits-)Recht etc. beklagt. Gefordert wurde u.a. ein ‚Monitoring Arbeitsbedingungen‘ sowie stellenspezifische Verbesserungen. So wünschen wissenschaftliche Mitarbeiter_innen für die Lehre (WiMiLe) weniger Lehre, einen Zeitanteil für die Forschung und Weiterbildung und eine Entfristung; wissenschaftliche Mitarbeiter_innen auf drittelmittelfinanzierten Projektstellen (WiMiPro) die Möglichkeit auf Lehre sowie eine Vertragslaufzeit, die mindestens Projektlänge besitzt; wissenschaftliche Mitarbeiter_innen auf Doktorand_innenstellen (WiMiDo) eine Verringerung ihrer Betreuungsleistungen sowie Vollzeitstellen. Die GEW solle den Beschäftigten „Mut machen und Öffentlichkeit schaffen“, die Beschäftigten sollten auch einmal „Nein sagen, Dienst nach Vorschrift machen und Probleme ansprechen.“

 

Unterschriftenaktion der Beschäftigten „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ in der Fakultät EPB gestartet

Auf dem Auswertungstreffen wurden diese  Themen diskutiert und auf Vorschlag des Organizing-Teams vereinbart, von Dezember bis Januar 2013 in der Fakultät EPB eine Unterschriftenaktion mit Forderungen „Für gute Arbeit in der Wissenschaft“ durchzuführen, deren Inhalte auf den in den Gesprächen genannten Themen beruhen. Das  Mittelbautreffen der Fakultät erklärte sich erfreulicherweise bereit, einen vom Organizing-Team erstellten Entwurf auf ihren Treffen zu diskutieren. Der Erfolg der Aktion wird dabei davon abhängen, ob es gelingt, eine gewisse Mobilsierung unter den Beschäftigten zu erreichen und bis Ende der Aktion eine relevante Anzahl von Unterschriften zu sammeln. Diese, so die vorläufige Planung, werden im Anschluss von den Beschäftigten an das Dekanat übergeben mit dem Ziel, mit diesem in einen konstruktiven Dialog über Mindeststandards zur Schaffung stabiler und attraktiver Beschäftigungsbedingungen einzutreten.

 

Fazit: Organizing als notwendiges, neues Element gewerkschaftlicher Arbeit

Elemente des Organizing in die bestehenden Routinen der Werbung, Bindung und Aktivierung von Beschäftigten einzubeziehen, erscheint nicht nur vor dem Hintergrund eines individualisierten und prekären Berufsfeldes, wie es im akademischen Mittelbau an den Hochschulen vorherrscht, ein notwendiges, neues Element gewerkschaftlicher Arbeit. Der Vorteil für aktive Mitglieder besteht in der systematisierten und strukturierten Vorgehensweise des Organizing, das die die Möglichkeit bietet, gewerkschaftliche vor-Ort-Aktivitäten den individuellen Ressourcen der ehrenamtlich Aktiven anzupassen. Andererseits bestand die größte Schwierigkeit vor Ort darin, Organizer_innen zu finden, die kontinuierlich und ehrenamtlich aktiv sind. Die Vorteile für die Beschäftigten liegen in der Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen, der Erfahrung von Selbstwirksamkeit sowie in der Wahrnehmung der GEW als Organisation, die dabei unterstützt, die eigenen Interessen wirkungsvoll und kollektiv zu vertreten. Hiervon wiederum profitiert die GEW.