Die GEW-Kampagne für den Traumjob Wissenschaft wirkt

Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF) bereitet Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ vor

Die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen sind geprägt von Zeitverträgen mit immer kürzeren Vertragslaufzeiten, unsicheren Berufsperspektiven, mangelnder Ausstattung der Arbeitsplätze und einer zunehmenden Arbeitslast. Diese Missstände benannte die SPD bereits im Bürgerschafts-Wahlkampf 2011 und stellte sowohl in ihrem Wahl- als auch in ihrem Regierungsprogramm fest, dass sie „die Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse beim wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Personal einschränken“[1] will. Nun, zwei Jahre später, hat die Behörde endlich erste Schritte eingeleitet, die Situation zu verbessern. Auslöser für diese Entwicklung waren nicht nur, aber auch, die Aktivitäten der GEW für den Traumjob Wissenschaft.

 

Für eine Reform von Personalstruktur und Berufswegen in Hochschule und Forschung

Die GEW Kampagne für den Traumjob Wissenschaft startete 2010 mit dem Templiner Manifest, in dem Bund, Länder und Hochschulen aufgerufen werden sich für berechenbare Berufswege und bessere Arbeitsbedingungen in Hochschule und Forschung stark zu machen. Gefordert wird beispielsweise, die Promotionsphase besser abzusichern und zu strukturieren, um damit Postdocs verlässliche Perspektiven zu geben, Daueraufgaben auf Dauerstellen zu erfüllen, prekäre durch reguläre Beschäftigung zu ersetzen, ein http://www.gew.de/img/leer.gifausgeglichenes Geschlechterverhältnis durchzusetzen sowie alle Beschäftigungsverhältnisse tarifvertraglich auszuhandeln.[2]

Im Zuge dieser GEW Kampagne organsierte die Fachgruppe Hochschule und Forschung der GEW Hamburg mehrere Veranstaltungen zum Thema, so im November 2010 mit Klemens Himpele vom Hauptvorstand der GEW, im Januar 2011 mit Anke Burkhardt vom Institut für Hochschulforschung Halle-Wittenberg (HoF) und im November 2011 mit Andreas Keller vom Hauptvorstand der GEW sowie Klaus Bullan, dem Hamburger GEW-Vorsitzenden. Auch die Senatorin, Frau Dr. Dorothee Stapelfeldt wurde im Juni 2011 und im Februar 2013 zu Veranstaltungen ins Curio-Haus eingeladen, bei denen mit ihr und den Anwesenden die Beschäftigungsbedingungen thematisiert wurden.[3] Während in der Hamburger Bürgerschaft als auch in anderen Länderparlamenten die dramatische Situation zunehmend erkannt und diskutiert wird[4] und auch der Bundestag in mehreren Debatten ein Problembewusstsein für die Arbeitsplatzsituation der wissenschaftlich Beschäftigten entwickelte,[5] konnte sich die alleinregierende SPD Hamburg in den ersten beiden Regierungsjahren jedoch nicht zu konkreten Maßnahmen gegen das Befristungsunwesen entschließen.

 

Stark vor Ort: Unterschriftenaktion macht Druck für bessere Beschäftigungsbedingen

Von Dezember 2012 bis Januar 2013 hat die GEW gemeinsam mit den wissenschaftlich Beschäftigten der Fakultät Erziehungswissenschaft, Psychologie, Bewegungswissenschaft (EPB) der Universität Hamburg eine Unterschriftenaktion „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ durchführt mit dem Ziel, auf die Probleme bei den Beschäftigungsbedingungen aufmerksam zu machen und konkrete Verbesserungen in der täglichen Arbeitssituation zu erreichen. Hierfür wurden auf den Mittelbau-Treffen der Fakultät Forderungen aufgestellt, die an das Dekanat gerichtet sind. Gefordert werden u. a. eine bessere Absicherung der Promotionsphase und die Einführung von Promotionsvereinbarungen, eine familienfreundlichere Gestaltung des Arbeitsvertrages sowie die Anrechnung von Gremientätigkeiten auf die Lehrverpflichtung. Im Zentrum stehen Forderungen für Mindeststandards für Beschäftigungsverhältnisse. So wird gefordert, dass langfristig anfallende Aufgaben in Forschung und Lehre unbefristet besetzt werden, bei Drittmittelstellen die Laufzeit des Beschäftigungsverhältnisses mindestens der Laufzeit des betreffenden Projekts und bei Qualifizierungsstellen mindestens drei Jahre betragen müsse.[6] Die Resonanz war sehr positiv. Auch dank des Einsatzes vieler Aktiver konnten innerhalb der Fakultät EPB, in der ca. 270 wissenschaftliche Mitarbeiter_innen tätig sind, 203 Unterschriften gesammelt werden (Soli-Unterschriften von Professor_innen und Lehraufträgler_innen inklusive). In einem anschließenden Gespräch mit der Dekanin, Frau Prof. Dr. Eva Arnold, wurden die einzelnen Punkte der Unterschriftenaktion gemeinsam diskutiert. Insgesamt entstand der Eindruck, dass das Dekanat durchaus gewillt ist, konkrete Probleme anzugehen – jedoch alle Forderungen, deren Umsetzungen finanzrelevant sind, als nicht realisierbar erscheinen, solange keine klaren Signale (und mehr Geld) von Seite der Behörde für Wissenschaft und Forschung kommen. Im Gespräch wurden auch Erfolge erzielt: Festgestellt wurde, dass keine_r der anwesenden Doktorand_innen eine Promotions- bzw. Betreuungsvereinbarung abgeschlossen hat, obwohl dies in der Prüfungsordnung vorgesehen ist (§7). Daraus resultierte die Absprache, dass das Dekanat Vorlagen für solche Vereinbarungen erstellt und diese bekannt macht. Zur Forderung, dass langfristig anfallende Aufgaben in Forschung und Lehre unbefristet besetzt werden, wurde von einer erfreulichen Entwicklung berichtet: In der strukturellen Planung der Fakultät werden Wissenschaftliche Mitarbeiter_innen für die Lehre als Dauerstellen geplant. Das heißt für die Zukunft, dass im Struktur- und Entwicklungsplan (StEP) der Universität geführte Stellen unbefristet besetzt werden sollen. Hier werden Mittelbau und GEW den Prozess entsprechend weiterverfolgen. Nicht auszuschließen ist, dass die Beschäftigten durch weitere Aktivitäten den Forderungen Nachdruck verleihen.[7]

 

Nicht nachlassen, sondern nachlegen: „Gute Arbeit in der Wissenschaft“

Parallel zu diesen Aktivitäten vor Ort legte die GEW nach und veröffentlichte im Herbst 2012 mit dem Herrschinger Kodex einen Leitfaden für „Gute Arbeit in der Wissenschaft“, in der sie die Hochschulen und Forschungseinrichtungen auffordert, sich auf stabile Beschäftigungsbedingungen und berechenbare Karrierewege für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu verpflichten. Vorgeschlagen wird u.a., dass sich die Wissenschaftseinrichtungen Mindeststandards für befristete Beschäftigungsverhältnisse setzen: Ist z.B. eine Promotion auf vier Jahre angelegt, sollten auch die Doktorand_innen einen Vierjahresvertrag bekommen. Werden Drittmittel für drei Jahre eingeworben, sollten auch die Arbeitsverträge über drei Jahre laufen. Weitere Vorschläge des Herrschinger Kodex zielen auf eine bessere Betreuung der Doktorand_innen, berechenbare Perspektiven für promovierte Wissenschaftler_innen sowie die familienfreundliche Gestaltung von Karrierewegen ab. Er stellt einen Werkzeugkasten zur Umsetzung des Templiner Manifests an Hochschulen und Forschungseinrichtungen und damit zur Verwirklichung des Traumjobs Wissenschaft dar.[8]

 

Große Anfrage der Grünen bestätigt erneut das zunehmende Befristungsunwesen

Im November 2011 stellte die GAL-Bürgerschaftsfraktion eine erste Große Anfrage zum Thema Traumjob Wissenschaft? Zur Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hamburger Hochschulen, in der detailliert nach der Personalentwicklung an den Hamburger Hochschulen gefragt wurde. Seitdem ist das zunehmende Befristungsunwesen an den Hamburger Hochschulen auch empirisch belegt.[9] Eine weitere Anfrage, deren Beantwortung im Mai 2013 erfolgte, bestätigte diese Fehlentwicklungen und Tendenzen zur Prekarisierung des Wissenschaftsberufs. So liegt an der Uni Hamburg die Befristungsquote bei den wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen für die Lehre unverändert hoch bei 87 Prozent. Darüber hinaus wird ein zunehmender Anteil der Lehre durch schlecht bezahlte Lehraufträge, d.h. ganz ohne Beschäftigungsverhältnis, abgedeckt.[10] An der Universität Hamburg sind dies mittlerweile durchschnittlich 10 Prozent, wobei die Quote an einzelnen Fachbereichen bis zu dreimal so hoch liegt. Diesen Entwicklungen gilt es unbedingt entgegenzuwirken!

 

Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF) erkennt Handlungsbedarf

Auch im Zuge der bundesweiten Kampagne der GEW für den „Traumjob Wissenschaft“ – die u.a. im Templiner Manifest und im Herrschinger Kodex zum Ausdruck kam – , wächst in der Politik das Bewusstsein dafür, dass gute Forschung und Lehre einerseits und entsprechende Beschäftigungsbedingungen andererseits zwei Seiten einer Medaille sind. Dies ist nun endlich auch in der Hamburger Politik angekommen. Die Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF) hat im März 2013 eine Arbeitsgemeinschaft „Gute Arbeit an Hamburgs Hochschulen“ einberufen, die in einem „Code of Conduct“ Leitlinien zur Begrenzung prekärer Beschäftigung erarbeiten soll. In dieser AG, die bisher zweimal tagte, sitzen u.a. Vertreter_innen der Beschäftigten der Hochschulen sowie ein Vertreter der GEW (Fredrik Dehnerdt). Das Verfahren sieht vor, die jeweils spezifischen Problemkonstellationen der Beschäftigungsgruppen (wissenschaftliche Mitarbeiter_innen für die Lehre, in Drittmittelprojekten, auf Qualifizierungsstellen sowie Lehrbeauftragte) zu identifizieren und Vorschläge zu erarbeiten, wie die Arbeitsbedingungen stabiler und attraktiver gestaltet werden können. Der Zeitplan sieht weitere Sitzungen im August und September vor. Die GEW wird in ihrem Bemühen, vom Albtraum prekärer Jobs an Hochschulen zum „Traumjob Wissenschaft“ zu gelangen, nicht nachlassen – die GEW wird nachlegen und erwartet von der Wissenschaftsbehörde und den politisch Verantwortlichen, dass sie den Worten Taten folgen lassen.

 

Fredrik Dehnerdt, Sylvia Lässig, Barbara Scholand (Fachgruppe Hochschule und Forschung)

[1] Regierungsprogramm der SPD, http://www.abgeordnetenwatch.de/images/programme/spd_hamburg_regierungsprogramm_2011.pdf, der Link auf www.spd-hamburg.de ist inaktiv.

[2] http://www.gew.de/Templiner_Manifest.html

[3] hlz 8-9/2011, hlz 4-5/2013

[4] http://www.gew.de/Das_Templiner_Manifest_wirkt_Debatten_in_den_Laenderpa...

[5] http://gew.de/GEW_Bundestag_zeigt_Wissenschaftseinrichtungen_Gelbe_Karte...

[6] www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/unterschriftenaktion-...

[7] www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/unterschriftenaktion-...

[8] www.gew.de/Herrschinger_Kodex.html

[9] hlz 1-2/2012, www.gew-hamburg.de/themen/hochschule/grosse-anfrage-der-gal

[10] Drucksache 20/7581 der Hamburgischen Bürgerschaft