Zur aktuellen Anmelderunde der Fünftklässler an Stadtteilschulen und Gymnasien

02. März 2012Von: PresseredaktionThema: Hamburg-Politik
GEW sieht Befürchtungen bestätigt: Ungleichgewicht bei Verteilung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf

"Die Zahlen bestätigen unsere Befürchtungen: Kinder aus günstigem sozialen Umfeld und mit besseren Bildungsprognosen werden von ihren Eltern noch häufiger als bisher an Gymnasien angemeldet; gleichzeitig wird die Schülerklientel der Stadtteilschulen problematischer," kommentiert  Klaus Bullan, Vorsitzender der GEW Hamburg, die Anmelderunde der Fünftklässler an Stadtteilschulen und Gymnasien. "Die Verteilung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zum einen auf Gymnasien und Stadtteilschulen, zum anderen auf verschiedene Stadtteilschulen offenbart Unwuchten, die zu Ungerechtigkeiten führen. Wenn die Behörde diesem Trend nicht endlich deutlich entgegen steuert, kann von einer Gleichwertigkeit der beiden Schulformen nicht die Rede sein und die soziale Selektion der Kinder wird sich noch tiefer in die Hamburger Gesellschaft einschreiben. Wenn Eltern sich gezwungen sehen, mithilfe von getricksten Meldeadressen die Wunschschule für ihr Kind durchzusetzen, wirft das ein schlechtes Licht auf das Schulwesen in Hamburg: es bedarf großer Anstrengungen seitens der Regierung, um allen die Sicherheit zu geben, dass die Schule in ihrer Nähe die richtige für ihr Kind ist.“

Zum Hintergrund: Die Anteile der Anmeldungen der Fünfklässler an Gymnasien und Stadtteilschulen hat sich gegenüber dem Vorjahr im Saldo nicht geändert: Fast exakt wie im Vorjahr werden 53 Prozent der Schüler_innen an den fünften Klassen der Gymnasien angemeldet, 46 Prozent an den Stadtteilschulen, ein Prozent der Schüler_innen nimmt an dem Schulversuch der sechsjährigen Grundschule teil. In den siebten Klassen kehrt sich dieses Verhältnis erfahrungsgemäß durch die Übergänge von den Gymnasien an die Stadtteilschulen um. Dies führt zu erheblichen Problemen der Organisation der 7. Klassen an Stadtteilschulen und Gymnasien, die entweder Plätze in den Klassen vorhalten oder reduzieren müssen.

Hinter diesen Zahlen verbirgt sich eine Umstrukturierung zwischen der Schülerschaft von Gymnasien und Stadtteilschulen: Von den rund 600 Schüler_innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die sich in den 5. Klassen der allgemeinbildenden Schulen angemeldet haben, sind nur 12 für Gymnasien angemeldet, alle anderen werden auf Stadtteilschulen gehen. Bei gleichbleibenden Gesamtanteilen zwischen beiden Schulformen hat sich also eine Umstrukturierung ergeben: Mehr als zehn Prozent aller Schüler_innen an den 5. Klassen der Stadtteilschulen haben sonderpädagogischen Förderbedarf. Da diese Schüler_innen oft aus benachteiligtem Umfeld stammen, findet eine weitere soziale Selektion zwischen Gymnasien und Stadtteilschulen statt.

Es gibt große Unterschiede zwischen den Stadtteilschulen. Zahlreiche ehemalige Gesamtschulen haben ein ausgeprägtes Profil in ihrem Stadtteil mit entsprechend hohen Anmeldezahlen; häufig müssen sie Schüler_innen abweisen. Andere Stadtteilschulen können nicht auf eine langjährige Erfahrung mit integrativer Arbeit aufbauen und haben mitunter so geringe Anmeldezahlen, dass sie starke Unterstützung brauchen, um eine gute Zukunft zu haben. Die Anmeldung der Schüler_innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (so genannte §12-Kinder) ist zwischen den Stadtteilschulen sehr unterschiedlich: Manche Schulen haben keine § 12-Kinder, andere bis zur 30 Prozent. Hinzu kommt, dass die Verteilung dieser Kinder keineswegs dem Sozialindex der Schulen folgt. Nach dem Sozialindex der Schulen, der in einer sechsstufigen Skala angibt, wie sozial belastet das Umfeld einer Schule ist, werden die Ressourcen für die sonderpädagogische Förderung an den Schulen verteilt. Dies wird viele Schulen, die einen mittleren bis hohen Sozialindex haben und gleichzeitig viele § 12 Kinder, vor erhebliche zusätzliche Probleme stellen, weil ihnen noch mehr Personal fehlen wird als ohnehin schon programmiert ist durch das Inklusionskonzept der Bildungsbehörde.

Andererseits werden Schulen mit geringem Sozialindex und mit einer hohen Zahl an förderbedürftigen Kindern auch mit besserer Personalausstattung nicht dagegen angehen können, dass das Missverhältnis zwischen Kindern ohne anerkannten Förderbedarf und § 12 Kindern so groß sein wird, dass die einzelnen Klassen weit mehr als die vorgesehene Höchstzahl von vier förderbedürftigen Kindern pro Klasse aufnehmen müssen.