Die Spitzenvertreter*innen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Hamburg fordern die Arbeitgeber auf, ihre Vorbehalte gegen betriebliche Mitbestimmung aufzugeben. Von der Politik erwarten sie Unterstützung für Betriebs-und Personalrät*innen bei der Mitgestaltung in den Unternehmen.
Auf einer digitalen Jahresauftaktpressekonferenz heute sagte Hamburgs DGB-Vorsitzende Tanja Chawla: „Die Megathemen Digitalisierung, Klimaschutz und die Auswirkungen der Corona Pandemie verändern, wie wir arbeiten. Hier braucht es die Perspektiven der Beschäftigten. Aber aktuell arbeiten nur noch 40 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen mit Betriebsrat. Betriebsratsgründungen, insbesondere Erstgründungen, werden immer wieder massiv verhindert. Betriebsrät*innen werden eingeschüchtert oder mit Kündigung bedroht. Beispiele gab es in jüngster Zeit genug, wenn wir nur an die Lieferdienste denken.“
Wie sich gute oder fehlende Mitbestimmung auswirkt, haben die Vertreter*innen aus den Gewerkschaften auf der Pressekonferenz berichtet:
Berthold Bose, Landesbezirksleiter Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Hamburg
„Betriebs- und Personalrät*innen haben in der Pandemie bewiesen, dass sie ein wichtiger und guter Partner in Krisenzeiten sind. Die besonderen Belastungen beispielsweise in Pflegeberufen aber auch im Handel konnten nur in enger Kooperation mit den Kolleg*innen der Mitbestimmung und der Gewerkschaft gut gemanagt werden. Unternehmen mit guter Tarifbindung und Mitbestimmung sind gefragt und Zukunftsmodell in einer Stadt der guten Arbeit.“
Ina Morgenroth, Geschäftsführerin IG Metall Region Hamburg
„Durch den engagierten und zukunftsausgerichteten Einsatz der Betriebsräte bei der Firma Hauni konnten in den letzten zwei Jahren betriebsbedingte Kündigungen verhindert und ein Zukunftskonzept verhandelt werden. Mit der Transformation, der Digitalisierung und der Klimawende standen auch bei ihnen große und weitreichende Veränderungen an. Im Unternehmen so mitzugestalten ist genau die Zukunftsaufgabe von Betriebsräten und bedarf auch einer Unternehmensführung, die sich auf einen solchen gemeinsamen Veränderungsprozess einlässt.“
Jan Koltze, Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) Hamburg
„Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig ein starkes Tarifvertragssystem ist, um gute Arbeitsbedingungen und Entgelte zu sichern. Besonders gelitten unter Corona haben die Beschäftigten in schlecht entlohnten, häufig tariflosen Arbeitsverhältnissen. Als Industriegewerkschaften sind wir gefordert, die Energiewende und den Prozess der Digitalisierung gut zu begleiten. Für die Beschäftigten braucht es lebensbegleitend gute Qualifizierungsmöglichkeiten, damit sie Gestalter der Transformation sein können. Für die Industrie braucht es Perspektiven zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit, und klare Rahmenbedingungen für Investitionen, die auch nachhaltig sind.“
Silke Kettner, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Region Hamburg-Elmshorn
„Mitbestimmung im Betrieb ist ein Schlüssel, um nach der Pandemie erfolgreich neu zu starten. Gerade im Gastgewerbe sind es viele Beschäftigte nicht gewohnt, für ihre eigenen Rechte einzutreten. Begriffe wie Betriebsratswahlen und Warnstreik sind hier oft unbekannt. Die Beschäftigten müssen lernen, das gute Arbeitsbedingungen und hohe Löhne nicht vom Himmel fallen, und sich organisieren und gemeinsam einsetzen, wie dies in anderen Branchen auch erfolgreich gemacht wird.“
Matthias Maurer, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) Hamburg
„Mitbestimmung hilft uns, den immer mehr zunehmenden Fachkräftemangel in der Baubranche anzugehen. Die beiden großen Herausforderungen beim Bauen sind der Wohnungsbau und zugleich die Umsetzung der Klimaschutzstrategie. Dabei hilft uns die Mitbestimmung der Betriebsräte ebenso wie ein fairer Arbeitsmarkt: Dafür brauchen wir ein gutes hamburgisches Tariftreue- und Vergabegesetz.“
Sven Quiring, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hamburg
„Die Pandemie und die damit verbundene notwendige Weiterentwicklung der Digitalisierung und des Gesundheitsschutzes haben die Arbeit der Personalräte in den Hamburger Schulen im letzten Jahr geprägt und gezeigt, wie wichtig Mitbestimmungsrechte in den Schulen sind. Leider mussten sie häufig erst eingefordert werden, manchmal auch gerichtlich. Gerade bei der Einführung der Endgeräte für Lehrkräfte und neuer IT-Verfahren gibt es aber inzwischen Verhandlungen zwischen dem Gesamtpersonalrat für das pädagogische Personal an Schulen und der Behörde in denen hoffentlich gute Lösungen für die Schulen und die Kolleg*innen verhandelt werden.“
Frank Maur, Geschäftsführer der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Hamburg
„Ohne die Betriebsräte in den Eisenbahn- und Verkehrsbetrieben wäre vieles in der Pandemie schwieriger und weniger schnell umzusetzen gewesen. Gerade das schnelle Umstellen auf „Homeoffice“ oder die Aufrechterhaltung der verkehrlichen Versorgung im Nah- und Fernverkehr wäre ohne ihre Unterstützung und kritische Begleitung so nicht vorstellbar gewesen.“
Horst Niens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Hamburg
„Was durch Mitbestimmung erreicht werden kann, haben wir in der vergangenen Runde der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder gesehen. Trotz der schwierigen Corona-Umstände waren die Kolleg*innen für ihre Forderungen auf der Straße. Nur durch diesen Druck konnten wir auch etwas erreichen.“
50 Jahre nach der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes fordert der DGB, dass die Mitbestimmung politisch gestärkt wird. So sei es gut, dass die Bundesregierung digitale Zugangsrechte für Gewerkschaften plane, so Tanja Chawla. „Genauso wichtig ist es, dass es Arbeitgeber, die Betriebsratsgründungen behindern, künftig auch ohne Anzeige mit der Staatsanwaltschaft zu tun kriegen.“ Außerdem brauche das Betriebsverfassungsgesetz ein Update. Die Beschäftigten müssten die Ausrichtung der Betriebe mitgestalten können. Dazu gehören Mitbestimmungs- und Initiativrechte bei der Aus- und Weiterbildung, Personalplanung und Beschäftigungssicherung, so Chawla weiter: „So kann der Wandel gelingen.“