Das Hamburger „Bündnis gegen Rotstift“ hat sich in einem offenen Brief an die SPD-Politiker in den Bezirken und Distrikten gegen die Kürzungspläne des Senats im Sozialbereich und im öffentlichen Dienst ausgesprochen. Das Bündnis aus Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Dachverbänden ruft die SPD-Basis auf, sich für die Rücknahme der Kürzungen stark zu machen und kündigt weitere Protestaktionen an.
„Kürzen und Kaputtsparen kann nicht die Antwort auf die Krise sein“, heißt es in dem offenen Brief. Das Bündnis kritisiert, dass der Senat trotz prognostizierter Einnahmenrekorde bei seinem unsozialen Kurs bleibe. Dabei gebe es u.a. durch Steuermehreinnahmen und die Übernahme der Grundsicherung durch den Bund genug Spielraum, um die geplanten Kürzungen zurückzunehmen.
Das Bündnis fordert die Rücknahme der geplanten Kürzungen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, bei der Arbeitsförderung, bei den Zuwendungsempfängern und im öffentlichen Dienst, wo aufgrund der Begrenzung der Ausgaben um maximal 0,88 Prozent bis zum Jahr 2019 mehrere Tausend Stellen wegfallen. „Eine Wertschätzung gesellschaftlich wertvoller Arbeit sieht anders aus“, so die Bündnis-Partner, „dabei ist jetzt schon klar, dass besonders im Gesundheits- und Pflegebereich, aber auch im Schulwesen, der Jugendarbeit und Alterssicherung in den kommenden Jahren immense Mehrausgaben nötig sein werden, will man auch nur halbwegs den aktuellen Standard halten. Von einer Verbesserung der Situation ganz zu schweigen.“
Das Bündnis gegen Rotstift unterstützt den Aktionstag „Umfairteilen“ und fordert die SPD-Politiker auf, sich auch für eine stärkere Beteiligung von Vermögenden an der Krise stark zu machen: „Brechen Sie das Tabu und setzen Sie sich mit Ihrer Partei für höhere Einnahmen ein.“
Am Ende des Briefes appellieren die Bündnis-Partner an die SPD-Politiker: „Nehmen Sie die Bürgerinnen und Bürger ernst und kämpfen Sie mit allen Mitteln gegen die Kürzungen und für eine lebenswerte Stadt für alle!“
Siggi Friess, Leiterin ver.di Fachbereiche Bund, Länder und Gemeinden:
„Der Öffentliche Dienst ist ein wichtiger Garant für Daseinsvorsorge und den sozialen Ausgleich. Er darf deshalb nicht fiskalischen Interessen unterworfen werden, sondern muss grundgesetzlich verankert ausfinanziert werden. Wenn die Politik nur die Einhaltung der Schuldenbremse 'technokratisch im Kopf hat', dann verliert sie den Blick für das Wesentliche – die Armut der Menschen in der Stadt – und 'zündelt' am Sozialstaat. Gute soziale Angebote brauchen gute Arbeitsbedingungen und ausreichend Personal, weiterer Personalabbau ist deshalb kontraproduktiv und nicht hinnehmbar.“
Joachim Gerbing, Verband Kinder- und Jugendarbeit Hamburg e.V.:
„Die Kürzungen im Bereich der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, Familienförderung und SAE sind eine sozialpolitische Rolle Rückwärts des Hamburger Senates bei seinem selbstgesetzten Ziel, Hamburg zur kinderfreundlichsten Stadt Deutschlands zu machen. Trotz des Ausbaus der Ganztagsschulen werden zum aktuellen Zeitpunkt annähernd 50% der Eltern dieses Angebot für ihre Kinder nicht wahrnehmen. Auch diese Familien, Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf verlässliche Angebote in ihrem sozialen Nahraum. Alleine 2,2 Mrd. Euro an übertragenen Haushaltsresten aus den vergangenen Jahren machen deutlich: es ist genug Geld da."
Joachim Speicher, Geschäftsführer Der Paritätische Wohlfahrtsverband Hamburg e.V.:
„Wenn der Hamburger Senat die geplanten Kürzungen bei sozialen Leistungen und Verpflichtungen nicht zurücknimmt, gefährdet er den sozialen Frieden in unserer Stadt. Es ist der falsche Weg, die Sanierung der Haushalte allein über Kürzungen erreichen zu wollen. Wir brauchen vielmehr eine solidarische Steuerpolitik, so dass auch Vermögende mehr zur Bewältigung der Krise beitragen.“
Gudrun Stefaniak, Vorstand Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit, Landesverband Hamburg:
„Die in Hamburg unnötig verschärften Einsparungen der letzten Jahre und die Gesetzesreform im Bund haben die öffentlich geförderte Beschäftigung als Angebot für die besonders benachteiligten Langzeitarbeitslosen auch in Hamburg zur Bedeutungslosigkeit geführt. Diejenigen, die am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt sind haben immer weniger und schlechtere Möglichkeiten sich einzubringen und ihre Situation durch Beschäftigung zu verbessern. Für die nahezu gleichgebliebene Zahl von langzeitarbeitslosen Menschen muss es wieder mehr Chancen zur Teilhabe am Arbeitsleben geben und weniger Arbeitsverwaltung. Wir erwarten, dass Hamburg alle finanziellen Mittel ausschöpft, sinnvolle sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auch mit eigenen Haushaltsmitteln fördert und diese in Verbindung mit Stadtteilentwicklung so ausstattet, dass sie zu gesellschaftlich nützlicher Arbeit führen."
Klaus Wicher, 1. Landesvorsitzender des Sozialverbandes Deutschland e.V., Landesverband Hamburg
„Der Hamburger Senat plant den Abbau sozialer Leistungen. Beeinträchtigungen und bis zu Schließungen von Einrichtungen drohen in der Kinder- und Jugendarbeit und bei den Angeboten für Senioren. Dies ist für den SoVD nicht hinnehmbar und muss vom Tisch. Familien- und Altersarmut verfestigen sich - dies gefährdet den sozialen Zusammenhalt und die Demokratie in unserer Gesellschaft."
Für die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Hamburg e.V. (AGFW) Michael Edele
„Tarifliche Verpflichtungen sind selbstverständlich bindend. Diesen Anspruch haben nicht nur die Mitarbeiter der Freien Hansestadt Hamburg, sondern auch diejenigen der freien Träger: Deshalb fordern die Hamburger Wohlfahrtsverbände die Politik dazu auf, die geplanten Zuwendungskürzungen zurückzunehmen, Kostensteigerungen zu berücksichtigen und ihre Prioritäten zu überdenken. Für uns sind soziale Prioritäten wichtig – auch in Zeiten der Schuldenbremse.“
Sigrid Strauß, 1. Stellvertretende Vorsitzende Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Hamburg (GEW):
„Wer an der Bildung kürzt, wie der Hamburger Senat beabsichtigt, beeinträchtigt die Zukunft unserer Kinder und damit die von uns allen. Die Lebens- und Lernbedingungen der Kinder und Jugendlichen werden verschlechtert. Das trägt Unfrieden in die Familien und belastet immer mehr die Lehrkräfte. Der Hamburger Senat sollte sich bei den Bildungsausgaben endlich an unseren nordeuropäischen Nachbarn orientieren.“