Die GEW unterstützt die Kundgebung am 19. Juli 2023, 17 Uhr – Erinnerung an Deportationen über Schule Schanzenstraße vom Juli 1942:
Aufruf zur Kundgebung
Die Schule Schanzenstraße am Bahnhof Sternschanze war am 15. und 19. Juli 1942 der Ort der letzten großen Massendeportationen jüdischer Menschen aus Hamburg. Es folgten noch weitere, kleinere aus Hamburg, aber nicht über die Schule. An den beiden Tagen wurden über 1.500 Personen von der Schule zum Hannoverschen Bahnhof (heute Hafencity) gebracht und von dort nach Theresienstadt/Terezin in der Nähe von Prag verschleppt. Nur wenige überlebten.
Trotz der furchtbaren Erlebnisse im Getto oder in den Vernichtungslagern wie Auschwitz kehrten einige Überlebende auch nach Hamburg zurück in ihre Wohnungen, wie Henriette Völker aus der Bartelsstraße 49 oder Ingrid Schwarz aus dem Weidenstieg 10. Viele emigrierten aus dem Land, das ihre Familien ermordet hatte, wo die Nachbarschaft das antisemitische Gebrülle übernommen hatte, an der Verschwörung des „internationalen Judentums“ glaubte und das Gerede von der „reinen Rasse“ mitgetragen hatte. Ihre neue Heimat wurden Süd- und Nordamerika, England, Palästina, später Israel und andere Länder.
Die Deportierten über die Schule Schanzenstraße lebten fast alle seit März 1942 in der unmittelbaren Nachbarschaft. Sie waren ihres Wohnrechts in Hamburg geraubt und mussten in Massenunterkünften, in sogenannten Judenhäusern, bis zur Deportation leben. Hunderte wurden von der Polizei aus diesen Massenunterkünften wie im Kleinen Schäferkamp 32, der Agathenstraße 3, der Schäferkampsallee 25, 27 und 29, dem Laufgraben 37, der Bundesstraße 35 und 43 zur Schule gebracht. Viele kamen aus den Judenhäusern im Grindelviertel. Am 19. Juli 1942 kamen sie vor allem aus Unterkünften in Altona und Blankenese. Aus den Erzählungen der Nachbarschaft um die Schule und dem Kleinen Schäferkamp ist bekannt, dass es kein geheimer Umzug war.
Tage vor der Deportation hatten Speditionen den Haushalt, den sie noch mitnehmen durften beim Zwangsumzug in das „Judenhaus“, aus den Häusern abgeholt. Sie sahen ihn nie wieder. Was sie am Tag der Deportation mit zur Schule brachten, wurde ihnen ebenfalls fast alles abgenommen. Alle Barschaften wurden ihnen abgenommen. Mit dem Überschreiten der tschechischen Grenze wurde ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, die Beamten meldeten, dass sie Hamburg „judenfrei“ gemacht hatten.
Alles das ist Geschichte und unsere Gesellschaft lehnt Antisemitismus, Rassismus und Hetze gegen Sinti und Romas weitgehend ab. Es gehört aber zu unserer Geschichte, dass bis heute das Geschehen in der damaligen Sammelstelle, der Weg von den Unterkünften zur Schule nur in Fragmenten erzählt werden kann. Es gibt einige nachbarschaftliche Erzählungen und die wenigen Berichte der Überlebenden. Das zeigt, wie schwer der Umgang mit dem damaligen Geschehen viele Jahrzehnte war und noch ist.
Die Herausforderungen, unsere Zukunft in Zufriedenheit zu gestalten und als Beteiligte darauf Einfluss nehmen zu können, spielen im alltäglichen Nachdenken eine große Rolle. Es gibt politische Kräfte, die Verschwörungsgeschichten instrumentalisieren, um antisemitische Sichtweisen wieder salonfähig zu machen. Rassismus ist dabei eine alltägliche Erscheinung. Umso mehr bedarf es der Erinnerung an das damalige Geschehen.
Wir möchten mit der Kundgebung unsere Haltung verdeutlichen, dass Antisemitismus und Rassismus keinen Platz haben dürfen. Die Erinnerung an die NS-Opfer gehört in unseren Alltag. Wir können das Geschehene nicht korrigieren, aber unsere Verantwortung dafür deutlich machen, dass es sich nicht wiederholen darf.
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