Der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler PD Dr. Paul-Wolfgang Beutin ist am Sonntag im Alter von 88 Jahren in Köthel (Kreis Stormarn) in der Nähe von Hamburg gestorben. Geboren in Bremen am 2. April 1934 war er tief geprägt von den Kriegserfahrungen, die er immer wieder in seinen autobiographisch gefärbten Romanen über die „Familie Beelzow“, etwa „Das Jahr in Güstrow“ (1985), verarbeitete.
Beutin studierte an den Universitäten Hamburg und Saarbrücken Germanistik und Geschichtswissenschaft. In seiner Studienzeit war er neben seinem Professor Ulrich Pretzel, dem Bruder von Sebastian Haffner, vom expressionistischen Schriftsteller und Aktivisten Kurt Hiller beeinflusst. Gemeinsam zogen sie gegen alte Nazis, Reaktionäre und den Anti-Homosexuellen-Paragraphen 175 zu Felde. Mit dem Holocaust-Überlebenden Primo Levi pflegte er einen Briefverkehr, mit Theodor W. Adorno setzte er sich gegen antisemitische Tendenzen in Bezug auf den Komponisten Gustav Mahler zur Wehr.
Beutins Wirken ist das eines engagierten Intellektuellen: Wissenschaftler, Schriftsteller, Unterstützer der sozial-liberalen Koalition von 1969 und der Studierendenbewegung der 1968er. Aktivist gegen die Praxis der Berufsverbote. Mitbegründer des „Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ (BdWi). Politiker der „Deutschen Friedensunion“, Mitinitiator des „Krefelder Appells“ gegen die atomare Konfrontation des Kalten Kriegs. Gewerkschafter bei der „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“ (GEW) und im Schriftstellerverband von ver.di. Später Mitgründer der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ und der Linkspartei, bis zuletzt dort auf kommunaler Ebene im Kreis Stormarn aktiv. „Engagement als Lebensform“ nannte es der deutsch-amerikanische Literaturwissenschaftler Jost Hermand (1930-2021) anlässlich einer Tagung zu Wolfgang Beutins 75. Geburtstag.
Die Hamburger Universität verweigerte ihm die Professur und erteilte ihm zeitweilig Lehrverbot. Begründung: Verwendung marxistischer und psychoanalytischer Methoden. Die arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung darum wurde zwanzig Jahre lang von der GEW unterstützt. In Hamburg sowie in Bremen und in Lüneburg beeinflusste Beutin zahlreiche Studierendengenerationen. An der Universität seiner Geburtsstadt erlangte er in späteren Jahren die Habilitation und Privatdozentur.
Wolfgang Beutin ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher und belletristischer Bücher, unzähliger Aufsätze, Kritiken, Aphorismen, Hör- und Fernsehspiele. Bis zuletzt arbeitete er an wissenschaftlichen Beiträgen, von denen einige noch posthum erscheinen. Seine Monographie über die Epoche der „Aufklärung“, an der er noch an seinem Todestag arbeitete, wird unvollendet bleiben. Mit seiner Frau Heidi Beutin und weiteren Mitstreitern plante er für den Herbst 2023 in Lübeck eine wissenschaftliche Tagung zu Geschichte und Gegenwart des Pazifismus. Diese wird nun zu seinen Ehren stattfinden.
Anlässlich seiner Verabschiedung aus dem aktiven Lehrbetrieb an der Universität Hamburg 1999 schrieb ihm sein Weggefährte, der Literaturkritiker Hans Wollschläger (1935-2007), in einer Würdigung: „Du hast, als Lehrer, das Lesen beigebracht, die richtige Lektüre der Worte und der Taten; die Welt selbst ist durch Deine Arbeiten lesbarer geworden.“