Nachrichten aus Griechenland

15. Mai 2012Von: WebredaktionThema: GEW
Vorsitzender der griechischen Lehrergewerkschaft OLME spricht auf dem Gewerkschaftstag der Hamburger GEW
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Starken Beifall erntete der Vorsitzende der griechischen Lehrergewerkschaft Olme, Nikolaos Papachristos, für seine gleichermaßen kämpferische und nachdenkliche Rede, in der er die Auswirkungen der Finanzrise auf das Schulsystem in Griechenland  erläuterte:

"Ein großes Problem für Griechenland ist der Euro. Griechenland war noch nicht bereit für den Euro. Der Euro-Beitritt war ein Fehler, aber ein noch größerer Fehler wäre, unter diesen Bedingungen die Eurozone zu verlassen. (...) Der Euro ist für Griechenland eine Todesfalle. (...) Das Bildungswesen hatte nie den ersten Platz in der Prioritätenliste unserer Politiker. Aber nach den Memoranden 1 und 2 und dem Vertrag mit dem Internationalen Währungsfonds ist die Situation äußerst tragisch. (...) Viele Schulen hatten im Winter kein Geld für Heizöl. Die Eltern mussten oft für das Heizöl in der Schule bezahlen. Viele Schüler haben nicht mal die Möglichkeit etwas aus der Schülerkantine zu kaufen. Immer häufiger wird uns gemeldet, dass unterernährte Schüler im Unterricht vor Entkräftung in Ohnmacht fallen. Ausflüge fallen aus, weil die Eltern nicht bezahlen koennen. (...) Die letzten zehn Jahre vor der Krise wurde die Schulinfrastruktur etwas modernisiert. Die Folgen der Krise sind in diesem Bereich noch nicht sichtbar. Aber was kaputt geht wird nicht ersetzt. In Mittelklasse-Viertel, wo die Eltern noch keine großen Finanzprobleme haben, helfen sie der Schule finanziell. Das führt aber zur Kategorisierung der Schulen. Der Bau neuer Schulen wurde unterbrochen. Natürlich kommt eine Renovierung alter Schulen nicht in Frage. In etwa fünf Jahren wird uns die Situation in der Schule an die Länder der so genannten dritten Welt erinnern. (...) Von 2009 bis 2015 haben wir 1.435 Millionen weniger staatliche Ausgaben. Das ist eine Verringerung von 19,2%. (...) Das Bildungsministerium hat 1056 Schulen geschlossen, ohne vorher mit den Lehrern zu diskutieren. Der Förderunterricht wurde abgeschaftft. Der Fremdsprachenunterricht wurde eingeschränkt, die zweite Fremdsprache wurde in der Sekundarstufe abgeschafft. (...). Die Schulbibliotheken sind abgeschafft worden. (...) Das neue Schuljahr hat ohne Schulbuecher angefangen, der öffentliche Schulbuchverlag ist abgecshafft. (...) Innerhalb von zwei Jahren haben wir 14.000 weniger Lehrer. Die griechischen Lehrer arbeiten genauso viel wie die anderen Europäer (Durchschnitt 18,4 Stunden pro Woche), sollen aber nun laut OECD vier Stunden mehr arbeiten. Mit dem neuen Gesetz ist das Gehalt der Lehrer deutlich verringert worden: Der neu eingestellte Lehrer verdient 629 Euro im Monat. Ein Lehrer mit 17 Dienstjahren verdient 1.150 Euro (statt 1.430 vor der Krise). (...) Die Lehrer haben eine 20- bis 40%ige jährliche Einkommensverringerung. Das Rentenalter wurde auf 70 Jahre angehoben. Die Lehrerarbeitszeit ist für die meisten auf 40 Jahre verlängert worden. Mit dem neuen Gesetz kann der Staat nur eine Rente von 350 Euro nach 40 Dienstjahren garantieren. Der Restbetrag hängt von den Finanzen der Krankenkassen ab (...). Griechische und deutsche Angestellte müssen zusammenhalten, um gegen die neoliberale Politik Europas zu kämpfen und gerechtere Teilung des Reichtums zu fordern."

Hier die vollständige Rede zum Download:

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