Die Inflation ist in diesem Herbst (nicht nur) in Deutschland für alle spürbar geworden. Und es kündigt sich an, dass gerade die Energiepreise in den nächsten Monaten weiter kräftig steigen werden, zusätzlich zu den deutlichen Verteuerungen, die wir beim Einkauf unseres täglichen Bedarfs erleben. Auch wenn die Pandemie für uns alle sehr belastend war, so war sie doch für die meisten Mitglieder unserer Gewerkschaft finanziell noch zu schultern. Schließlich konnten (oder mussten) Viele noch arbeiten – manchmal zunächst nur online, später in der Notbetreuung und den wieder geöffneten Kitas und Schulen. Viele hatten Glück und ihre Gehälter wurden durchbezahlt. Das war in den meisten nicht-pädagogischen Arbeitsfeldern anders, wo die Kolleg*innen lange in Kurzarbeit gehalten wurden oder sogar Betriebe schließen mussten. Hier waren allerdings durchaus auch GEW-Kolleg*innen betroffen wie z. B. Studierende, denen ihre oft überlebensnotwendigen Aushilfsjobs wegfielen!
Die aktuelle Inflation spüren wir jetzt aber alle. Nach dem sehr mageren Tarifergebnis des TVL im letzten Jahr, der neben der ›Coronasonderzahlung‹ eine Tariferhöhung von 2,8% ab 01.12.22 für die Kolleg*innen an den Schulen vorsieht, wurde noch gesagt, dass das reichen wird, um die Inflation auszugleichen. Davon kann jetzt gar nicht mehr die Rede sein – und das ist allen bewusst.
Für viele Menschen ist die Situation dramatisch. Hartz-4-Empfänger*innen, Erwerbslose, alleinerziehende Teilzeitkräfte und Rentner*innen, Studierende, Auszubildende und Referendar*innen, sogenannte Geringverdiener*innen und prekär Arbeitende trifft es besonders hart, aber eben auch: Die junge Familie, die sich vor zwei Jahren eine eigene Immobilie hat finanzieren lassen und nun feststellen muss, dass die Zinsen nicht mehr sicher sind und sie von den Energiekosten an die Wand gedrückt wird. Eine solche Aufzählung kann natürlich nie abschließend sein. Die Situation ist klar, und die Frage stellt sich, was wir als Gewerkschaft jetzt machen müssen.
Wir stehen in dieser Situation glücklicherweise nicht allein. Gemeinsam mit unseren Schwestergewerkschaften im DGB Hamburg forderten wir im Juli die Einrichtung eines Notfallfonds in Hamburg für Menschen, die ihre Nebenkosten oder Miete nicht mehr zahlen können, ein Verbot von Kündigungen für Mieter*innen, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten, einen Gaspreisdeckel und die sinnvolle Entwicklung einer Übergewinnsteuer. Mitte August wurde diese Forderung noch einmal erneuert und die Hamburger Regierung aufgefordert sich auf Bundesebene für ein drittes Entlastungspaket einzusetzen. Im Herbst wird es Aktionen geben, die diese Forderungen untermauern.
Diese Zusammenarbeit im DGB ist wichtig und fruchtbar, aber auch als Einzelorganisation muss die GEW weiterhin die tarifpolitischen Themen unserer Mitglieder laut spielen! Auch oder gerade die, bei denen wir im letzten Jahr noch nicht erfolgreich waren: Wir haben immer noch keine Regelung zur Besserstellung der Vorschulkräfte und der schulischen Therapeut*innen! Die Dozent*innen in der Erwachsenenbildung arbeiten weiterhin überwiegend prekär! Es gibt immer noch keinen Tarifvertrag für die studierenden Hilfskräfte! Die Pensionäre wurden bei der Covidprämie einfach vergessen! Dabei werden wir von unserem Gegenüber durchaus mit der Haltung konfrontiert, dass es doch im Moment viel wichtigere Dinge gäbe. Das werden wir nicht hinnehmen! Für diese Kolleg*innen wird es im Moment noch einmal extra eng, ihr Benachteiligt-Werden deutlich spürbar. Da werden wir dran bleiben!
Wir haben es schon im Editorial [der hlz hlz 9-10/2022] geschrieben: Im nächsten Jahr stehen zwei Tarifauseinandersetzungen an. Im Frühjahr für den TVÖD und im Herbst für den TVL. Ich gehe davon aus, dass es starke Forderungen der Gewerkschaften geben wird um die Belastungen mindestens (!) auszugleichen. Das wird nicht einfach werden und wir bereiten uns jetzt schon vor, damit wir dann kämpferisch und phantasievoll in diese Auseinandersetzungen gehen können!
Als Gewerkschafter*innen sollten wir dafür kämpfen, dass unsere Gesellschaft solidarisch und gemeinsam durch diesen Herbst geht (im Kleinen wie im Großen) und nicht rechten Rattenfängern hinterherläuft. Lasst uns das tun, wir sitzen zwar nicht alle im gleichen Boot, fahren aber durch den gleichen Sturm!
Bodo Haß, stellvertretender Vorsitzender der GEW
Dieser Artikel erschien in der hlz 9-10/2022, S. 9