Angesichts des Weggangs von zwei Lehrkräften der Grund- und Oberschule Burg in Brandenburg wegen Bedrohungen aus der rechten Szene fordert die GEW eine konsequente Aufarbeitung der Vorfälle sowie mehr Unterstützung.
Von Elina Stock, Referentin im VB Vorsitzende
Vor etwa drei Monaten hatten Max Teske und Laura Nickel in einem Brandbrief rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule in Burg in Brandenburg publik gemacht und damit ein bundesweites Medienecho ausgelöst. Vergangene Woche erklärten beide, sich zum Ende des Schuljahres wegen massiver Anfeindungen sowie Bedrohungen vor Ort versetzen lassen zu wollen. Auf Instagram wurde zur Jagd auf die jungen Lehrkräfte aufgerufen. Der Staatsschutz ermittelt.
Das regionale Bündnis „Mehr Demokratie an Schulen“, in dem sich die engagierten Lehrkräfte vernetzt haben und weiterhin aktiv bleiben wollen, beklagt mangelnde Unterstützung von Schulleitungen, Schulämtern und Politik im Umgang mit rechter Hetze und Gewalt. Führende Politiker reagierten bestürzt, jedoch keineswegs überrascht angesichts dieser Entwicklungen.
Klare Kante gegen Rechts notwendig
Die Zahl politisch rechtsmotivierter Straf- und Gewalttaten ist bundesweit gestiegen, nicht nur in Brandenburg wurden im Halbjahr 2022/2023 vermehrt rechtsextreme Vorfälle an Schulen dokumentiert. Wie die Recherchen von Kontraste und dem rbb zeigen, sind die Vorfälle an der Schule im Spreewald kein Einzelfall in der Region. Seit den Baseballschläger-Jahren der 90er konnten sich extrem rechte Netzwerke etablieren und in die Mitte der Gesellschaft vordringen. Der Verfassungsschutz spricht von einer „toxischen Mischung“.
Die AfD mischt unverhohlen mit und triumphiert über den Rückzug der beiden Lehrkräfte. Der Cottbuser AfD-Vorsitzende Jean-Pascal Hohm, zuvor Funktionär der Jungen Alternativen, beteiligte sich öffentlich – via Twitter – an der Stimmungsmache gegen sie.
Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) appellierte an die Zivilgesellschaft, im Kampf gegen Rechts nicht nachzulassen und erneuerte zum Wochenende das 2015 gegründete „Bündnis für Brandenburg“ mit dem Appell: „In Brandenburg darf es keinen Ort geben, in denen Rechte Ängste schüren und Andersdenkende vertreiben wollen. Gerade jetzt: Wir brauchen klare Kante gegen Rechtsextremismus", sagte er auf dpa-Anfrage.
Sich für die Demokratie einsetzen
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verwies im rbb auf einen indirekten Zusammenhang zwischen den Vorfällen in Burg und den jüngsten AfD-Wahlerfolgen. Er bedauerte, dass die Vorteile einer Demokratie nicht überall wertgeschätzt würden. Man müsse wieder mehr Menschen davon überzeugen, dass die Demokratie nicht vom Himmel gefallen sei. Sie lebe davon, dass sich Menschen für sie einsetzten.
GEW mahnt: Nicht zur Tagesordnung übergehen
Der GEW-Landesvorsitzende Günther Fuchs spricht von einer neuen Dimension und Tragweite der rechten Hetzjagd gegen Lehrkräfte. Er erklärte „großes Verständnis für die Entscheidung der Lehrkräfte, die Schule wegen der Bedrohungen aus der rechten Szene zu verlassen“ und forderte eine konsequente Aufarbeitung der Vorfälle. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk betonte er, dass die GEW an der Seite der betroffenen Kolleg*innen stehe. Angesichts der Eskalation mahnte er: „Wir dürfen nicht zur Tagesordnung übergehen“.
Zugleich verdeutlichte Fuchs, dass Schulen – etwa für multiprofessionelle Teamarbeit – dringend und langfristig mehr personelle und finanzielle Unterstützung brauchen. Sie seien jedoch keine „Reparaturbrigade“ für tieferliegende gesellschaftliche Probleme und Defizite in der Demokratieentwicklung. Die Auseinandersetzung mit rechten Tendenzen, Wertevermittlung und Stärkung der demokratischen Kultur zur Prävention seien gesamtgesellschaftliche Herausforderungen. Es gelte auf vielen Ebenen gegenzusteuern.
„Wir dürfen nicht wegschauen oder schweigen, vielmehr ist es allerhöchste Zeit zu handeln.“ (Maike Finnern)
GEW-Vorsitzende Maike Finnern unterstrich dies: „Die Bedrohungen von rechts sind akut. Sie machen weder vor Bildungseinrichtungen noch vor Landesgrenzen Halt. Menschen- und demokratiefeindliche Ideologien breiten sich weltweit aus. Wir dürfen nicht wegschauen oder schweigen, vielmehr ist es allerhöchste Zeit zu handeln.“
Der Fall in Burg verdeutliche das einmal mehr auf dramatische Weise. Die GEW habe vielfach darauf aufmerksam gemacht, dass zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus mehr Unterstützung für die schulische und außerschulische politische Bildungsarbeit sowie eine nachhaltige Gesamtstrategie zur Demokratieförderung erforderlich seien.
„Demokratiebildung fällt nicht vom Himmel“
„Verstöße gegen das Grundgesetz – wie z.B. rassistische oder antisemitische Äußerungen sowie Aufrufe zu Gewalt – müssen in jedem Fall, auch an Bildungseinrichtungen, konsequenter geächtet sowie disziplinar- und strafrechtlich verfolgt werden. Von rechter Gewalt und Hetze Betroffene brauchen zudem unmittelbar und konkret Unterstützung. Das Vertrauen in die Demokratie wächst nicht durch Lippenbekenntnisse“, so Finnern.
„Demokratiebildung fällt nicht vom Himmel! Es braucht verlässliche Strukturen für zivilgesellschaftliche Initiativen und Bildungsträger sowie mehr Investitionen und koordinierte Anstrengungen, um präventive Arbeit und Handlungskompetenzen in der Auseinandersetzung mit antidemokratischen Kräften systemisch zu stärken“, kritisierte sie mit Blick auf das längst überfällige Demokratiefördergesetz sowie geplante Haushaltskürzungen auf Bundesebene.
Bildungssystem wird kaputtgespart
„Das Bildungssystem wird seit Jahren kaputtgespart. Von den Kürzungen im Bundeshaushalt sind wichtige Programme zur Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements, betroffen – wie etwa der Kinder- und Jugendplan (KJP), dem zentralen Förderinstrument im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, oder die Freiwilligendienste. Das sind vollkommen falsche Signale an die jungen Menschen und pädagogische Fachkräfte in Deutschland.“
Die GEW-Chefin bekräftigte noch einmal: „Wir stehen allen Kolleg*innen, die schwierigen Bedingungen und andauernden Belastungen zum Trotz als Pädagog*innen und Demokrat*innen Haltung zeigen, mit Rat und Tat zur Seite. Die GEW wird sich auch weiterhin „Aktiv gegen Rechts - für eine solidarische Gesellschaft“ stark machen.“