Der langjährige Prozess um die Buchreihe „Täterprofile“ des Hamburger Autors Hans-Peter de Lorent, in der er Biografien Verantwortlicher im Bildungssystem in der NS-Zeit veröffentlicht, endet mit einem Teilerfolg – dennoch folgt eine Revision
von Esther Geißlinger, freie Journalistin, für die E&W
Es ging um Krieg und Kartoffeln, um Führerreden und die Lage an der Front in den Briefen zwischen Oscar Toepffer und seiner Frau. In den 1940er-Jahren nahm Toepffer als Offizier an den deutschen Angriffen auf Polen und Frankreich teil. Später machte er Karriere in der Hamburger Schulverwaltung und war für kurze Zeit Bildungssenator in der Hansestadt. Nach dem Krieg war der Jurist „alten Kameraden“ bei deren Entnazifizierungsprozessen behilflich.
Ob der NS-Funktionär ein „Recht auf Vergessen“ hat und ob es einem Historiker gestattet ist, aus dessen privaten Frontbriefen und Tagebüchern zu zitieren, darüber stritten sich Christel Sachs, eine Enkelin Toepffers, und der Autor de Lorent vor Gericht. Beklagt ist auch die Stadt als Herausgeberin der Bücher de Lorents. Der jahrelange Prozess endete mit Teilerfolgen für beide Seiten – und soll in die nächste Runde gehen.
In seiner Buchreihe „Täterprofile“, in der de Lorent die Biografien von „Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz“ aufgearbeitet hat, zitiert der Autor sowie ehemalige Oberschulrat und Landesvorsitzende der GEW aus Briefen, die ihm eine Tochter Toepffers gab. Denn „vermutlich repräsentiert die Korrespondenz das, was in großen Teilen der Hamburger Bevölkerung gedacht wurde“.
Das Urteil des Hamburger Landgerichts zwingt ihn nun dazu, einen großen Teil des Materials zu schwärzen oder eine neue Fassung ohne wörtliche Zitate zu schreiben. Dagegen will de Lorent in Berufung gehen: „Mir ist unverständlich, dass Enkel und Urenkel in dieser Weise in historische Forschung und Darstellung eingreifen können“, sagt der Autor.
Er hat dabei Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) an seiner Seite. „Es ist aus Sicht des Senats wenig nachvollziehbar, dass Geschichtsforscher zukünftig Familienforschung betreiben müssen, um sämtliche Nachkommen einzeln zu bitten, dass man Quellen zitieren darf“, sagte Rabe der E&W. „Deshalb gehen wir in Revision und lassen diese Frage noch einmal höchstrichterlich klären. Das Verfahren hat aus unserer Sicht für die historische Forschung grundsätzliche Bedeutung.“
Private Briefe sind urheberrechtlich geschützt
Drei Bände der „Täterprofile“ erschienen zwischen 2016 und 2019 als Eigenpublikationen der Landeszentrale für politische Bildung der Hansestadt. Die Hamburger Juristin Sachs wollte den Beitrag komplett verbieten lassen – der Großvater habe ein „Recht auf Vergessen“ und solle nicht in eine Reihe mit „Tätern“ gestellt werden, der Titel der Reihe sei „reißerisch“.
Das Landgericht erkannte weder das „Recht auf Vergessen“ an, noch sah es das Persönlichkeitsrecht Toepffers durch die wissenschaftliche Veröffentlichung verletzt. Allerdings gab die Kammer der Klägerin Recht, was die Zitate im Text betrifft. Denn private Briefe seien urheberrechtlich geschützt und auch eine Enkelin dürfe die Verwendung verbieten. Wie auch immer das folgende Verfahren ausgeht, eines stehe bereits fest, so de Lorents Anwalt Lars Niedopytalski: „Das Ansinnen der Klägerin, den Namen Oscar Toepffers aus der Öffentlichkeit rauszuhalten, ist krachend gescheitert.“
Foto: In einer Buchreihe arbeitete Autor Hans-Peter de Lorent die Biografien Verantwortlicher im Hamburger Bildungssystem während der NS-Zeit auf.