Soziale Ungleichheit führt auch zu politischer Ungleichheit: Schülerinnen und Schüler an Gymnasien, die häufiger aus gut situierten Elternhäusern kommen, erhalten laut einer Studie mehr und bessere Angebote zur politischen Bildung.
14.06.2019 - Till Mischko, freier Journalist
Der Zugang zu politischer Bildung ist laut einer neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ungleich verteilt: Nur etwa die Hälfte der befragten Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 bis 10 bekommt politische Bildung in einem eigenständigen Fach angeboten, das zudem vorrangig an Gymnasien unterrichtet wird. In den Klassen 11 bis 13 der zum Abitur führenden, allgemeinbildenden Schulen verschärft sich die Diskrepanz noch: Belegt der Politikunterricht dort zwei bis drei Stunden auf dem Wochenstundenplan, ist er an Berufsschulen mit überwiegend nur einer Stunde unterrepräsentiert, wie aus der Untersuchung Wer hat, dem wird gegeben hervorgeht.
Weitere Ergebnisse: An Gymnasien sei politische Bildung oftmals nicht nur umfangreicher, sondern die Schülerinnen und Schüler schätzten diese auch als abwechslungsreicher und partizipativer ein als die Jugendlichen an anderen Schulen. Ungleiche Teilhabemöglichkeiten an politischer Bildung spiegelten sich zudem in den politischen Einstellungen der Heranwachsenden wider. „Erforderlich ist daher eine Stärkung politischer Bildung an allen Schulen, weil sich herkunftsbedingte Unterschiede der Schülerinnen und Schüler im Zugang zur politischen Bildung nicht durch die Wahl der Schulform verstärken dürfen“, heißt es. Befragt wurden knapp 3.400 Heranwachsende an 99 Schulen in den Klassen 9 bis 13 verschiedener Schulformen.
Brisant: Erst kürzlich kam die FES-Studie Verlorene Mitte – Feindselige Zustände zu dem Schluss, dass Rechtspopulismus und Verschwörungstheorien mittlerweile zur gesellschaftlichen Normalität gehörten. So hatten 54,1 Prozent der Befragten eine negative Meinung zu Flüchtlingen. Und während fremdenfeindliche Haltungen bei 28,3 Prozent mit maximal Hauptschulabschluss festgestellt wurden, stimmten nur 6,7 Prozent mit mindestens Fachabitur solchen Aussagen zu. Die Autorinnen und Autoren forderten daher, Bildungsinstitutionen seien in der Pflicht, diesen Entwicklungen entgegenzuwirken.
Auch die Studie „Wer hat, dem wird gegeben“ gibt Handlungsempfehlungen – etwa die Stärkung der politischen Bildung auch in der Lehrkräftebildung, die Begleitung von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Unterstützungsbedarf, eine Professionalisierung im Umgang mit Heterogenität sowie die Ausstattung der Jugendlichen mit Kompetenzen für die politische Kommunikation im Netz. Die Forderungen können auch als Ergänzung zu der von Politikdidaktikerinnen und -didaktikern entwickelten und von der GEW unterstützten Hofgeismar-Erklärung 2018 gelesen werden.