Der erste von drei Teilen zur Bildungspolitik der AfD stellt klar, wie die rechtspopulistische Partei systematisch versucht Unterrichtsinhalte nach rechts zu rücken und Lehrkräfte zu diskreditieren.
Die Alternative für Deutschland (AfD) sitzt nicht nur in 14 von 16 deutschen Landtagen, sondern seit September 2017 auch im Bundestag. Eines der Felder, auf denen die AfD versucht in die Offensive zu kommen, ist die Bildungspolitik. Sie will dabei gezielt auf Unterrichtsinhalte aber auch auf die Struktur des Bildungswesens Einfluss nehmen. Erhard Korn hat für die Zeitschrift „der rechte rand“ (164/2017) genauer hingesehen und entlarvt die Programmatik der AfD dabei als nationalistisch und rückwärtsgewandt. Dies ist der erste von drei Teilen zur Bildungspolitik der AfD.
Lehrkräfte sowie Dozentinnen und Dozenten an Hochschulen will die AfD durch Dienstaufsichtsbeschwerden einschüchtern, wenn sie AfD-kritische Veranstaltung unterstützen. Vor Ort greift die AfD – wie in Bernhausen bei Stuttgart – ganze Lehrerkräftekollegien als „rot-grün geprägt“ an. Einzelne Lehrkräfte werden angegangen, weil sie „die AfD als Partei Ewiggestriger“ bezeichnet hätten. „Diese Verbrecher gehören auf die Anklagebank wegen Volkshetze!“, kommentieren AfD-Anhänger in der Kommentarspalte der rechten Nachrichtenseite pi-news.net die Lehrerkritik an der AfD in Bernhausen. „Frau Merkel ist eine Verbrecherin am deutschen Volk, die ihre Jahre im Gefängnis absitzen müsste“, kommentiert der neugewählte Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner auf Facebook. In der AfD dominiert ein Freund-Feind-Denken, in dem Gegner kriminalisiert und Migrantinnen und Migranten kriminalisiert werden: „Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet!“ kündigte Markus Frohnmeier von der „Jungen Alternative“ bei einer PEGIDA-Kundgebung in Erfurt an. Der AfD-Abgeordnete Stefan Räpple verstieg sich im Stuttgarter Landtag zur Beschimpfung anderer Abgeordneter als „Volksverräter“ und laut der „Jungen Freiheit“ vom 11. November 2016 zur Bekundung: „Die im Bundestag würde ich auch aufhängen!“
Auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD im Unterricht reagiert die rechtspopulistische Partei zudem allergisch. Eine kritische Auseinandersetzung mit der AfD im Unterricht sei, so der Landtagsabgeordnete Stefan Räpple auf seiner Homepage, „nur noch als kriminell zu bezeichnen“ – müsse also strafrechtlich verfolgt und unterbunden werden. Gegen den Schroedel-Verlag kündigte er Strafanzeige an, da dieser Arbeitsblätter zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Parteiprogramm der AfD herausgibt. Des Weiteren rief Räpple dazu auf, „umgehend ALLE Druckerzeugnisse des Schroedel-Verlages zu boykottieren.“ In der ersten Anfrage der AfD-Baden-Württemberg unterstellte die Abgeordnete und stellvertretende Landesvorsitzende Christina Baum der Landesregierung eine Mitbeteiligung an der Erstellung der Arbeitsblätter und wollte wissen, an welchen Schulen diese eingesetzt werden. In Hamburg wollte die AfD sogar wissen, „welche Nicht-GEW-Mitglieder“ sich mit AfD-kritischen Materialien befassen.
Nationalidentität und Erziehung zur Männlichkeit
Die AfD stört sich noch an weiteren Unterrichtsinhalten. Die rot-grüne Landesregierung in Stuttgart strebe mit dem Bildungsplan „die Zerstörung der traditionellen Familie“, ja die Abschaffung des eigenen Volkes an, klagt die AfD-Abgeordnete Christina Baum. Wie Beatrix von Storch spricht sie von einem „schleichenden Genozid durch Genderismus“ und einer bewussten „Umvolkung“ durch Zuwanderung. Zusammen mit Beatrix von Storch hatte sie schon die „Demo für alle“ organisiert und dazu beigetragen, dass in dieser Anti-Bildungsplan-Bewegung die Grenze zwischen konservativen ChristInnen und extremer Rechte überwunden werden konnte – eine der Voraussetzungen für den Erfolg der AfD.
In der Dresdner Rede des hessischen Gymnasiallehrers Björn Höcke am 17. Januar 2017 forderte der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende gar eine erinnerungspolitische Kehrtwende um 180 Grad, kritisierte die „dämliche Erinnerungspolitik“, die Deutschland die kollektive Identität raube und beklagte, dass sich Deutschland „ein Denkmal der Schande ins Herz seiner Hauptstadt gepflanzt“ habe. Schule soll, so die AfD Sachsen-Anhalt, zu einer „gefestigten Nationalidentität“ erziehen und durch Disziplin „starke Männer“ formen. Außerdem will die Partei Lehrpläne zugunsten „positiver Anknüpfungspunkte“ umschreiben, damit die Geschichte Deutschlands „angemessen und unverfälscht“ dargestellt wird: die Erinnerung an Nazigräuel soll die Entwicklung eines neuen „Patriotismus“ nicht behindern.
In diesem Sinn beantragte die AfD im Stuttgarter Landtag drei Tage nach der Rede Höckes im Januar 2017, Zuschüsse für die Gedenkstätte Gurs zu streichen. In dieses Internierungslager vor den Pyrenäen waren 1940 die badischen Juden deportiert worden. Zudem beantragte die AfD, Zuschüsse für Fahrten zu „Gedenkstätten nationalsozialistischen Unrechts“ umzuwidmen in eine Förderung für Fahrten zu „bedeutsamen Stätten der deutschen Geschichte“. Der Bundesvorsitzende der „Jungen Alternativen“, Markus Frohnmaier (MdB) möchte zudem jeden Morgen das Deutschlandlied singen lassen. Der Sprecher von AfD Chefin Alice Weidel stellte im Zeitmagazin klar, dass dazu natürlich auch die erste Strophe „Deutschland, Deutschland über alles“ gehöre.
Neben der Wiedereinführung der Wehrpflicht fordert die AfD Baden-Württemberg in ihrem Landtagswahprogramm, den Einsatz von Jugendoffizieren der Bundeswehr an den Schulen ausweiten. Sie sollen an den Schulen „ohne Beschränkung“ agieren dürfen – und das kann nur heißen: ohne Berücksichtigung des Beutelsbacher Konsenses, ohne Kontrolle durch die Lehrkräfte und ohne potenzielle Gegenargumente aus der Friedensbewegung, wie das die Kooperationsvereinbarung des Kultusministeriums mit der Bundeswehr bisher noch vorsieht. Entsprechend fordert der AfD-Ideologe, Landessprecher und MdB Marc Jongen im Landeswahlprogramm eine „Erziehung zur Männlichkeit“ und zum „Thymos“ – damit die Deutschen wieder Wehrwillen entwickeln.
Fazit: Die AfD entwickelt sich sehr markant zu einer nationalistischen Rechtspartei. Ihr Ziel ist es, nationalistisches Denken auch in die Bildungslandschaft zu tragen indem sie systematisch Lehrende diskreditiert, kritisiert und gleichzeitig auf politischer Bühne versucht, Unterrichtsinhalte nach rechts zu rücken.
Quellen |
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Die Recherche von Erhard Korn für die Zeitschrift „der rechte rand“ geht auf eine Vielzahl von Quellen, wie z. B. AfD-Wahlkampfprogramme und Zeitungsartikel zurück. Das Quellverzeichnis gibt dabei einen Überblick über die Quellen, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. |
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