Anfang Juli treffen sich RegierungsvertreterInnen der „Gruppe der 20“ (G20) auf Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mit freundlicher Unterstützung des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) in Hamburg. Die führenden politischen RepräsentantInnen des globalen Kapitalismus versammeln sich in der Hansestadt, um die weltweite ökonomische Ausbeutung und politische Herrschaft in ihrem Sinne zu organisieren.
Dies geht nicht gänzlich widerspruchsfrei. Sobald die politischen und ökonomischen Interessen des westlich-imperialistischen Blocks dies- und jenseits des Atlantiks nicht friedlich erfüllt werden können, sorgen US-amerikanische GIs und europäische SoldatInnen im Nahen Osten (Irak, Afghanistan, Syrien, Jemen), in Afrika (Libyen, Somalia, Mali, Elfenbeinküste) oder Osteuropa (Ukraine) für ihre Durchsetzung. Der permanente Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln und im Namen von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit ist auch für die herrschende Klasse der Bundesrepublik mittlerweile so normal wie in George Orwells düstersten Vorstellungen.
Das Repertoire des westlichen Imperialismus erschöpft sich allerdings nicht in Militäreinsätzen. NATO und EU unterminieren z.B. auch die – mitunter autoritäre – Herrschaft unliebsamer Staatsoberhäupter, indem sie Oppositionelle und „bunte“ Bewegungen sponsern, während sie ihre Widersacher, etwa Wladimir Putin oder Baschar Al-Assad, dämonisieren, delegitimieren und deren Handeln anhand doppelter Standards bewerten. Reicht dies nicht aus oder ist es nicht möglich, unterstützen die FührerInnen der „freien Welt“ autoritäre Regime, wie z.B. in der Türkei und den Golfmonarchien, politisch, mit Waffen und Geld. Außerdem unterhalten sie Marionettenregierungen, unter anderen in Kiew, Kabul oder Bagdad ebenso wie islamistische Organisationen in Syrien, schicken Militärberater- und -ausbilderInnen, z.B. nach Mali oder Somalia, und statten ihre Verbündeten mit Geheimdienstinformationen aus. Parallel dazu werden in Metropolen wie den USA oder der BRD Polizei, Geheimdienste und Militär mit neuen Waffen bzw. Technologien und Befugnissen ausgestattet, um Angst zu schüren, Unmut auf Sündenböcke umzuleiten und Protest im Keim zu ersticken.
Die Leidtragenden des internationalen Wettlaufs um Absatzmärkte, natürliche Ressourcen, billige Arbeitskräfte und geostrategische Einflusssphären sind nahezu immer dieselben: allen voran die arbeitenden und marginalisierten Bevölkerungen in den Peripherien des kapitalistischen Weltsystems und die ohnehin geschwächten progressiven Bewegungen. Gleichzeitig werden die natürlichen Lebensgrundlagen zunehmend zerstört.
Anlässlich des Besuchs der politischen Verantwortlichen für den Flächenbrand im Nahen Osten und Osteuropa, die Zuspitzung der imperialistischen Konkurrenz um Afrika und die Militarisierung nach Innen und Außen werden wir über die Hintergründe, die Interessenlagen und die Kriegsursachen einzelner internationaler Konflikte sowie die militärische Aufrüstung in Deutschland im Rahmen einer mehrteiligen Veranstaltungsreihe informieren. Für die Wut auf die politischen und ökonomischen Charaktermasken der kapitalistischen Produktionsweise und den notwendigen Protest gegen den G20-Gipfel in Hamburg gibt es viele gute Gründe – man muss sie nur kennen!
Den Flyer zur Veranstaltungsreihe gibt es hier.
Ziemlich beste Freunde – Die Golfmonarchien und der Westen
Dienstag, 28. März 2017, 19 Uhr
Gerd Schumann (Berlin)
Ort: Magda-Thürey-Zentrum (MTZ), Lindenallee 72
In nahezu jedem Konflikt im Nahen Osten spielen die Golfmonarchien eine zentrale Rolle. Laut Ex-US-Außenministerin Hillary Clinton unterstützen Saudi-Arabien und Katar den „IS“ finanziell und logistisch, unter anderem für dessen Kampf im Syrien-Konflikt. Im Jemen intervenierte das saudische Königshaus jüngst in den Bürgerkrieg. Den „Arabischen Frühling“ im Nachbarstaat Bahrain ließ es vom Militär blutig niederschlagen. Gegen den gemeinsamen Feind Iran suchen die Regierungen Israels, Saudi-Arabiens und Kuwaits sogar den Schulterschluss. Trotz oder möglicherweise auch gerade wegen dieser Verwicklungen und ungeachtet der hinlänglich bekannten despotischen Herrschaftssysteme pflegen die westlich-imperialistischen Staaten seit langer Zeit gute Beziehungen mit den Königen am Golf – frei nach dem Motto: „Er ist ein Bastard, aber er ist unser Bastard“. Gerd Schumann analysiert, welche Rolle die Golfmonarchien für den westlichen Imperialismus spielen, warum die „westlichen Werte“ dabei keine Rolle spielen und welche Interessen die Herrschaftshäuser selbst im Nahen Osten verfolgen.
Go East? Zum Status quo des Ukraine-Konflikts
Donnerstag, 27. April 2017, 19 Uhr
Kai Ehlers (Hamburg), Susann Witt-Stahl (Hamburg)
Ort: Magda-Thürey-Zentrum (MTZ), Lindenallee 72
Kaum etwas hat die ökonomischen und politischen Eliten in Deutschland in den vergangenen Jahren außenpolitisch derart in Aufruhr versetzt wie die Folgen des von ukrainischen (zum Teil faschistischen) Neoliberalen unterstützten Vorstoßes der EU und NATO nach Osten. Teile der ukrainischen Bevölkerung und Russland haben sich den Bestrebungen Deutschlands und der USA widersetzt, die Ukraine wirtschaftlich und geopolitisch in den westlichen Einflussbereich zu integrieren. Im 2016 publizierten Weißbuch der Bundeswehr wird der Ukraine-Konflikt gar als „eine der schwersten Krisen europäischer Sicherheit seit Ende des Kalten Krieges“ bezeichnet. Die Verantwortung dafür wird hierzulande einseitig Russland zugewiesen. Unsere ReferentInnen Kai Ehlers und Susann Witt-Stahl untersuchen das Gemenge imperialistischer Interessen und ihrer Durchsetzung, informieren über die neoliberale Politik der pro-westlichen Regierung in Kiew, berichten von den im Winter 2016/2017 erneut intensivierten Kämpfen im Donbass und geben eine Einschätzung der Lage des kommunistischen und antifaschistischen Widerstands in Kiew sowie in den international nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk.
Afrika im Fadenkreuz westlicher Interessenpolitik?
Donnerstag, 11. Mai 2017, 19 Uhr
Werner Ruf (Kassel)
Ort: Curio-Haus, Rothenbaumchaussee 15, Hinterhaus
Afrika gerät zunehmend in den Fokus der Interessenpolitik kapitalistischer Zentren. In den „Afrikapolitischen Leitlinien“ der Bundesregierung werden die „Chancen“ für die deutsche Wirtschafts- und Machtpolitik in Afrika angepriesen, während hiesige Unternehmerverbände auf die politische Absicherung von Kapitalexporten drängen. Der Bundeswehreinsatz in Mali ist mittlerweile zur umfangreichsten Intervention des deutschen Militärs ausgeweitet worden, eine deutsche Militärbasis im Niger ist in Planung. Frankreich versucht derweil – teils als EU-Partner, teils in Konkurrenz zur BRD – seinen historisch beanspruchten Einfluss in „Françafrique“ aufrecht zu erhalten. Schon 2007 haben die USA ihre Militärpräsenz im Rahmen des regionalen Africa Command (Africom) ausgebaut. Einig sind sie sich trotz Konkurrenz und Divergenzen darin, dass Afrika ins westliche Herrschaftssystem eingegliedert bleiben- und der ökonomische und zunehmend auch politische Einfluss Chinas zurückgedrängt werden soll. Werner Ruf analysiert unter schwerpunktmäßiger Betrachtung der Entwicklungen in Mali und Niger die Afrikastrategien der imperialistischen Mächte und ihre Konsequenzen.
Ein „Akt der Barbarei“? Der Syrien-Krieg nach Aleppo
Dienstag, 20. Juni 2017, 19 Uhr
Karin Leukefeld (Bonn)
Ort: Club!Heim, Sternschanze 4 (im Schanzenpark)
Kurz vor Weihnachten 2016 ließ sich die US-amerikanische UN-Botschafterin Samantha Powers vor dem UN-Sicherheitsrat zu der Aussage verleiten, im syrischen Aleppo sei ein „Akt der Barbarei gegen die Zivilbevölkerung“ verübt worden, der in einer Reihe mit den Verbrechen in Ruanda und Srbrenica stehe. Kurze Zeit später, nach der Rückeroberung der Stadt durch die syrische Armee mit Unterstützung Russlands und der Niederlage der westlichen Alliierten, schwiegen plötzlich nicht nur die Waffen in Aleppo, sondern auch die westlichen Regierungen und Medien.
Karin Leukefeld, freie Korrespondentin im Mittleren Osten und seit 2010 in Syrien akkreditiert, wird Hintergründe und die nationalen und internationalen Interessenskonflikte erläutern, die den Krieg in Syrien befeuern und sein Ende blockieren.
Vom Hafengeburtstag bis G20 – Die Bundeswehr im Einsatz an der Heimatfront
Montag, 3. Juli 2017, 19 Uhr
Alison Dorsch (Bündnis Bildung ohne Bundeswehr – BoB)
Ort: Internationales Zentrum B5, Brigittenstraße 5
Es ist davon auszugehen, dass die Bundeswehr im Zuge des G20 Gipfels in Hamburg eingesetzt werden wird. Das wäre nach dem OSZE-Gipfel im Dezember 2016 innerhalb von sechs Monaten schon das zweite Mal, dass das Militär im Kontext sozialer Proteste in Hamburgs Straßen aktiv würde. Die Kooperation von Polizei und Militär ist in Deutschland keine Seltenheit. Die beiden staatlichen Repressionsorgane arbeiten routiniert zusammen und die Militärs sind ständig im Inland im Einsatz. Dabei berufen sich die BefürworterInnen dieser Praxis auf das Grundgesetz, das ursprünglich dazu gedacht war, Polizei und Militär strikt voneinander zu trennen. Seit Bestehen der Bundeswehr ist jedoch ein Prozess der schleichenden Ausweitung ihrer Befugnisse zu beobachten. Zurzeit laufen solche Vorstöße vor allem unter dem Schlagwort der „Terrorabwehr“. Die Armee übernimmt an der Heimatfront jedoch nicht allein repressive Aufgaben. Sie arbeitet auch aktiv daran, ihre „Wurzeln nach dem Ende der Wehrpflicht wieder tiefer in die Gesellschaft zu treiben“. Dazu schleppen SoldatInnen Sandsäcke, registrieren Flüchtlinge und geben Unterrichtseinheiten an Schulen. Alison Dorsch gibt einen Überblick darüber, was die SoldatInnen in Deutschlands Straßen dürfen, was sie tatsächlich machen und welche gesellschaftlichen Kräfte davon profitieren.