Von Gefahren und Gebieten

31. Januar 2015Von: WebredaktionThema: Aktionen und Kampagnen
Veranstaltungsreihe zu Ordnung und Kriminalisierung von, im und durch Raum
Von Gefahren und Gebieten

Für Februar und März 2015 organisieren wir eine 3-teilige Reihe zu Gefahrengebieten. Wir wollen uns anschauen, wie Gefahrengebiete als polizeiliches und stadtpolitisches Instrumentarium zur Aufrechterhaltung von herrschender Ordnung funktioniert und wie sie städtischen Raum anhand rassistischer, sexistischer und kapitalistischer Kriterien strukturieren.

Hier findest du stetig aktualisierte Infos zur Veranstaltungsreihe:
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Mit der Errichtung des bislang größten Gefahrengebiets versuchte die Hamburger Polizei im Januar 2014 mit Unterstützung des Senates die politischen Kämpfe von Lampedusa in Hamburg, Rote Flora und Esso Häusern zu kriminalisieren. Darauf folgten wochenlang diverse Gegenproteste, die auch international für Aufsehen sorgten. Die Aufregung ist vorbei. Gefahrengebiete – wie die permamenten Gebiete in St. Georg und St. Pauli, sowie die stetige Möglichkeit von Polizei und Senat neue Gefahrengebiete einzurichten – gibt es aber immer noch und sie dienen weiterhin der Kontrolle, Kriminalisierung und Vertreibung.
Die Ausrufung von „gefährlichen Gebieten“ beinhaltet, dass Handlungen und Personen an diesen Orten für gefährlich, kriminell und illegal erklärt werden. Auf diese Weise wird Kriminalität durch Raum konstituiert. Die Praktiken der Kontrolle und Vertreibung sind anhand rassistischer, sexistischer und kapitalistischer Kriterien konzipiert und betreffen entsprechend nicht alle Menschen gleichermaßen. Mit der Veranstaltungsreihe wollen wir neben der allgemeinen Funktionsweise von Gefahrengebieten zur Verwaltung von Armut und zur Aufrechterhaltung der herrschenden Verhältnisse auch die Mechanismen der Ausgrenzung gegenüber Sexarbeiter_innen und rassistisch diskriminierten Menschen beleuchten.

Veranstaltungen:

  • Montag, 02.02., 19:00. Gefahrengebiete – wie Polizei Stadt/-bevölkerung ordnet.
    Mit Bernd Belina (Universität Frankfurt)

    In den Gefahrengebieten, die im Januar 2014 in Hamburg ausgewiesen wurden, gab sich die Polizei „auf Grund von konkreten Lageerkenntnissen“ (PolDVG) selbst die Erlaubnis, „Personen kurzfristig an[zu]halten, [zu] befragen, ihre Identität fest[zu]stellen und mitgeführte Sachen in Augenschein [zu]nehmen“ (ebd.). Diese Art der Regelung existiert so oder ähnlich in allen Bundesländern und wird auch regelmäßig angewandt. Im Vortrag wird diskutiert, wie diese Praxis funktioniert, welche diskriminierenden Effekte sie hat und warum sie als Strategie der Verwaltung von Armut und zur Aufrechterhaltung einer rassistischen Ordnung zu interpretieren ist.

  • Montag, 16.02., 19:00. Wer hat Angst vor‘m Banlieu? Wie städtische Unsicherheitszonen mit Migration in Zusammenhang gebracht werden.
    Mit Lee Hielscher (Kritnet. Netzwerk kritische Migrations- und Grenzregimeforschung)

    Am Beispiel Berlin-Neuköllns wird seit Jahren eine diffuse Bedrohung der Stadtgesellschaft durch Migration nach außen getragen. In Folge der französischen Banlieu Unruhen verstärkte sich das Reden über bedrohliche Zonen innnerhalb deutscher Städte massiv. Im Zuge dessen wurde eine Reihe von Pionierprojekten zwischen Polizei, Justiz, Behörden und Stadtmanagement in die Wege geleitet. Anhand des Projektes „Task Force Okerstraße“ und der damit verbundenen Verdrängung von Roma sollen die Prozesse von der Schaffung eines Problemviertels, über staatliche Interventionen bis hin zur Befriedung erläutert und diskutiert werden. Dabei wird auch auf europäische Migrations- und deutsche Polizeidiskurse geschaut.

  • Montag, 02.03., 19:00. Repression gegen Sexarbeiter_innen in St. Georg.
    Mit Kathrin Schrader (Universität Frankfurt)

    Warum gibt es Leben, die für die Gesellschaft keinen Wert haben und nur noch als parasitär sowie als Verwaltungsproblem verhandelt werden? Der Analyse des Philosophen und Soziologen Z. Baumans nach bedeutet überflüssig sein, überzählig und nutzlos zu sein. Die Überflüssigen erfüllen nicht die Mindestanforderung einer von der Marktwirtschaft durchdrungenen Gesellschaft, nämlich eine Ware zu sein. Sie können keinen Platz in der kapitalistischen Verwertungslogik einnehmen und haben somit ihre Existenzberechtigung verloren. Diese Prozesse lassen sich auf die städtischen Verdrängungsprozesse übertragen, die „Nutzlosen“ in der Gestalt von Erwerbslosen, Prostituierten, Flüchtlingen, Drogenkonsument_innen, Terrorist_innen und Linksextremen sind eine Gefahr und ein Risiko für den städtischen Raum. Sie stören den Wohlfühlbereich der Leistungsträger_innen und werden deshalb durch ein vielfaches von Regulierungen verdrängt. Am Beispiel der Repression von Sexarbeiter_innen in St. Georg werden wir über diese Prozesse diskutieren und über Strategien der Widersetzung und Solidarisierung nachdenken.