Die GEW Hamburg unterstützt den Aufruf.
Seit dem 20. Januar 2018 greift das türkische Militär gemeinsam mit salafistischen bzw. dschihadistischen Gruppierungen das Gebiet Afrin in Rojava/Nordsyrien an. KurdInnen muslimischen, alevitischen und ezidischen Glaubens stellen die Bevölkerungsmehrheit Afrins. Darüberhinaus ist es Heimat christlicher AssyrerInnen und syrischer AraberInnen sowie vereinzelt ArmenierInnen. Die Stadt Afrin mit ihren umliegenden Dörfern im äußersten Nordwesten Syriens konnte seit Beginn des Kriegs trotz wiederholter Angriffe durch die Nusra-Front, den Islamischen Staat (IS), anderer islamistischer Gruppen oder das türkische Militär relative Stabilität und Frieden bewahren. Mehr noch wurde Afrin v.a. ab 2015 für Hunderttausende Binnenflüchtlinge aus Aleppo und den umliegenden Gebieten trotz Embargo und Isolation ein sicherer Hafen. Bis jetzt. Denn die türkische Armee und verbündete Salafisten bzw. Dschihadisten unter dem Label Freie Syrische Armee (FSA) greifen momentan nicht nur auch Flüchtlinge gezielt an, sondern verursachen neue Fluchtbewegungen.
Bei den vom türkischen Militär geführten Angriffen von Boden und aus der Luft sind bis dato [Stand: 6. Februar 2018] 148 ZivilistInnen, darunter 17 Kinder, getötet worden. Die Zahl der Verwundeten liegt momentan bei 365. Bei einem großen Teil dieser zivilen Opfer handelt es sich um syrische Binnenflüchtlinge. Gezielt werden zivile Wohngebiete mit Artillerie und aus der Luft bombardiert, ganze Dörfer dem Erdboden gleich gemacht und systematisch Infrastruktur, wie Wasseraufbereitungsanlagen, zerstört. Videoaufnahmen belegen Kriegsverbrechen, wie die Leichenschändung der YPJ-Kämpferin Barin Kobane als auch Folter und Misshandlung von gefangenen Kämpfer*innen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten und verschleppten Zivilist*innen.
Das türkische Militär führt gemeinsam mit Islamisten, die sich dem Label FSA bedienen, einen Angriffskrieg gegen ein Gebiet, das innerhalb der syrischen Staatsgrenzen liegt. Der türkische Überfall mit dem Ziel, Afrin zu besetzen und ethnische Säuberungen durchzuführen, stellt einen klaren Völkerrechtsbruch dar und muss auch so benannt und verurteilt werden. Hinzu kommt, dass der NATO-Partner Türkei und seine islamistischen Verbündeten diese Verbrechen mit deutschen Leopard-II-Panzern und Waffen begehen. Mit diesen Waffen aus deutscher Produktion wird nicht nur die Zivilbevölkerung bekämpft, sondern auch jene Frauen und Männer, die aufopferungsvoll den IS in ihrer Hochburg Rakka, in Kobanê und anderen Orten besiegt und somit auch unsere Sicherheit in Deutschland verteidigt haben.
Afrin ist eines der drei demokratisch selbstverwalteten Gebiete, die die Demokratische Föderation Nordsyrien umfasst. Seit 2012 wird hier das Projekt des Demokratischen Konföderalismus trotz Krieg und Embargo aufgebaut. Dieses strebt die gleichberechtigte Selbstverwaltung und demokratische Selbstbestimmung von Ethnien, Religionen und Geschlechtern an. Unter der führenden Rolle von Frauen findet ein Aufbruch statt, der für die gesamte Region richtungsweisend sein und ein Lösungsmodell für jahrzehntealte Konflikte darstellen kann. Dieses Projekt, das Hoffnung für ein friedliches und demokratisches Syrien macht und einen positiven Effekt auf die gesamte Region haben kann, verdient unsere Unterstützung. Die türkischen Angriffe jedoch unterhöhlen die Chance auf eine baldige Lösung im syrischen Konflikt, sie destabilisieren die gesamte Region weiter, führen zu noch mehr Leid und Flucht. Vor allem die verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen in Afrin sind ernsthaft mit der Gefahr eines Völkermords konfrontiert.
In der Türkei selbst werden alle Menschen, die sich gegen diesen Krieg und für Frieden aussprechen, als Terrorist und Vaterlandsverräter abgestempelt. Bisher sind mehr als 600 Menschen in der Türkei verhaftet worden, weil sie sich öffentlich oder auf sozialen Medien gegen den Angriffskrieg auf Afrin ausgesprochen haben. Auch deshalb ist es von großer Bedeutung, dass wir unsere Stimme gegen Erdogans Krieg erheben.
Als Bündnis für Demokratie und Frieden in Afrin rufen wir zur breiten Solidarität auf und fordern von der Bundesregierung:
1. Sofortige Maßnahmen, insbesondere auch auf UNO, EU und NATO-Ebene, für die Beendigung des völkerrechtswidrigen Angriffs des türkischen Militärs auf Afrin
2. Sofortiges Ende deutscher Rüstungsexporte in die Türkei und sonstige autokratische Regime
3. Politischen und diplomatischen Einsatz für die Wiederaufnahme der 2015 abgebrochenen kurdisch-türkischen Friedensgespräche
4. Die Anerkennung der Demokratischen Föderation Nordsyrien und Unterstützung der demokratischen Selbstverwaltungen
5. Humanitäre Hilfe für den Kanton Afrin, insbesondere für Verwundete und Flüchtlinge
Um unseren Forderungen Nachdruck zur verleihen, rufen wir dazu auf, gemeinsam für Demokratie und Frieden in Afrin auf die Straße zu gehen und gegen die türkische Aggression zu protestieren. Alle demokratischen Institutionen und Verbände, Anti-Kriegs-, Ökologie- und Frauenbewegungen, Gewerkschaften sowie Einzelpersonen sind eingeladen unseren Aufruf zu unterstützen und zu verbreiten.
03.03.2018 (Samstag)
Bündnis für Demokratie und Frieden in Afrin
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de