In Hamburg ist seit vorgestern ein Institutsgebäude besetzt. Grund ist die Ökonomisierung der Hochschule. Anlässlich massiver Budgetkürzungen, von denen insbesondere die studentische Orientierungseinheit in Hamburg betroffen ist, sahen sich die Studierenden zu einer Besetzung gezwungen. Diese Entscheidung ist im Rahmen einer studentischen Vollversammlung gefällt worden. Folgendes wird gefordert:
- Die sofortige Wiederaufstockung der Mittel für die Orientierungseinheit auf 30.000 € pro Semester
- Die bedarfsgerechte Finanzierung der Hochschulen (Neuverhandlung der "Hochschulvereinbarung") und aller öffentlichen Einrichtungen, damit auch die Abschaffung der Schuldenbremse.
- Eine gemeinsame Diskussion zu einer kontinuierlichen Studienreform zur Verbesserung der Studien- und Lehrbedingungen, zur Verbesserung der sozialen Lage, zu Demokratisierung und Ausfinanzierung der Hochschulen und zur Weiterentwicklung der Sozialökonomie an der Uni Hamburg.
Die GEW solidarisiert sich mit studentischen Forderungen. Hier findet ihr weitere Infos: https://lernfabriken-meutern.de/hwpbesetzt/
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Pressemitteilung zur studentischen Besetzung des Fachbereiches Sozialökonomie (ehem. HWP) der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg
Am Abend des 16. April 2018 beschlossen wir, eine außerordentlich einberufene studentische Vollversammlung des Fachbereichs Sozialökonomie (ehem. HWP) der Universität Hamburg, das Gebäude des Fachbereichs Sozialökonomie (Von-Melle-Park 9) zu besetzen. Damit soll auf die Unterfinanzierung der Hochschulen und die damit verbundenen Budgetkürzungen der Orientierungseinheit („OE“, studentische Einführungsveranstaltung für Erstsemester*innen) des Bachelor-Studiengangs Sozialökonomie aufmerksam gemacht werden. Die Orientierungseinheit wurde um rund 60 Prozent gekürzt. Verwaltungstätigkeiten, Forschungstätigkeiten und curriculare Lehrveranstaltungen im Gebäude des Fachbereichs Sozialökonomie werden durch die Besetzung auf unbestimmte Zeit ausfallen.
Folglich ist Raum und Zeit geschaffen, dass wir uns mit den zwei großen Konflikten hinter den massiven Budgetkürzungen befassen: Zum einen mit der Unterfinanzierungsproblematik der Hochschulen bzw. des gesamten öffentlichen Sektors. Zum anderen ist kaum eine andere Einschätzung möglich, als dass die Orientierungseinheit des Bachelor-Studiengangs Sozialökonomie mittel- und langfristig bewusst ausgeblutet werden soll, denn die Budgetkürzungen der Orientierungseinheit fußen auch auf einem inhaltlichen Konflikt.
Die kommenden Besetzungstage werden, wie auch die Orientierungseinheit, einen lebedigen und emanzipatorisch fundierten Charakter haben. So wollen wir die Kultur auf dem Campus und darüber hinaus zum Positiven verändern: In Workshops (beispielsweise zur 68er-Bewegung, inhaltlichen Segmenten der Orientierungseinheit Sozialökonomie oder auch den aktuellen Studierendenprotesten in Frankreich) werden wir exemplarisch den Konflikt um Ausfinanzierung und den Konflikt um ein kritisches Wissenschaftsverständnis behandeln und führen. Zudem wird eine größere Demonstration geplant und es finden Podiumsdiskussionen sowie Plena statt.
Wir fordern mit der Besetzung die sofortige Ausfinanzierung der Orientierungseinheit Sozialökonomie und eine offene Diskussion über den inhaltlichen Konflikt, der hinter den Budgetkürzungen steckt. Außerdem fordern wir die komplette, bedingungslose Ausfinanzierung der Hochschulen, die Überwindung des Bachelor-Master-Systems und anderen Konsequenzen der neoliberalen Bildungspolitik, sowie den unbedingten Anspruch an Wissenschaft, positiv auf die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse einzuwirken.
Annika Trommeter, studentische Vertreterin im Ausschuss für Lehre und Studium des Fachbereiches Sozialökonomie der Universität Hamburg, dazu: „In der Orientierungseinheit des Bachelors Sozialökonomie wird eine solidarische Studierendenkultur befördert. Es wird die Perfidität der zunehmenden Ökonomisierung von Hochschulen, die durch Bachelor-Master-System, Drittmittelabhängigkeit und Prüfungslast zum Ausdruck kommen, thematisiert. Zudem wird die historisch-spezifische Gewordenheit des Fachbereichs mit den Teilnehmenden gemeinsam erarbeitet. Es wird außerdem ein kritisches Verständnis von Lehre, Forschung und Bildung sowie die Rolle der Hochschulen als gestaltbare, in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung stehenden, Akteurinnen beleuchtet. Dies ist offensichtlich nicht mit dem gängigen Wissenschaftsmainstream und den Ökonomisierungstendenzen vereinbar und damit vielen Professorinnen und Professoren, Lehrenden und Verwaltungsmitarbeitenden ein Dorn im Auge.“
Artur Brückmann, studentischer Vertreter im Fakultätsrat der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg, ergänzt: „Wir möchten deutlich machen, dass der Konflikt um die Ausfinanzierung der Orientierungseinheit in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge eingelassen ist. In Frankreich sind derzeit als Protest gegen die Austeritätspolitik Macrons und dessen elitäre Hochschulreform diverse Universitäten besetzt. Wir solidarisieren uns mit dieser Besetzung auch mit den Protesten unserer Kommilitoninnen und Kommilitonen in Frankreich. Letztendlich ist es die gleiche neoliberale Politik wie bei uns, gegen die sich die Besetzung der Hochschulen in Frankreich richtet. Wir wollen durch unsere Aktion auch ein Zeichen setzen gegen die geringe mediale Aufmerksamkeit für die Situation an Frankreichs Hochschulen.“
gez. Aktive rund um die Kürzungen der Orientierungseinheit Sozialökonomie, darunter der Fachschaftsrat (FSR) Sozialökonomie
Foto: FSR Sozialökonomie an der Universität Hamburg