Am 10. Mai 2017 fand die feierliche Einweihung des Gedenkortes denk.mal Hannoverscher Bahnhof zur Erinnerung an über 8000 Juden, Roma und Sinti statt, die von 1940 bis 1945 vom Hannoverschen Bahnhof aus nach Osten, etwa ins Getto nach Lodz oder nach Auschwitz, ins Vernichtungslager deportiert wurden.
Die Anlage des Gedenkortes visualisiert die verbrecherischen Deportationen. Die 20 dort aufgestellten Namenstafeln entsprechen den 20 Zügen, mit denen die Menschen der Vernichtung zugeführt wurden. Bevor der Besucher zu den Namenstafeln kommt, muss er die sogenannte „Fuge“ passieren, zwei mit jedem Schritt höher werdende Mauern. Paul Celans Gedicht: Todesfuge wird assoziiert. Die Reise führte ins Verderben. Nur Wenige haben überlebt.
Planung und Durchführung des Gedenkortes am Lohseplatz ist bei der Kulturbehörde angesiedelt, Ansprechpartnerin ist Frau Dr. Busse von der Kulturbehörde; die Aufarbeitung der Lebensgeschichten liegt bei Historikern des KZ Neuengamme. – Ein detailliertes Dokumentationszentrum am Lohseplatz ist bereits vorhanden, hat aber noch nicht seine endgültige Form gefunden.
Während der Feierstunde am 10. Mai kamen außer dem Ersten Bürgermeister auch Vertreter von Juden und Roma und Sinti zu Wort, außerdem die 92jährige Dr. Lucille Eichengreen, eine der wenigen Überlebenden. Während Olaf Scholz auf die Geschichte des Hannoverschen Bahnhofs einging und diesen als Gedächtnis der Stadt und die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart apostrophierte, war die Rede von Lucille Eichengreen ganz persönlich.
Lucille Eichengreen kam 1941 16jährig mit Mutter und Schwester nach Lodz, später nach Auschwitz. Sie nennt Auschwitz „Hölle meines Lebens“. Später kam sie nach Neuengamme, dann nach Bergen-Belsen, wo sie befreit wurde. Sie ist die einzige Überlebende ihrer Familie. Seit 1956 lebt sie in Amerika; eine Rückkehr nach Deutschland war für sie unvorstellbar. – Sie stellt die Frage, warum es mehr als 70 Jahre gedauert hat, bis am Hannoverschen Bahnhof die Erinnerungsstätte entstand, die an den Bahnhof ohne Weiterfahrt erinnert.
Eine Gruppe aus dem Vorstand der BG Ruheständler_innen ist mit Arbeiten zu den 999er Strafsoldaten befasst, die vom Hannoverschen Bahnhof aus deportiert wurden. Sie bekamen eine kurze militärische Ausbildung zunächst auf dem Heuberg (Württemberg), später in Baumholder (Rheinland-Pfalz), bevor sie nach Afrika, Russland oder Griechenland und anderen Einsatzgebieten verbracht wurden. Es freut uns, dass der Erste Bürgermeister die Regierungsgegner unter den 999ern erwähnt hat. Die 999er fehlen noch als Opfergruppe. Auch ihnen muss durch Gedenken ihre Menschenwürde zurückgegeben werden.
Unsere Empfehlung an unsere aktiven Kollegen: Besucht mit euren Klassen den Gedenkort denk.mal Hannoverscher Bahnhof. Er kann Lebensgeschichten erzählen und den zynisch vernichteten Menschen durch Erinnerung wieder ein Gesicht geben.
Bettina Wehner
Bild: Gerhard Wöbbeking, große Resonanz bei der Einweihung