Zum Internationalen Frauentag am 8. März 2022: Antifeminismus und rechter Männlichkeitsideologie entgegentreten!
Anti-Feminismus und rechte Männlichkeitsideologie – zwei Seiten einer Medaille
Antifeminismus richtet sich als „(zumeist organisierter) Widerstand [...] gegen Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit und/oder gegen Frauenbewegungen, Feminismus und/oder vielfältige Lebens- und Liebensformen“, so Judith Rahner, Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung, die seit vielen Jahren die Fachstelle „Gender, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus“ leitet. Antifeminismus ist damit im Kern antidemokratisch und richtet sich gegen die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens. Antifeministische Argumentationen sind nicht nur bei AfD-Angehörigen/Nazis, sondern bis weit in die Mitte der Gesellschaft zu finden. Der Transfer antifeministisch-antidemokratischer Gesinnungen funktioniert über den Anschluss an 1. gängige Klischees und Vorurteile – dass bspw. Feministinnen kinder- und männerfeindlich seien und daher die Schuld am demografischen Wandel tragen – und 2. Männlichkeitsvorstellungen, nach denen Männer Frauen ‚natürlich’ überlegen seien und ihnen die Ausübung von (Waffen-)Gewalt zustehe. Diese Haltung führt in der Konsequenz zum Femizid, d.h. zur Tötung weiblicher Angehöriger, die es wagen, sich dem männlichen Aggressor (Ehemann, Vater, Bruder) zu entziehen oder zu widersetzen – Beispiele dafür sind fast täglich in den Medien zu finden und werden meist verharmlosend als ‚Familienstreitigkeit’ bezeichnet. Die aktuelle Kriegssituation im Osten Europas dürfte solch ‚toxische’ Männlichkeiten weiter befördern – begünstigt doch die einsetzende Militarisierung Vorstellungen von harter Männlichkeit, von Männern als entschlossene Führer und ‚Vaterlandsverteidiger’, denen Frauen den Rücken freihalten, also für die Reproduktion sorgen sollen.
Gender als Aufhänger für rechte Narrative
Ein zentrales Angriffsziel von Antifeministen ist der Begriff Gender: Gender (engl./am.) meint das soziale Geschlecht einer Person, Genderforschung befasst sich mit der Frage, wie soziale Geschlechterunterschiede und Geschlechterungleichheiten hergestellt werden: In der Sprache, in Interaktionen, in Gesetzen, in Kultur, Wirtschaft, Politik oder auch in Gewerkschaften. In der antifeministischen Ideologie fungiert Gender als Aufhänger für die Emotionalisierung und Polarisierung von Debatten. Schlagwörter wie „Genderwahn“ und „Genderideologie“ leiten rechtsextreme Narrative ein, in denen demokratische Bestrebungen in ihr Gegenteil verkehrt werden. So wird behauptet
- Antidiskriminierungsmaßnahmen zum Schutz von Frauen oder Minderheiten würden ‚die Mehrheit diskriminieren’,
- die Anerkennung vielfältiger Lebensweisen sei ein ‚Zwang zur Umerziehung’,
- die Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit bedeute die ‚Verweiblichung und Erniedrigung des Mannes’,
- die Einführung geschlechtergerechter Sprache sei eine ‚Vergewaltigung’ der deutschen Sprache,
- Gender zerstöre ‚richtige’ Frauen und Männer und die Familie,
- Gender beschädige das Kindeswohl und führe zu ‚Frühsexualisierung’.
Der Antifeminismus, so Judith Rahner, ist gemeinsamer Nenner verschiedener reaktionärer/rechter Organisationen/Bewegungen.
Antifeministische Akteure
Die Agenten des Antifeminismus sind in allen Bereichen der Gesellschaft zu finden, sie sammeln sich in männerbündisch organisierten Szenen und Gruppen. Antifeministen melden sich in allen Medien zu Wort: Sie verbreiten Frauenhass in sozialen Medien, greifen Gleichstellungsbeauftragte an, stellen Anträge zum Verbot geschlechtergerechter Sprache in Parlamenten, überziehen Ärzt*innen an, die über Abtreibung aufklären, mit Strafanzeigen, treten als sog. Männer- oder Väterrechtsvertreter auf oder fordern als Christen die Wiederherstellung ‚der natürlichen, gottgewollten Ordnung’. Auch Frauen finden sich in den Reihen der Antifeministen: Sie finden Anschluss an die rechte Szene über die Mütterideologie, über eine rassistische Abwertung von Nicht-Weiß-Deutschen (Frauen und Männern) sowie über die Ethnisierung sexualisierter Gewalt. Judith Rahner zeigt auf, dass antifeministische Akteure gezielt und systematisch auf verschiedenen Ebenen gegen die demokratische Zivilgesellschaft vorgehen:
1. Gegen einzelne Personen, z.B. durch persönlich-sexistische Beleidigungen bis hin zu Drohungen und körperlichen Angriffen.
2. Gegen Vereine und Organisationen, z.B. durch Ausspähung, Einforderung von Einsichtnahme in Protokolle und Finanzen, Infragestellung der Gemeinnützigkeit, Forderung nach Überprüfung.
3. Gegen demokratische Institutionen: z.B. durch Stören parlamentarischer Ordnungen, Überschreitung von Grenzen des Sagbaren und darüber Aushöhlung eines demokratischen Sprach- und Redeverständnisses.
Gegenstrategien: Antifeminismus und rechte Männerideologie stoppen!
Die verbal gewalttätigen Strategien der Antifeministen, die auch vor körperlichen Angriffen nicht zurückschrecken, setzen auf Isolation der Opfer und Spaltung der Gesellschaft. Daher ist der erste und wichtigste Schritt der Zusammenschluss demokratischer Personen und Organisationen und die Solidarisierung mit Betroffenen antifeministischer, rechter Gewalt. Für die oben aufgezeigten, verschiedenen Ebenen der Angriffe müssen jeweils passende Gegenstrategien entwickelt werden:
1. Um betroffene Einzelpersonen vor antifeministischer Gewalt besser zu schützen und zu unterstützen, müssen Anlauf- und Beratungsstellen ausgebaut, Polizei und Justiz sensibilisiert und geschult werden. Nachbarn, Freund*innen, Bekannte der Betroffenen können sich solidarisieren, zivilcouragiertes Handeln einüben und ihr jeweiliges Umfeld motivieren, aufmerksam zu sein und Stellung zu beziehen.
2. Betroffene Vereine und Organisationen sollten Angriffe dokumentieren und ggfs. veröffentlichen bzw. zur Anzeige bringen; sie sollten den Austausch und Zusammenschluss mit anderen betroffenen Vereinen und Organisationen suchen, um gemeinsam aktiv zu werden und z.B. Schulungen anzubieten; nicht zuletzt sollten sie das eigene Demokratieverständnis schärfen, z.B. Partizipationspraktiken überdenken und weiterentwickeln sowie die eigene Organisationskultur im Hinblick auf Machtpraktiken und Männlichkeitsvorstellungen reflektieren.
3. Demokratische Institutionen sollten ihre Geschäftsordnungen im Hinblick auf antifeministische und demokratiefeindliche Angriffe verstärken und bspw. Grenzen des Sagbaren sowie das Reden zur Sache als Grundlage des Meinungsaustausches festlegen. Der Leugnung der nach wie vor existierenden, empirisch belegten Benachteiligung von Frauen und der Infragestellung von Gleichstellungsarbeit muss aktiv entgegengetreten werden.
Jede*r Einzelne kann aktiv werden: Auf Veranstaltungen, in den Medien und im beruflichen und persönlichen Umfeld gilt es Stellung zu beziehen und einer Normalisierung von Frauen- bzw. Menschenfeindlichkeit entgegen- und für eine demokratische Streitkultur einzutreten. Wichtig ist, den Fokus auf eigene Themen zu setzen und für sie zu werben: Wie können Care, Arbeit und Entlohnung geschlechtergerecht(er) verteilt werden? Wie sieht eine geschlechterdemokratische Zeit‑, Raum- , Digital- und Mobilitätspolitik aus? Und aktuell: Wie sieht eine demokratische Friedenssicherung aus? Den Gewerkschaften kommt die zentrale Aufgabe zu, Gegenwart und Zukunft mit zu gestalten. Die GEW als Bildungsgewerkschaft darf nicht nachlassen in ihrem Einsatz für Demokratie, Geschlechtergerechtigkeit und Frieden – von den Kitas bist zu den Hochschulen.
Barbara Scholand
Anmerkung: Veröffentlichungen der Amadeu-Antonio-Stiftung rund um das Thema Antifeminismus sind zu finden unter: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/?_search=Antifemini...