Bei der Bildungswende Jetzt-Kundgebung am 1. Juni auf dem Gänsemarkt redete u.a. unser Vorsitzender Sven Quiring sowie unser Weiterbildungsexperte Detlef Zunker. Das Bündnis „Bildungswende jetzt“ hat eine Online-Petition gestartet mit dem Ziel, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufzufordern, gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder noch in diesem Jahr „einen nationalen Bildungsgipfel auf Augenhöhe [einzuberufen], bei dem wir als Bildungsbetroffene zu Wort kommen“. Bis Samstag hatten mehr als 87.000 Menschen die Petition unterzeichnet, das Ziel des Bündnisses sind mindestens 100.000 Unterschriften.
Die Rede unseres Vorsitzenden Sven Quiring:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern, liebe Bürgerinnen und Bürger Hamburgs,
ich begrüße Euch alle ganz herzlich zu dieser wichtigen Demonstration des Bündnisses "Bildungswende jetzt!" am Tag des Kindes. Es ist großartig, dass so viele von Euch heute hier sind, um ein starkes Zeichen zu setzen: Für eine bessere Bildung, für eine gerechte Bildung und für eine zukunftsfähige Bildung!
Warum ist "Bildungswende jetzt!" wichtig?
Wir stehen an einem entscheidenden Punkt in unserer Bildungslandschaft. Die Herausforderungen sind groß und vielfältig. Das Bildungssystem in Hamburg, wie auch in ganz Deutschland, steckt in einer tiefen Krise. Unsere Schülerinnen und Schüler, unsere Lehrkräfte und alle, die am Bildungsprozess beteiligt sind, verdienen mehr als das, was ihnen derzeit geboten wird.
Eine gute Bildung ist die Grundlage für eine gerechte und zukunftsfähige Gesellschaft. Sie ist der Schlüssel zur persönlichen und beruflichen Entwicklung jedes Einzelnen und damit auch für den Wohlstand und den sozialen Zusammenhalt unserer Stadt. Doch die Realität sieht anders aus. Viel zu oft bestimmen soziale Herkunft, Migrationshintergrund oder finanzielle Mittel der Eltern über den Bildungserfolg der Kinder. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen!
Wie ist es um das Bildungssystem in Hamburg bestellt?
Hamburg, eine der wohlhabendsten Städte Deutschlands, steht in der Pflicht, ein vorbildliches Bildungssystem zu bieten. Doch die Realität ist ernüchternd.
Der Zusammenhang zwischen Armut und pädagogischem Förderbedarf ist hoch signifikant. Bildungspolitisch wird darauf häufig mit der Individualisierung sozialer Probleme und der Etikettierung von Kindern und Jugendlichen reagiert.
Die letzten Pisa Ergebnisse von 2023 zeigen dass wir in Hamburg seit Jahren bei den Schülerinnen und Schülern eine stabile Quote von 25 Prozent haben, die die Mindeststandards im Lesen, Schreiben und Rechnen nicht erfüllen.
Am hohen Anteil von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte – in Hamburg mit 51 Prozent höher als in vielen anderen Bundesländern – liegt das ausschließlich nicht. Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Migration und Armut, aber wir müssen den Fokus vom Migrationshintergrund wegbekommen. Studien belegen, dass Kinder von Eltern mit Migrationshintergrund, die einen hohen sozioökonomischen Status haben, die höchsten Quoten für Gymnasialempfehlung hätten. Da liegen wir bei über 80 Prozent. "Armut ist das zentrales Problem."
Untersuchungen wie die Langzeitstudie des Frankfurter Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik im Auftrag der Arbeiterwohlfahrt zeigen immer wieder, dass es einen Zusammenhang zwischen Armut und Bildung gibt. Das ist in Hamburg sehr ausgeprägt. Trotz aller Maßnahmen hat es die Bildungspolitik in Hamburg bislang nicht geschafft, den Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Bedingungen und Bildungserfolg zu entkoppeln. Das ist alles andere als Glanz und Gloria einer erfolgreichen Bildungspolitik.
Was fordert die GEW Hamburg?
Liebe Mitstreiter*Innen, Bildungswende in Hamburg heißt für uns als Gewerkschaft: grundsätzliche Fortschritte in allen Bildungsbereichen in Sachen Bildungsgerechtigkeit und Arbeitsbedingungen.
Konkret:
- auskömmliche Finanzierung der tarifgebundenen Kitas,
- kleinere Gruppen und Klassen in Schule und Kita, bessere Eingruppierung für schulische Therapeut*innen und Vorschullehrkräfte,
- - flexible Oberstufe mit Lernen im eigenen Takt in Stadteilschulen und Gymnasien, Dauerstellen für Daueraufgaben an den Hochschulen,
- In der Erwachsenenbildung:
* tarifgebundene Arbeitsverhältnisse mit einer Höchstzahl von 25 Unterrichtsstunden bei einer Vollzeitstelle
* bei Honorarverträgen hälftige Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge sowie Honorarfortzahlung im Krankheitsfall durch den Honorargeber.
Die Bildungswende ist keine Option, sie ist eine Notwendigkeit. Sie ist notwendig für die Zukunft unserer Kinder, für die Zukunft unserer Stadt und für die Zukunft unserer Gesellschaft. Wir alle, die wir heute hier stehen, wissen das. Und wir sind bereit, für diese Zukunft zu kämpfen.
Lasst uns gemeinsam laut und deutlich unsere Forderungen stellen. Lasst uns nicht nachlassen, bis wir die Veränderungen erreicht haben, die unsere Schulen und die anderen Bildungsbereich so dringend brauchen. Gemeinsam können wir eine Bildungswende erreichen – und gemeinsam werden wir es schaffen!
Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit und Euer Engagement. Lasst uns weiter kämpfen für eine bessere Bildung und eine gerechtere Gesellschaft.
Danke!
Rede unseres Weiterbildungsexperten Detlef Zunker:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
„Bildung goes democrathy“ ist das Motto der diesjährigen Bildungswende-Demo. Das ist ein extrem passendes Motto für die Branche der Erwachsenbildung, denn die Defizite des Bildungssystem mit ihrer Bildungsungerechtigkeit zeigt sich in der Erwachsenbildung ganz besonders. Von allem zu wenig!
Zu wenig Lohn, zu wenig Honorar, zu wenig Freizeit, keine bezahlte Zeit für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts und keine soziale Sicherheit sind die Merkmale der Erwachsenenbildung!
Wer bleibt auf der Strecke? Der Bildungserfolg der Zugewanderten, die Gesundheit der Kolleg*innen, die aus diesen Strukturen noch versuchen, das Beste zu machen.
Das geht so nicht weiter! Bildungswende jetzt!
Die Erwachsenenbildung ist für den ökologischen und digitalen Umbau unserer VWL unverzichtbar. In ihr arbeiten, was wenig bekannt ist, in ganz Deutschland etwa 700.00 Kolleg*innen, etwa genauso viel wie in der schulischen Bildung.
Fehlende Tarifverträge sind kennzeichnend für diese Branche, die durch Niedrighonorare und -Löhne und extrem schlechte Arbeitsbedingungen (häufig 40 U-Stunden bei einer Vollzeitstelle) gekennzeichnet ist.
Das muss endlich aufhören! Bildungswende jetzt!
Die Beschäftigten in der Weiterbildung sind die Leistungsträger-*innen, die dafür sorgen, dass Weiterbildung und Zukunftsorientierung gelingen kann. Ihre Arbeitsbedingungen müssen endlich den Kriterien gute Bedingungen für gute Arbeit entsprechen!
Lehrende in dieser Branche sind nur zu 28% in sozialversichert. Schlechter sieht es in keiner anderen Branche Deutschlands aus.
So kann es nicht weitergehen! Bildungswende jetzt!
Und: Obwohl fast 70% der Beschäftigten in der Branche einen Studienabschluss haben und ihre Arbeit in öffentlichem Interesse ist, ist ihr Einkommen im Schnitt weit entfernt von den Einkommen im Öffentlichen Dienst.
Das ist ein Skandal. Bildungswende jetzt!
Und er hat zu einer massiven Abwanderung der Kolleg*innen aus dieser Branche geführt, da sich viele die Arbeit dort nicht mehr leisten können und sie ihre Gesundheit aus Spiel setzen.
Das ist das Gegenteil von Zukunftsorientierung!
Was weiter viele nicht wissen: Zur Erwachsenen- und Weiterbildung gehört auch die Politische Bildung. Diese ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt essentiell. Geprägt ist sie durch zu wenige und meist befristete Stellen.
Das geht nicht! Bildungswende jetzt!
Die Grundbildung „Diese stärken und verstetigen“
Steht im rot-grünen Koalitionsvertrag von 2020.
Mehr als 6 Mio. Bürger*innen mit geringen Lese und Schreibfähigkeiten in Deutschland, davon 53 % Muttersprachler*innen gibt es in Deutschland.
25% der Schülerinnen und Schüler verlassen die Hamburger Schulen ohne die Mindestkenntnisse in Deutsch, Mathe und Englisch.
Hier brauchen wir ein deutlich ausgeweitetes Angebot mit besseren Arbeitsbedingungen! Bildungswende jetzt!
Was kann Hamburg tun?
Eine grundlegende Aufwertung aller Bereiche von Weiterbildung zu einem eigenständigen Bildungsbereich mit einem Weiterbildungsgesetz. Hamburg ist inzwischen das einzige Bundesland, dass sich diesem Thema verweigert!
Hier muss sich endlich etwas tun! Bildungswende jetzt!
Volkshochschule Hamburg
Im März diesen Jahres haben sich nahezu alle arbeitnehmerähnlichen Lehrenden der VHS beim Personalrat der Schulbehörde über ihre unerträglichen Arbeitsbedingungen beschwert.
Viele müssen krank zur Arbeit gehen, weil sie keine Honorarfortzahlung im Krankheitsfall haben und von dem geringen Honorar die Sozialversicherungskosten allein tragen müssen.
Die Schulsenatorin, Frau Bekeris, ist als Schulsenatorin direkt für die VHS Hamburg zuständig. Wir fordern sie dazu auf sich dafür einzusetzen, dass im kommenden Haushalt „Gute Bedingungen für gute Arbeit“ auch an der VHS gelten!
Wir fordern für alle ca. 150 arbeitnehmerähnlichen VHS-Kursleitenden
- Hälftige Beteiligung an der sozialen Absicherung
- Honorarfortzahlung im Krankheitsfall
Das kostet ungefähr eine Million € pro Jahr, das sind etwa 0,05 % des Etats der Schulbehörde.
Das Geld ist vorhanden und nicht zu viel verlangt: Die „armen“ Bundesländer Berlin und Bremen können es auch und haben es bereits vorgemacht!!
Wir fordern, dass der Senat endlich für gute Arbeitsbedingungen an der Hamburger VHS sorgt! Das ist sozial- und bildungspolitisch gut angelegtes Geld! Und es strahlt auf die anderen Weiterbildungsbetriebe in Hamburg aus!
Bildungswende jetzt!
Vielen Dank, dass ihr gekommen seid!
Außerdem: Wir fordern von der Hamburger Politik: Nutzen Sie endlich ihren Einfluss im Bund dazu, ein Tariftreuegesetz auf den Weg zu bringen, um die Tür zu einem Branchentarifvertrag zu öffnen!
2024 muss unser Jahr werden, sowohl bei der VHS wie bei den privaten Trägern! Bildungswende jetzt!
Wir brauchen eine Zeitenwende für die Erwachsenenbildung! Der Hamburger Senat muss seine Hausaufgaben machen! 2024 muss unser Jahr werden, sowohl bei der VHs wie bei den privaten Trägern!!!
Wir fordern, dass der Senat als ersten Schritt endlich für gute Arbeitsbedingungen an der Hamburger VHS sorgt!
Frau Senatorin Bekeris, sprechen sie endlich mit der GEW und mit den Kursleitenden. Das Geld für die Soziale Absicherung und die Honorarfortzahlung im Krankheitsfall muss endlich in der Haushalt des Senats für 2025/26!
Bildungswende jetzt!
Foto: GEW